29. April 2008

Die Ungewißheit der Zukunft – was bleibt?

Wer sich für ein BGE einsetzt und es in Diskussionen vorstellt, sieht sich sehr schnell der Forderung gegenüber, eine Voraussage darüber machen zu sollen, wie denn dann alles werde, ob denn überhaupt zukünftig ein BGE finanzierbar sei. Was werden die Bürger tun, wie werden sie ihr Leben gestalten, wenn sie über ein BGE verfügen. All das sind berechtigte Fragen – mit dem BGE ist eine große Ungewissheit in mancher Hinsicht verbunden.

So naheliegend und verständlich also die Sorgen sind, so missverständlich sind sie, wenn in ihnen die Hoffnung lebt, die Ungewissheit einer offenen Zukunft könnte doch vielleicht irgendwie beseitigt werden – z.B. durch Rechenmodelle. Sie können informieren, doch nur über die Vergangenheit; genauso können sie den Blick verstellen auf das konkrete, das wirkliche Leben.

Wir können - auch wenn wir Berechnungen anstellen - stets nur von der Gegenwart aus auf der Basis der Vergangenheit die Zukunft entwerfen. Was wir mit Voraussagen und Prognosen tun, ist also nicht anderes, als die Verlängerung der Gegenwart in die Zukunft - so, als änderte sich nichts, wenn wir Entscheidungen treffen. Wer Berechnungen anstellt, muß dazu Annahmen darüber treffen, was in Zukunft sein wird, wie die Menschen handeln werden usw. Auch das beseitigt aber die Ungewissheit nicht, es schafft lediglich die Illusion, über die Zukunft etwas Sicheres sagen zu können.

Spricht man diese Zusammenhänge in der Diskussion um das BGE aus, schallt einem entgegen: „Sie haben ja gar kein Modell“, „Sie wissen ja nicht, ob das gut geht“, „Sie können nicht sagen, ob ein BGE auch in Zukunft finanzierbar ist“. Antwortet man hierauf, das könne niemand wissen, wird man für verantwortungslos gehalten – und nicht etwa nur von Laien, sondern genauso von Experten.

Worüber wird sich hier empört, wenn eine Berechnung der Zukunft, eine Voraussage darüber, was tatsächlich sein wird, gar nicht möglich ist?

Es ist die Ungewissheit, der offene Ausgang, der wohl zu enormer Beunruhigung führt. Das ist allzuverständlich, doch der Schuldige dafür ist nicht derjenige, der es ausspricht. Wollten wir diese Ungewissheit loswerden, müssten wird die Zukunft abschaffen, die Gegenwart müßte ewig fortbestehen, dann erst wäre die Ungewißheit beseitigt.

Aus der Unmöglichkeit, die Zukunft durch Berechnung abzusichern, kann doch keinesfalls geschlossen werden, dass wir keine Basis haben, um Entscheidungen zu treffen, die in die Zukunft führen. Wir richten in dieser Frage allerdings selten den Blick auf uns selbst, auf Erfahrungen, die wir gemacht haben. Diese Erfahrungen sagen uns etwas darüber, was Menschen im allgemeinen wichtig ist, dass sie bei aller Verschiedenheit doch auch Gemeinsamkeiten haben.

Hätten wir wohl einen solch gewaltigen Wohlstand schaffen können, wenn die Bürger nicht bereit wären, sich dafür beruflich zu engagieren? Würde es all die Wohlfahrtsorganisationen, würde es unsere Parteien geben ohne all die Ehrenamtlichen? Könnte unsere Demokratie überhaupt bestehen, ohne unsere Loyalität?

Wenn wir diese Phänomene ernst nehmen, können wir gar nicht daran zweifeln, dass auch zukünftig, mit einem BGE im Rücken, wir Bürger bereit sind uns einzubringen. Weder hat dies damit zu tun, dass man die Menschen für gut hält, noch das man ein idealistisches Menschenbild hat. Es reicht, der eigenen Erfahrung zu vertrauen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und Probleme argumentativ auszuloten - etwas anderes haben wir nicht.

Sascha Liebermann


21. April 2008

Leiharbeit, Zeitarbeit, prekäre Lebensverhältnisse – wie sähe es mit einem BGE aus?

