Wieder ist eine Rezension
des Buches Irrweg Grundeinkommen erschienen, die sich zugleich als
Beipflichtung verstanden wissen will. Zu den Einwänden gegen das Bedingungslose
Grundeinkommen, die in diesem Buch vorgebracht werden, ist schon manche
Entgegnung geschrieben worden, siehe hier,
hier und
hier
(darin auch weitere Links). Dennoch ist es immer wieder interessant und in diesem hier zu besprechenden Fall auch aufschlussreich, eine Kritik zu lesen,
um das Weltbild zu verstehen, das sie trägt. Zu dem Beitrag gibt es unter dem
entsprechenden Link auch interessante Kommentare anderer Leser, hier seien nur
wenige Passagen ausführlich kommentiert.
Roberto De Lapuente, Autor der Rezension, ist der Auffassung, zwei schlagende
Ansatzpunkte für eine Kritik am Grundeinkommen gefunden zu haben. Nehmen wir
sie unter die Lupe:
Ein berechtigter Einwand, den die Ökonomen [Flassbeck et al., SL]
aufzählen, ist: Wenn die Autarkie, die der Mensch einer
Grundeinkommensgesellschaft genießt, weil er ja nicht mehr arbeiten muss,
sondern kann oder darf, je nach Laune - wenn diese Autarkie also dazu führt,
dass Arbeit nach eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen geleistet wird, dann mag
das ein Aufschwung für Tätigkeiten sein, die man als Berufung wahrnimmt. Was
aber geschieht mit Berufen? Wer schraubt Fahrgestelle zusammen und asphaltiert
Straßen oder entertaint kleine Schreihälse? Autarke Erzieherinnen könnten sich
ja auch nur die netten Kinder raussuchen. Eine unverbindliche Gesellschaft wäre
das Resultat...
Ein bekannter Einwand gegen das BGE wird hier vorgebracht. Als Erstes fällt der Begriff Autarkie auf, der mit den
Lebensmöglichkeiten, die ein BGE schafft, verbunden wird. Autarkie bedeutet so
viel wie Selbstgenügsamkeit,
steht also für eine Lebensform, die sich selbst genügt und nicht in einem
gemeinschaftlichen Zusammenhang steht bzw. von diesem unabhängig ist. Da diese Lebensform hier auf das Individuum bezogen wird, geht es also um ein Individuum, das keiner
Gemeinschaft bedarf, das in sich selbst aufgehoben, aus sich selbst
lebensfähig ist. Ist das eine Gefahr, mit der wir durch ein BGE konfrontiert würden? Ein Individuum wird nur zu einem solchen durch einen Bildungsprozess (Ontogenese), der sich in
Sozialität, also in einer konkreten Gemeinschaftsform entlang ihrer
Wertvorstellungen, vollzieht. Durch diesen Bildungsprozess entsteht - wenn
alles einigermaßen gut läuft - eine belastbare Gemeinwohlbindung, auf deren
Basis dann Entscheidungen im Leben getroffen werden, die sich ins Verhältnis zum Gemeinwohl setzen. Die Ausformung einer solchen Gemeinwohlbindung kann natürlich auch scheitern oder fragil sein, entsprechende
Phänomene sind die Folge, doch in der Regel ist sie am Ende diese Prozesse stabil gegeben. Was als Gemeinwohl in einer jeweils konkreten Gemeinschaft verstanden wird, steht nicht ein für allemal fest, es unterliegt Wandlungen. Gerade die BGE-Diskussion
bezeugt eine solche Strittigkeit und bietet eine andere als geläufige Antworten an. De Lapuente wie auch Flassbeck und seine Mitautoren verstehen Solidarität als eine, die
durch Verpflichtungen und eine wenn auch implizite Nötigung befestigt oder sogar erzeugt wird - so lässt sich aus diesem Text schließen.
Es ist die Nötigung bzw. Verpflichtung zu Erwerbstätigkeit. So ist auch die Schlussfolgerung zu
verstehen, die besagt, ohne diese Verpflichtungen und Nötigungen orientiere
sich der Einzelne gar nicht am Gemeinwohl, sondern nur an seinen unmittelbaren
Bedürfnissen. Folgerichtig blieben die unangenehmen Tätigkeiten ungetan zurück. Erwerbstätigkeit wird zum Band der Solidarität.
