10. April 2024

"Fake oder Beratungsfehler?"

5. April 2024

Was will die CDU genau ändern am "Bürgergeld"?

Wenn man sich die Ausführungen Karin Priens anhört, sind sie etwa so weitreichend wie die Carsten Linnemanns oder der Broschüre "Neue Grundsicherung". Allenfalls bedeuteten sie eine Rückkehr zum Arbeitslosengeld II. 

À propos Bürgergeld: im Gesetz ist das nur ein Label, auf das sogleich die offizielle Bezeichnung "Grundsicherung für Arbeitsuchende" folgt. An ihr hat sich also durch die Einführung des "Bürgergeldes" nichts geändert, auch nicht am Zweck des Gesetzes. Dass die Bezeichnung "Bürgergeld" irreführend ist und schon, als der Vorschlag in die Diskussion gelangte, als kosmetische Veränderung bezeichnet werden konnte, sei hier nur erwähnt.

Sascha Liebermann

1. April 2024

Arbeitsangebot, Teilzeitarbeit, Ehegattensplitting und Familie...

...hier wieder einmal ein Vorschlag, wie das Arbeitsangebot von Frauen erhöht werden könnte, die Ersetzung des Ehegattensplittings reiche dazu nicht aus. 

Würde man - das ist hier allerdings nicht die Frage  des Autors - sich überlegen, was denn hilfreich wäre, damit Familien mehr Zeit füreinander haben können, dann ist die Erhöhung des Arbeitsangebots das Gegenteils dessen, was nötig wäre. Nicht nur Kleinkinder benötigen viel Zeit mit ihren Eltern, auch Jugendliche suchen Gespräche, aber nicht nach Termin und dann, wenn es den Eltern gerade passt. Gelegenheiten dazu entstehen am einfachsten, wenn man Zeit miteinander verbringt - das gilt auch noch für Jugendliche -, dazu muss man nicht aufeinandersitzen. Andersherum - für die Eltern - gilt das ebenso, sofern man nicht nur Lebensabschnittsbegleiter sein will, denn miteinander vertraut zu werden und zu bleiben, erfordert ebenfalls Zeit miteinander, überhaupt braucht es sie, um die Elternposition zu füllen (siehe auch unseren früheren Beiträge dazu hier und hier).

Sascha Liebermann

Automatisierung...

...erahnen lässt sich schon die alljährliche Diskussion über die Spargelernte.

 

"Die Neue Grundsicherung"...

...der CDU liegt als Kurzbroschüre vor (siehe hier). Ich kommentiere manche Passage aus dem Beschluss vom 18. März. Dass es sich nicht um den großen Aufbruch handelt, der verkündet wurde, haben wir schon  kommentiert (siehe hier). Was gäbe es sonst noch dazu zu sagen?

"Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch etwas kann. Wir sind der festen Überzeugung, dass Arbeit sinnstiftend ist und Teilhabe sowie Eigenständigkeit ermöglicht. Dafür braucht es einen starken aktivierenden Sozialstaat, der den Prinzipien von Solidarität, Subsidiarität und Eigenverantwortung folgt." (S. 1)

Der erste Teil ist eine Selbstverständlichkeit, sonst könnte die Demokratie gleich einpacken und die Unternehmen ebenso, es gäbe sie gar nicht. Der zweite Teil hingegen betont, was ohnehin schon der Fall ist und von den etablierten Parteien vertreten wird - der Vorrang von Erwerbstätigkeit ist hier schon erkennbar. Eigenständigkeit und Erwerbstätigkeit sind jedoch nicht dasselbe, es sei denn, man behauptete, Eigenständigkeit hinge von erzieltem Einkommen ab. Eigenständigkeit im Sinne der Mündigkeit und Verantwortungsfähigkeit ist jedoch eine davon unabhängige Dimension. Sie kann lediglich durch Einkommensmangel in ihrer Entfaltung eingeschränkt sein. Wenn Arbeit "sinnstiftend" ist, sie ihre Bedeutung aus sich heraus gewinnt, dann bedarf es keiner sanktionsbewährten Grundsicherung. Dafür braucht es eben keinen "starken Sozialstaat", sondern einen, der die Eigenständigkeit stärkt, aber nicht verengt auf Erwerbsteilnahme. Solidarität im Sinne dessen, dass die Eigenständigkeitszumutung der Demokratie von jedem zuerst einmal alleine zu tragen ist und der Sozialstaat ihn darin unterstützen muss, erfordert gerade keine Verengung auf Erwerbstätigkeit. Subsidiarität in diesem Sinne ist nicht zu verwechseln mit Einkommenserzielung durch Erwerbsteilnahme. 

