Unter der Überschrift "Die Lüge ist ministrabel geworden" findet sich bei Spiegel online ein treffender Kommentar zu Vorgängen um die Plagiatsvorwürfe, denen sich Bundesverteidigungsminster zu Guttenberg seit mehr als einer Woche konfrontiert sieht. Da die Belegstellen in der Doktorarbeit öffentlich einsehbar sind, war er gezwungen, zumindest "gravierende Fehler" einzuräumen, die er gemacht habe (siehe auch Zu Guttenbergs Stellungnahme 18.2.2011). Mittlerweile hat ihm die Universität Bayreuth den Doktorgrad aberkannt.
Wer sich mit den Vorwürfen beschäftigt, wird die Rede von "Fehlern" schnell als eine Verharmlosung dessen erkennen, worum es geht. Texte anderer ohne Kennzeichnung und Quellenangabe zu übernehmen, sie leicht zu modifizieren - das unterläuft einem nicht einfach so. Schließlich hat der Verfasser der Arbeit die verarbeiteten Texte eigenständig zum Thema seiner Arbeit zusammengesucht, um sie zu verwenden. Das Einpassen verwendeter Textpassagen ist ein weiterer gezielter Arbeitsschritt und die Anpassung von Datumsangaben aus Zitaten so, dass sie in die Dissertation passen, bezeugt ein absichtliches Vorgehen (siehe auch "Guttenberg hat systematisch getäuscht").
Wer akademische Grade auf diese Weise erwirbt, täuscht die Gemeinschaft der Wissenschaftler - und nicht zuletzt die Öffentlichkeit. Sicher mag es verwundern, wie eine solche Arbeit überhaupt das Verfahren bestehen konnte, auch das sollte geprüft werden. Das schmälert allerdings das Täuschungsvergehen in keiner Weise. Sowohl im Täuschen als auch in der Verteidigung oder Verharmlosung desselben (siehe z.B. bei "Anne Will"; kritisch dazu "Vgl. auch Guttenberg 2009" - FAZ und das Interview mit Professor Löwer - Spiegel online) kommt eine Verachtung von Wissenschaft (siehe auch den Kommentar von Thomas Steinfeld), letztlich jeglicher Form geistigen Eigentums, zum Ausdruck. Wissenschaft, Forschung um der Erkenntnis selbst willen, ist eine kulturelle Errungenschaft, die so mit Füßen getreten wird. Wer die Achtung geistigen Eigentums und die Gepflogenheiten wissenschaftlichen Arbeitens geringschätzt, gefährdet das Fortbestehen von Wissenschaft. Genau das steht in der Causa zu Guttenberg auf dem Spiel und noch mehr: Leistung als solche verhöhnt. Wer überindividuell geltende Regularien aus persönlichen Motiven außer Kraft setzt, spricht jenen ihre Geltung ab. Das führt die Debatte im Deutschen Bundestag vom 23. Februar vor Augen, sie zeigt, wo unsere politische Kultur steht und welche Folgen eine Verharmlosung der Vorgänge haben können (Video der Bundestagssitzung, Protokoll der Plenarsitzung).
Was hat dieser Vorgang mit der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen zu tun?
In den Vorgängen um Herrn zu Guttenberg geht es um Glaubwürdigkeit, Integrität, Redlichkeit, Anerkennung der Leistung anderer, Achtung von Institutionen, um Kollegialität und nicht zuletzt darum, die eigene Person nicht hochmütig über Regularien zu setzen, die sich das Gemeinwesen oder auch die Community of Scientists gegeben haben. Zurecht wird von manchen beschworen, was passieren könnte, wenn diese Überheblichkeit zur Nebensache erklärt würde und Bestand hätte: das Vertrauen in Institutionen könnte weiter erodieren, ein Misstrauen in sie ist ohnehin verbreitet.
Hierin liegt die Gemeinsamkeit mit der Diskussion ums Grundeinkommen. Vertrauen in Institutionen und Bürger sowie ihre Achtung ist Voraussetzung dafür, dass ein Gemeinwesen bestehen kann. Geben wir das auf, geben wir uns auf.
Sascha Liebermann
25. Februar 2011
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