Seit einiger Zeit wird viel über die Zunahme von Leiharbeit, Zeitarbeit und prekäre Lebensverhältnisse berichtet und diskutiert. Es scheint auf den ersten Blick eindeutig, worum es dabei nur gehen kann: um befristete Arbeitsverhältnisse, die zu Einkommensunsicherheit führen; um Beschäftigungsverhältnisse mit niedrigen, nicht existenzsichernden Einkommen sowie um Statusunsicherheit als Arbeitnehmer – der Einzelne verliert an Verhandlungsmacht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen der Einkommenserzielung werden die Freiheiten enger, nicht nur für diejenigen mit geringen Qualifikationen, auch für andere: in keinem Bereich mehr sind Arbeitsplätze sicher. Diese Entwicklung hat zahlreiche Folgen. Entscheidungen, die über einen längeren Zeitraum sich auswirken und die zu treffen eine gewisse finanzielle Absicherung voraussetzt, werden so erschwert, wenn nicht gar unmöglich. Auch für die Frage der Familiengründung ist diese Lage nicht ohne Wirkung, wenngleich sie nicht alleine entscheidend ist.

Doch all die aufgelisteten Phänomene werde nur zu Problemen, weil wir keine Absicherung vorsehen, die von einer Einkommenserzielung über geregelte Erwerbsarbeit unabhängig ist. Gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen in ausreichender Höhe, was wäre an Leiharbeit problematisch? Verhandlungsmacht würden Leiharbeiter im Unterschied zu heute nicht einbüßen, sie würden erst welche gewinnen. Zeitarbeit könnte zu Projektarbeit werden, ohne dass Einkommensungewißheit damit verbunden wäre. Was bliebe von „prekären Lebensverhältnissen“ übrig?

Etwas ganz anderes, als heute damit verbunden wird. „Prekär“ kann eine Lebenssituation in zwei ganz verschiedenen Bedeutungen sein. Die eine benennt schwierige, die Existenz bedrohende Einkommensverhältnisse. Letztlich bleibt dann der Gang zur Sozialbehörde mit all seinen stigmatisierenden Folgen. „Prekär“ kann aber ein Leben auch in einem anderen Sinn werden, der für gewöhnlich mit dem Ausdruck nicht verbunden wird: dem einer Lebenskrise als Sinnkrise. Sie kann durch keine Einkommensgarantie aufgehoben werden, keine Bildungspolitik kann sie verhindern. Solche Krisen gibt es heute auch, jeder hat auf sie eine Antwort zu finden, allerdings geben wir heute noch eine Antwort vor, die wir für besonders gut halten: Erwerbsarbeit. Auch wenn jeder schon vor die Frage gestellt ist, was er mit seinem Leben anfangen, was er aus ihm machen will, kann er doch heute an dieser einen Krücke gehen, in ihr eine Antwort erkennen. Wer Erwerbsarbeit leistet, macht nach allgemeiner Anschauung auf jeden Fall etwas Sinnvolles. Das spürt besonders, wer zur Arbeitsagentur geht und ihr Kunde wird.

Längst schon ist diese Antwort aber brüchig geworden, die Sinnfrage verlangt nach individuierten Antworten, jeder muß die geben, die ihm gemäß ist. Gäbe es ein BGE, stellt sich die Frage radikaler, es gäbe keine Krücke mehr, an der wir gehen könnten. Nicht würden wir in einem Schlaraffenland leben, wie immer wieder suggeriert wird. Vielmehr wäre es genau anders herum, wir wären mit der Frage der Freiheit und des Lebensinns viel härter konfrontiert. Keine kollektiv posivtiv besetzte Antwort würden den Weg weisen, wir müßten ihn selbst finden. Die wirklichen Lebensfragen träten um so deutlicher hervor, wenn wir von Einkommenssorgen befreit wären, Fragen, auf die keine politische Planung eine angemessene Antwort zu geben vermag.

Genau eine solche Situation wäre unserer Demokratie gemäß: sie ruht auf der Bereitschaft der Bürger, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Ein BGE würde sie darin bestärken, ihnen den Rücken stärken, damit sie ihren Weg zu finden zum Gemeinwohl beizutragen. Mit einem BGE im Rücken trifft einen die Sinnfrage erst mit voller Wucht.

Sascha Liebermann

9. April 2008

"Bedingungsloses Grundeinkommen - ein gesellschaftliches Zukunftsmodell?" - Workshop in Dortmund

Unter diesem Titel findet am 13. und 14. Juni ein Workshop in der Sozialforschungsstelle Dortmund, veranstaltet vom "Forum Neue Politik der Arbeit" (Flyer Workshop.pdf), statt.
Für die Initiative wirken Ute Fischer (gemeinsames Papier mit Helmut Pelzer), Thomas Loer (Thesen) und Sascha Liebermann (Thesen) mit. Papiere weiterer Referenten sind auf der Website in der Rubrik "Workshops" abgelegt.

Papiere und Fotos zur Veranstaltung finden Sie auch hier.