Dass die Bezeichnung "Bürgergeld" verwirrend ist, weil sie nahelegt, es stehe jedem Bürger ohne Wenn und Aber zu, ist durchaus zutreffend und wurde entsprechend schon früh gerade von BGE-Befürwortern kritisiert. Die CDU entdeckt hiermit Altbekanntes, trifft allerdings auch einen Punkt, obwohl sie an der Einführung ja selbst mitgewirkt hat.

"Schlecht gemachte Sozialpolitik bewirkt genau das Gegenteil. Sie alimentiert und lähmt damit Menschen. Sie frustriert die Fleißigen und schwächt damit die Bereitschaft zur Solidarität." (ebd.)

Zuerst einmal ist jede Sozialpolitik, die Einkommensunterstützungsleistungen vorsieht, alimentierend, insofern gibt es keine Sozialpolitik ohne dies. Gute lässt sich somit also nicht anhand dieses Kriteriums von schlechter Sozialpolitik unterscheiden. Alimentierung allerdings "lähmt" nicht, sofern sie den Alimentierten nicht in der Nutzung seiner Möglichkeiten einschränkt. Es ist jedoch gerade Charakteristikum bestehender Sozialpolitik à la Bürgergeld und derjenigen, die sich die CDU herbeiwünscht, die Leistungsbezieher in ihren Möglichkeiten zu beschränken. Wofür also plädiert die CDU hier, eine Rückkehr zu den Zeiten vor dem Bürgergeld kann damit kaum beabsichtigt sein.

Wer sind die Fleißigen und weshalb werden sie denjenigen gegenübergestellt, die alimentiert werden, die dann wohl die Faulen sein müssen? Wenn man sich die Kritik an bestehenden Leistungen anschaut, geht diese Kritik an der realen Lage doch eher vorbei - man erinnere sich nur an die evidenzlose Behauptung, das Bürgergeld lade zur "Arbeitsverweigerung" ein. Dass Sorgetätigkeiten ebenso erledigt werden müssen, wird ebenso übergangen und dass wir als Gemeinwesen davon leben, dass sie verantwortungsvoll übernommen werden. Weiter heißt es:

"Es ist nicht hinnehmbar, dass trotz dieses Arbeitskräftemangels die Zahl der Arbeitslosen wieder steigt. Wir wollen eine Rückkehr zu einem System des Förderns und Forderns, um den Menschen zu helfen, ihre Arbeitskraft in die Gesellschaft einzubringen, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen und ihren Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten." (ebd.)

Was unterscheidet dies nun vom bestehenden System?

"Die große Mehrheit der Menschen in der Grundsicherung will arbeiten und versucht, das System zu verlassen. Diese Menschen, die unsere Hilfe wirklich brauchen, müssen wir besser unterstützen. Eine Minderheit, die sich nicht an die Regeln hält bzw. diese ausnutzt, bringt das gesamte System in Verruf."

Der erste Teil - geschenkt, das kann man immer besser machen, allerdings wird hier keine Silbe davon erwähnt, was es heißt, unter Sanktionsandrohung Leistungen zu erhalten. Insofern wird schöngefärbt. Der zweite Teil ist herbeigeredet, das "System" gerät in Verruf, weil aus einer Fliege ein Elephant gemacht wird (siehe hier). Man könnte sich auch genauso fragen, inwiefern diese Regeln denn sinnvoll sind und ob das Ziel, dem sie dienen sollen, das richtige ist. Nimmt man die Rede von der "Eigenständigkeit" oben ernst, ist das Ziel des bestehenden Systems eben gerade nicht Eigenständigkeit, sondern Einkommenserwerbs durch Erwerbstätigkeit.

"Vermitteln, vermitteln, vermitteln. 

Das Ziel muss die Vermittlung in Arbeit sein. Viele Menschen sind seit vielen Jahren auf die Grundsicherung angewiesen. Ihnen fehlt die passende Qualifikation, oder sie sind durch Krankheiten nur bedingt arbeitsfähig. Wir fordern, dass der Fokus der Jobcenter auf eine intensive und qualifizierende Unterstützung der Hilfeempfänger gelegt wird, damit diese langfristig auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen."