Konsequent schlussfolgert der Autor, wohin ein BGE führen würde. Er
sieht die Berufe bedroht, die nicht den Neigungen und Bedürfnissen entsprechen, sondern in irgendeiner Form unangenehm - eine sehr vage Bestimmung - sind. An dieser Deutung ist zum
einen interessant, dass Berufung als etwas Partikularistisches verstanden wird, das nur den Bedürfnissen des Einzelnen entspricht. Das ist aber nicht
die Bedeutung des Wortes, denn berufen wird man, man beruft sich nicht selbst. Sie ist der Inbegriff dafür, einer höheren Aufgabe zu folgen. Die Berufung, das Berufungsempfinden
geht auf eine dem Einzelnen übergeordnete oder als solches empfundene Instanz zurück - in
religiösem Sinne Gott, in säkularem Sinne so etwas wie das Gemeinwohl.
Bezeichnend ist wiederum die Wertigkeit, die der Autor klischeehaft mit
bestimmten beruflichen Aufgaben verbindet: Das Anstrengende, Schmutzige,
Nervige wird mit dem gleichgesetzt, was keiner machen will, der schnöde Beruf. Was
indes anstrengend, herausfordernd oder auch unangenehm ist, das ist zum einen von
gesellschaftlichen Bewertungen abhängig, zum anderen von persönlichen
Neigungen. Sich um "Schreihälse" zu kümmern, ist unangenehm, wenn Kinder vor allem als "Scheihälse" betrachtet werden. Es ist auch unangenehm für denjenigen, der es nicht machen möchte, dem es nicht liegt, aber nicht für
denjenigen, der darin eine sinnvolle Aufgabe erkennt. Anstrengung - auch sie kann unangenehm sein - und Erfüllung widersprechen sich keineswegs, sie gehören eher zusammen. Ist die Argumentation gegen das BGE hier nicht genau die Logik der Agenda 2010 ein wenig durch den Mantel der Fürsorglichkeit verdeckt? Das würde er sicher weit von sich weisen, damit etwas zu tun zu haben, doch bei genauerer Betrachtung ist es die Konsequenz. Selbst wenn Regelsätze erhöht und die Sanktionspraxis gemildert würde, änderte dies nichts an der normativen Struktur.
Natürlich könnte es so sein,
gedankenexperimentell, dass mit einem BGE nur noch die angenehmen Tätigkeiten
gemacht werden würden. Ist das aber realistisch? Müssen wir uns nicht heute schon fragen, weshalb diese vermeintlich
unangenehmen Tätigkeiten gemacht werden, ohne dass es einen Berufszwang gibt?
Müssen wir uns folglich nicht fragen, weshalb auch die vermeintlich
unangenehmen Tätigkeiten etwas Erfüllendes haben können? Welche Tätigkeit,
welcher Beruf zeichnet sich denn durch vorwiegend oder ausschließlich angenehme
Seiten aus? Der Autor als Verfasser von Texten müsste, sich an die eigene Nase
fassend, sogleich feststellen, welche Anstrengung das der Berufung doch
nahekommende Schreiben, wie krisenhaft und aufwendig das Verfassen eines Textes
ist - die Furcht vor dem leeren Blatt Papier. Grund genug für andere, daraus
keinen Beruf machen zu wollen. Statt eine vermeintlich plausible Unterteilung
von angenehmen und unangenehmen Tätigkeiten zu behaupten, wäre zu fragen: Was
ist für wen aus welcher Perspektive angenehm oder unangenehm? Solche
Bewertungen werden von verschiedenen Motiven getragen: persönlichen Neigungen,
milieuspezifischen und gesellschaftlichen Bewertungen, Ängsten und
Tabuisierungen. Berufung und Beruf widersprechen sich gar
nicht, wenn einmal ernst genommen wird, dass jeder Beruf seine spezifischen
Anstrengungen und unangenehmen Seiten hat - vor allem aus Sicht desjenigen, der
sich nicht vorstellen kann, ihn auszuüben. Man höre nur einem Kumpel zu, der
unter Tage arbeitet oder einem Mitarbeiter der Müllabfuhr, was er vom
Papierrascheln der Sesselpupser in den Büros hält, von den Berufen im
Bildungswesen ganz zu schweigen.
