8. Mai 2009

Verkehrte Welt

Wer kennt ihn nicht, den wiederkehrenden Einwand, ein bedingungsloses Grundeinkommen sei ungerecht, weil dann diejenigen, die weiterhin erwerbstätig sind, diejenigen finanzieren, die es nicht sind. Was so einleuchtend scheint, ist es bei näherer Betrachtung nicht.

Sicher: die Erzeugung von standardisierten Gütern und Diensten, die gekauft werden können, ist wichtig. Wer würde das bestreiten. Ohne diese Güter wäre unser Leben beschwerlicher. Genauso wichtig aber ist auch dasjenige Engagement, das wir stets für selbstverständlich halten, es aber nicht gleichermaßen anerkennen.

Stellen wir uns vor, diejenigen, die sich ohne Bezahlung engagieren, z.B. in Parteien und Initiativen, in Familien und Wohltätigkeitsorganisationen würden ihr Engagement einstellen, nur weil es nicht bezahlt wird. Sie würden dies auch tun, weil sie darüber ungehalten sind, dass andere sich nicht gleichermaßen engagieren. Wahrscheinlich würden wir ihnen entgegenhalten, dass jeder selbst zu entscheiden habe, ob er sich ehrenamtlich oder familial oder wo auch immer engagieren will. Nun ist es aber gerade nicht so, dass die freiwillig oder ehrenamtlich Engagierten über die anderen schimpfen und ihre Untätigkeit beklagen. Sie hätten, vergleicht man ihre Situation mit derjenigen der Helden der Arbeit, durchaus Anlass, sich zu beklagen.

Denn ohne ihr Engagement könnten wir viele Leistungen nicht in Anspruch nehmen, die wir mehr oder weniger selbstverständlich voraussetzen. Wer auf den Fussballplatz geht, um dem lokalen Sportverein zuzuschauen; wer Stadtteilfeste besucht, um ein wenig mit den Nachbarn zu feiern; wer sich über die von einer Bürgerinitiative erwirkten baulichen Veränderungen in verkehrsberuhigten Zonen freut; wer die Dienste der freiwilligen Feuerwehr in Anspruch nimmt usw. usf. - für all das bezahlt er nicht, allenfalls steuert er einen Obulus bei.

Obwohl wir also auf dieses Engagement angewiesen sind und der Freiwilligen bedürfen, reden wir wenig darüber, wie es zu größerer Wertschätzung gelangen könnte, ohne es direkt zu bezahlen und dadurch in Erwerbsarbeit zu verwandeln. Womit hat das zu tun?

Je weniger sich der Nutzen von etwas direkt messen lässt, z.B. durch seinen Verkaufswert, desto weniger neigen wir dazu, es als Leistung anzuerkennen. Je weniger es in bestehende Schubladen passt, desto mehr zweifeln wir am Sinn einer Tätigkeit. Ist das nun das Problem derer, die dennoch sich dort weiter engagieren wollen, wo sie es für wichtig und richtig erachten, oder ist es das Problem der Helden der Erwerbsarbeit, die den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen?

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde Wertschätzung zum Ausdruck bringen, ohne dieses Engagement in Erwerbsarbeit zu verwandeln, Wertschätzung durch solidarische Ermöglichung, das ist der Weg, den das BGE vorschlägt.

Sascha Liebermann