Wer würde dagegen etwas einwenden wollen, denjenigen zu helfen, damit sie langfristig wieder ihr Leben in die eigenen Hände nehmen können, wenn sie dazu heute nicht in der Lage sind. Die Frage ist jedoch, welche Ziele sind hierbei realistisch und muss sich das in Erwerbsbeteiligung niederschlagen? Was über langjährige Leistungsbezieher bekannt ist, lässt die Aussicht auf eine langfristige berufliche Entwicklung schon als ambitioniertes Ziel erscheinen. Dazu braucht es aber keine Sanktionen, die nur bedrohend und stigmatisierend wirken. Doch genau davon ist im großen Entwurf zur "neuen Grundsicherung" keine Rede. Insofern führt auch die folgende Passage nicht weiter:

"Sanktionen als Mittel für Akzeptanz. Jeder hat die Verpflichtung, alles zu tun, um möglichst schnell wieder ohne die Unterstützung der Solidargemeinschaft auszukommen. Mit dem Aussetzen von Sanktionen hat die Ampel den Mitarbeitern der Jobcenter die Mittel genommen, diesen berechtigten Anspruch der Steuerzahler auch einzufordern. Deshalb wollen wir Sanktionen schneller, einfacher und unbürokratischer durchsetzen. Wir vertrauen darauf, dass die Jobcentermitarbeiter die Sanktionsmöglichkeiten verantwortungsvoll, individuell angemessen und verhältnismäßig nutzen. Für uns ist klar: Jeder, der arbeiten kann, sollte auch einer Arbeit nachgehen. Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine ihm zumutbare Arbeit ab („Totalverweigerer“), soll zukünftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist. Ein Anspruch auf Grundsicherung besteht dann nicht mehr. Dabei werden wir sicherstellen, dass die Kinder und Partner nicht unter dem Verhalten von Totalverweigerern leiden."

Hieran gäbe es Vieles zu kommentieren, so schief ist die Passage. Deutlich wird jedoch eines allzu sehr: es geht nicht um die Würde der Bürger als Bürger; es geht nicht um Leistungsbereitschaft und -fähigkeit, denn Erwerbstätigkeit ist kein Selbstzweck (oder doch?); Sorgetätigkeiten gibt es nicht, sie brauchen keine Zeit und keine Einkommensbasis; am Ende kommen wieder die "Totalverweigerer". Einfallslos, nicht weiterführend und eben gar nichts neu ist an diesem Vorschlag.

Sascha Liebermann

28. März 2024

Kleine Zusammenfassung der Vorteile

21. März 2024

"Es geht nicht um anstrengungslosen Wohlstand"...

...ein denkbarer Kontrast zur Warnung vor den "Arbeitsverweigerern" in der Diskussion um das Bürgergeld sind Ausführungen Götz Werners in einem Gespräch mit Planet Interview aus dem Jahr 2010. Man kann dies - wie immer wieder geschehen - als naiv abtun, die Überlegungen haben allerdings einiges für sich, wenn man sich die Zusammenhänge klar macht.

"Der Mensch in seiner Grundveranlagung versucht, Arbeit einzusparen und nicht Arbeit zu schaffen oder zu sichern. Er bemüht sich um einen sparsamen Umgang mit Ressourcen wie Zeit und menschliche Arbeit. Er will in der gleichen Zeit mehr schaffen, das führt zur Streichung von Arbeitsplätzen. Dass wir darin ein Problem sehen, liegt nur daran, dass wir Arbeit und Einkommen miteinander verkoppeln."

Von einer "Grundveranlagung" zu sprechen ist verkürzt, die Richtung hingegen nicht, wenn die Sache selbst betrachtet wird: Handlungsprobleme müssen gelöst, Arbeitsgänge also erledigt, bestenfalls reduziert statt vermehrt werden. Kaum jemand wird ernsthaft dafür plädieren, auf Automatisierungsmöglichkeiten zu verzichten, wo sie sinnvoll sind, Menschen zu entlasten und Lebenszeit frei werden lassen. Möglich ist das aber nur mit einer entsprechenden Haltung gegenüber Handlungsproblemen, die sich nicht erzwingen lässt, sich muss sich herausbilden (Sozialisation). Wer meint, mit Sanktionen, gar schärferen, wäre das zu erreichen, geht an der Sache vorbei. Entsprechend heißt es an einer anderen Stelle:

"Je besser sich die Mitarbeiter mit ihrer Arbeit verbinden können, desto kreativer, initiativer und desto leidenschaftlicher machen sie ihre Arbeit und das ist die Grundlage für den Erfolg."