Schon die hier ausführlicher kommentierte erste Passage gäbe genug
Anlass, den Klischees nicht weiter zu folgen, die als Beleg für die
verheerenden Folgen eines BGE zusammengetragen werden. Sie geben vor allem
Auskunft über die Wertvorstellungen des Verfassers.
Wie geht es weiter?
...Seitdem Menschen der arbeitsteiligen Gesellschaft von Unabhängigkeit von
der Erwerbsarbeit träumen, hoffen sie auf einen Typus Mensch, der freiwillig
und aus rationalen Gründen arbeitet...
Solche den Lebenswirklichkeiten durchaus zu entfliehen versuchende
Vorstellungen hat es wohl immer gegeben. Sie könnten ein Zeichen dafür gewesen
sein, einer zu sehr - aus welchen Gründen auch immer - fremdbestimmten
Lebensweise entfliehen zu wollen und das Kind mit dem Bade auszuschütten. Doch
auch hier erfährt man mehr über den Autor. Liest man "freiwillig und aus
rationalen Gründen" einmal so, dass nur in einem solche Beruf der Einzelne
bestehen kann, mit dem er sich auch innerlich zu verbinden weiß, dann kann der
Einwand nicht ernsthaft als Einwand betrachtet werden. Ohne eine solche innere Verbindung kann kein Beruf erfolgreich ausgeübt werden. Erstaunlich, wie schnell doch, ohne ausgesprochen zu werden, gewisse Druck- oder
Zwangskonstellationen als unerlässlich angesehen werden, um die Menschen zum
Arbeiten zu bringen. Der Autor befindet sich in bester
Gesellschaft mit den sogenannten Neoliberalen zumindest deutscher Prägung. Denn
dass am Ende der Sozialisation eine belastbare und tragfähige Gemeinwohlbindung
vorliegt, ist für beide Positionen gleichermaßen undenkbar, da sind sie Brüder im Geiste (siehe auch "'Konstruktionsfehler
des Grundeinkommens' - oder der Einwände dagegen?").
Weiter heißt es:
...Jeder hätte ja nun die Muße weniger zu arbeiten oder das zu tun,
wonach einem der Sinn steht. Man führt dabei gerne Marx an, der über ein Ende
der Arbeitsteilung sinnierte und meinte es sei irgendwann möglich "heute
dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends
Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe,
ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." Diese Vorstellung
der Autarkie ist führwahr sehr anziehend, aber undenkbar in einer Gesellschaft,
die von so genannter Scheißarbeit abhängig ist. Von Arbeit, die keiner als
Herausforderung sieht und die man als von der Erwerbsarbeit autarker Mensch
niemals anpacken würde...
Ganz konsequent setzt sich das Argumentationsmuster fort. Umso deutlicher
wird noch einmal, wie sehr offenbar die Erwerbsverpflichtung das notwendig
integrierende Band bleiben soll, damit die "Scheißarbeit" gemacht
wird.
Weiter heißt es:
...Das Wort Beruf kommt von Berufung. Luther soll es geprägt haben. (Im
Zweifelsfall war es immer Luther.) Heute stehen Beruf und Berufung aber
durchaus gegensätzlich da. Die Berufung käme vielleicht sogar gut weg, gäbe es
ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Altenheime hätten plötzlich Personal,
Vorleser oder Zuhörer. Das Grundeinkommen würde Zeit loseisen und der Berufung
Zeit schenken. Aber den Beruf, wer würde den wählen? Bestimmte Berufe würden
bestimmt weiter erledigt. Andere jedoch sicherlich kaum. Wer geht freiwillig in
die Kanalisation? Wer wäscht Scheiße aus Altenheimbettwäsche? Wer reinigt
Fenster oder pflastert Schnellstraßen bei Wind und Wetter?...
Stehen heute Beruf und Berufung „gegensätzlich“ da? Selbst für den
Gläubigen, zumindest lässt sich Luther so verstehen, ist eine Spannung zwischen
beidem konstitutiv, wenn die Berufung das ist, wohin Gott einen gerufen hat,
der Beruf hingegen in weltliche Normen und Maßstäbe eingebundene Anforderungen
formuliert, die mit der Berufung nicht deckungsgleich sind. Für das säkulare
Leben gilt diese Spannung ebenfalls, denn auch hier ist die Berufung
gleichzusetzen mit der Hingabe an eine Sache und der Beruf ist die praktische
Ausgestaltung und Organisationsform mit ihren Normen, in der die Berufung nur
realisiert werden kann – ein ständiges Ringen zwischen Ideal und Praxis, die
zugleich Ermöglichung und Beschränkung ist. Nun räumt der Autor ein, die
Berufung komme noch gut weg mit einem BGE, sein Beispiel ist das Altenheim.
Doch die „Scheiße aus der Altenheimwäsche“ zu waschen, das soll jemand aus
Berufung tun? Für ihn unvorstellbar. Liegt das nun an der Aufgabe oder an den
Vorurteilen des Autors? Sicher, in unserer Gesellschaft mag dieser Beruf kein
gutes Ansehen genießen, das spricht Bände. Doch diejenigen, die ihn ausüben,
müssen deswegen, was andere für unangenehm halten, nicht selbst unangenehm
finden. Wer sich einem anderen Menschen zuwendet, auch wenn das als Beruf
geschieht, dem ist nichts fremd – es gehört zum Menschen. Dasselbe gilt für die
erwähnten „Schreihälse“ – das sind sie nur aus der Sicht Erwachsener, die ihre
Ruhe haben wollen und deswegen Kinder bevorzugen, die „pflegeleicht“ sind. Wäre
der Autor konsequent, müsste er eine mehr oder mindere deutlich Form einer
Zwangsverpflichtung befürworten, denn sonst bliebe das Risiko bestehen,
niemanden für diese Aufgaben zu finden, die er für unangenehm hält. Doch, wäre
das eine Lösung? Zumindest keine, die unseren Vorstellungen von freier Berufswahl entspricht, wie sie im Grundgesetz
niedergelegt ist. Will der Autor dahinter zurück?
Es läge doch näher, die Frage einmal umzukehren: Wie erklären wir das
Phänomen, dass selbst unter widrigen Bedingungen heute Menschen an ihrem Beruf
festgehalten? Schon eilt der Einwand heran:
ja, aber die müssen eben und haben keine Alternative oder können auf das
Einkommen nicht verzichten. Diese Deutung unterschätzt in meinen Augen die
Lebenspraxis, es gibt mehr Alternativen, als man meint - sie
liegen einem aber vielleicht nicht oder kommen aus den verschiedensten Gründen
nicht in Frage.
Was folgt nun aus der Sorge um die unbeliebten Tätigkeiten? Sollte sich nun tatsächlich niemand finden, der solche
Tätigkeiten übernimmt, dann können wir allenfalls dafür sorgen, sie attraktiver
zu machen oder sie selbst in die Hand nehmen. Wo das keine Antwort bietet, z.B.
für Menschen, die auf dauernde Hilfe oder Betreuung angewiesen sind, wird nur
eine öffentliche und private Auseinandersetzung darüber, wie wir zu diesen
Aufgaben stehen, eine Veränderung bringen können (siehe auch Stichwort „Pflege“
in unserem Blog). Unterschätzt werden meines Erachtens die Auswirkungen der
Überhöhung von Erwerbstätigkeit auf die Deutungen genau dieser Tätigkeiten, die heute abgewertet sind.
Weiter heißt es:
...Das alles bedeutet nicht, dass man
das negative Menschenbild der Neoliberalen teilen müsste, die da meinen,
alimentierte Menschen würden es bevorzugen auszuschlafen und sich auszuruhen.
Natürlich arbeiteten die Menschen auch dort, zumal einige
Grundeinkommensmodelle auch einen Mehrertrag für die Arbeitsbevölkerung
vorsähen...
In seinem Selbstverständnis klarer Gegner der sogenannten Neoliberalen
folgen seine Einwände gegen das BGE jedoch einem verwandten Muster, wobei sich
auch zeigt, wie fragwürdig ein solches Schlagwort ist. Milton Friedman
plädierte gerade deswegen für eine Negative Einkommensteuer, weil er die
Bedürftigkeitsprüfung für entwürdigend hielt. Dass es ihm dennoch darum ging,
„Anreize“ für Erwerbstätigkeit zu erhalten, da war er mit De Lapuente einig,
wie wir gesehen haben.