Wer sich damit nicht "verbinden" kann, hat womöglich eine zu ihm nicht passende Aufgabe, schlechte Arbeitsbedingungen oder beides. Es geht also um ein Passungsverhältnis, das sich nicht durch Druck erreichen lässt. Insofern führt der Vorschlag der CDU nur zurück zu den Irrwegen unter "Hartz IV", weder ist das innovations- noch kreativitätsfördernd.

"Beim bedingungslosen Grundeinkommen geht es nicht um anstrengungslosen Wohlstand, sondern um die Sicherung einer bescheidenen, aber menschenwürdigen Existenz. Anstrengungslosen Wohlstand erlebt man im Jetset, das hat mit bedingungslosem Grundeinkommen gar nichts zu tun. Wer ein Grundeinkommen hat, der kann zeigen, was in ihm steckt, denn er muss sich nicht an einen unbefristeten Arbeitsvertrag festklammern, er kann Risiken eingehen."

"Anstrengungslos" kann das Leben gar nicht sein, denn niemandem wird es abgenommen, es zu führen. Daran kann man scheitern, das ist aber nicht die Regel; damit kann man ringen, das ist nicht ungewöhnlich, dann bedarf es der Suche nach passenden Antworten bzw. Lösungen. Bei allen Beratungs- und Therapiemöglichkeiten, die dabei zurategezogen werden können, am Ende hängt es vom Einzelnen ab, damit zurechtzukommen. Nur wer das nicht vermag, bedarf womöglich dauernder Begleitung, auch das ist ein Grenzfall und nicht die Regel. Wer aus dem Grenzfall die Regel machen will und annimmt, die allgemeine Sanktionsdrohung in der Grundsicherung sorge für Lösungen, verkehrt die Verhältnisse.

"Wir haben schon viele grundeinkommensähnliche Elemente, Steuerfreibeträge oder Kindergeld zum Beispiel. Wir erkennen langsam, dass wir ein Einkommen brauchen, wenn wir in dieser Gesellschaft leben wollen und dass es unabhängig sein muss von Arbeit."

Tja.

"Hartz IV ist offener Strafvollzug" (Arno Luik im Gespräch mit Götz W. Werner im stern)

Sascha Liebermann

19. März 2024

"...das komplette System vom Kopf auf die Füße stellen"...

...darüber spricht Carsten Linnemann in diesem Kurzinterview und sieht im Vorschlag der CDU, eine neue Grundsicherung einzuführen, offenbar den großen Wurf. Man fragt sich allerdings, ob das denn der Fall wäre. Vom Kopf auf die Füße wird den Ausführungen im Gespräch zufolge nichts gestellt, es sind doch eher Anpassungen innerhalb des bestehenden Gefüges, teils wäre es die Rückkehr zu Altbekanntem im Arbeitslosengeld II. Zu behaupten, es gebe keine verbindliche Kooperation mehr zwischen "Staat" und "Bürgergeldempfänger" muss man wohl als Wahlkampfgetöse verstehen. Linnemann sagt selbst, dass die Mehrheit der Bezieher gar nicht im Fokus der Neuen Grundsicherung stehe - "wir reden über den ganz harten Kern". Das ganze Getöse dient also der Aufmischung weniger Bezieher, als handele es sich dabei um gewiefte, hartgesottene, sich durch nichts beirren lassende Bürgergeldbezieher, die wirklich mit allen Wassern gewaschen sind. Man könnte meinen, es gebe heute keine Sanktionsmöglichkeiten im Bürgergeldbezug. Linnemann begründet das Getöse damit, es den "Menschen schuldig" zu sein, "die jeden Tag arbeiten gehen". Hat er die denn gefragt und haben sie dem zugestimmt? Oder handelt es sich nicht eher um unverhältnismäßige Mittel, die wenig Erfolg - gemessen an dem vorausgesetzten Ziel - versprechen? Wenn man den Worten der Leiterin eines Jobcenters (Interview im NDR) folgt, gelangt man zu einer ganz anderen Einschätzung (siehe auch hierhier und hier). Beratungsprozesse benötigen Zeit, gerade wenn es um den Personenkreis geht, der hier im Fokus steht, der in der Regel vielfältige Beschwernisse hat. Kurzfristige Erfolge seien unrealistisch. Sind das ganz neue Einsichten? Nein, sie sind altbekannt (siehe die Verlinkungen oben). Zuguterletzt meint Linnemann noch, wir brauchten "dringend in Deutschland einen Mentalitätswandel" - starker Tobak, würde ich denken. Sicher, wir stehen vor Herausforderungen; sicher ist auch, dass Altbewährtes sich nicht mehr eignen mag, dazu gehört aber gerade auch die Haudrauf-Sozialpolitik, die kein Problem löst. 