...Aber zu positiv darf man das ja
auch nicht sehen. Es ist ja mitnichten so, dass der Mensch ein bedingungslos
edles Wesen ist, das in einem Idyll zu den nobelsten Taten fähig würde...
Aha, da ist sie schon, die Einschränkung. Was hat das eine mit dem anderen
zu tun, muss gefragt werden? Ein Schuh wird daraus, weil ein nur bedingt edles
Wesen eben doch angeleitet, geführt, angereizt oder bedrängt werden muss, wo unangenehme
Tätigkeiten zu verrichten sind. Die also ihrer Berufung weiterhin folgten, die
könnte man in Ruhe lassen, die anderen nicht? Eine schöne Zwei-Klassen-Gesellschaft wird da entworfen.
...Die Scheißarbeit fällt immer unter
dem Tisch, wenn man den Garten Eden auf Grundeinkommensniveau beschreibt. Man
spricht von ihr nicht, so als fiele sie einfach weg, als hätten wir es nicht
mehr nötig zu schrauben, zu putzen oder zu warten...
Wen meint er denn, wer lässt diese Arbeiten unter den Tisch fallen? Statt
Behauptungen zu belegen, werden sie einfach in die Welt gesetzt. Wie in jeder
Diskussion um einen Vorschlag gibt es auch unter BGE-Befürwortern
Einseitigkeiten, überzogene Erwartungen und Klischees. Dafür kann aber nicht das BGE
verantwortlich gemacht werden.
...Oder meint mancher ein glückliches
Menschengeschlecht auf Grundlage technischen Rückschritts zu ermöglichen?
Polpotismus etwa? Back to the stones?
So würde es eventuell wirklich funktionieren. Aber wer möchte das schon?...
Für den Fortschritt also den Druck und die Zwangsverpflichtung? Klare Worte,
immerhin.
...Nun wird man einwenden, dass die
Ökonomenriege den Arbeitszwang aufrechterhalten will. Und dass sie Interesse
daran hat, dass ihnen jemand die Scheißarbeit erledigt. Letzteres mag stimmen...
Das ist plump gedacht, in des Autors Ausführungen aber durchaus enthalten,
nicht die anderen, die Ökonomenriege, er selbst will es.
...Denn jede Tätigkeit ist von
gesellschaftlichen Nutzen...
Wie ist das nun zu verstehen? Weshalb wird dann nicht „jede Tätigkeit“ durch
das Gemeinwesen ermöglicht, z.B. das bürgerschaftliche Engagement und die
familiale Fürsorge ohne Wenn und Aber?
Es kommt aber darauf an, sie
ordentlich zu entlohnen. Dass dies heute nicht immer, ja viel zu selten der
Fall ist, leugnen die Ökonomen durchaus nicht. Sie sprechen sich dafür aus,
dass in diesem System der Arbeitsbasiertheit dafür gesorgt sein muss, dass
jeder sein Auskommen hat. Auch diejenigen, die in diesem System zeitweilig
(oder aus welchen Gründen auch immer unbefristet) ohne Arbeit sind. Auch um
Ideen, die anfangs attraktiv klingen, wie eben jenes Grundeinkommen, die aber
ins Gegenteil weisen, nicht moralisch zu stärken. Hier kommt der Mindestlohn
ins Spiel, als die weitaus bessere Alternative zu einem Modell, dass zwar
versorgt, aber diese Versorgung zwangsläufig auf ein Niveau hinabdrückt, das nicht
gewollt sein kann.
Dieser Abschnitt muss nicht mehr im Einzelnen kommentiert
werden, er zeigt, wie hermetisch das Deutungsmuster ist, auf dessen Basis das
BGE besprochen wird. „System der Arbeitsbasiertheit“ – damit wird das
Gemeinwesen auf die Erwerbsgesellschaft reduziert, ganz wie es üblich ist. Dass
ein BGE zwangsläufig niedrig ausfallen würde ist eine bloße Behauptung. Was
daraus würde, hängt von den Bürgern ab, aber die sind für den Autor ohnehin
nicht zu denken, zumindest nicht, wenn man diese Besprechung von ihm liest.
Sascha Liebermann