Sascha Liebermann

"demographic collaps" "just in the rear window"

18. März 2024

"Auch das bedingungslose Grundeinkommen kommt wieder auf die Agenda"...

 ...ein Kommentar - oder besser gesagt ein ironisierendes Untergangsszenario - von Beat Balzli in der Neuen Zürcher Zeitung. Er beschließt seinen Beitrag folgendermaßen:

"Hinter jeder Disruption herrscht Dunkelheit. Maschinen machen Genies leistungsfähiger und dem Mittelmass den Garaus. Der Abgang der Boomer hinterlässt Lücken, dämpft den Absturz nur. Der empathiebefreite Volkswirt nennt es Sockelarbeitslosigkeit. Die KI besorgt künftig nicht demselben Menschen einen Job, dem sie ihn zuvor genommen hat. Die Mittelschicht findet sich im Abklingbecken der Transformation wieder: Mittelmanager, Marketingplaner . . . oder wie die Dinosaurier einer bald untergegangenen Arbeitswelt alle heissen."

Ein Szenario, das in der BGE-Diskussion immer wieder beschworen wurde, wenn auch unter wechselnden Schlagworten: Ende der Arbeit, Digitalisierung und jetzt Künstliche Intelligenz. Ob es nun eintreffen wird, wird sich zeigen. Auch früher schon war es verkürzt, ein BGE vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktentwicklung für notwendig zu erachten, damit geriet aus dem Blick, worum es im Zentrum gehen müsste: die Selbstbestimmungmöglichkeiten in einem Gemeinwesen, die Eröffnung von Gestaltungsfreiräumen - letztlich die Anerkennung der Bürger um ihrer selbst willen in der politischen Ordnung.

"Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens beobachten die Entwicklung genau. Trotz Niederlagen an der Urne kommt das Konzept irgendwann zurück. Verlockender und unbezahlbarer denn je, trifft es dann auf eine gewandelte Schweiz, in der die Eigenverantwortung erodiert. Die Politik tut gut daran, sich bereits heute darauf vorzubereiten – mit einer intelligenten Antwort. Ahornsirup für alle ist keine Lösung."

Man könnte auch sagen, der Autor hat genau diese Dimension eines BGE, in der es um Demokratie und Bürger geht, nicht im Auge.

Sascha Liebermann





12. März 2024

"Der Sozialstaat ist ein Argument für Deutschland"...

 ...Interview mit Johannes Geyer auf Spiegel Online. Gegen Ende entgegnet er auf einen nicht treffenden Vergleich:

"Diese Analogie zur Klimawissenschaft, in der ein System in einen Zustand wechselt, aus dem es kein Zurück gibt, ist Unsinn. Wegen der Abgaben verlassen wohl nur sehr wenige Hochqualifizierte, die überall arbeiten können, das Land. Ein Treiber großer Migrationsbewegungen sind sie nicht, zumal auch andere Industriestaaten überaltern. Nicht zuletzt ist der Sozialstaat selbst ein Argument für Deutschland. Er kostet nicht nur, sondern leistet auch – und er stützt eine friedliche und sichere Gesellschaft."

8. März 2024

Freude bei den Empfängern des sogenannen Bürgergeldes…

 …dürfte bald aufkommen angesichts der Einigung der Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten darüber, dass "Produkte vom Markt verbannt und an den Grenzen beschlagnahmt werden sollen, wenn festgestellt wurde, dass Zwangsarbeit eingesetzt wurde." (dpa – zit. n. Hellweger Anzeiger vom 6. März 2024, S. 6) Warum? Laut dem Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit der International Labour Organization von 1930, Art. 2, Abs. 1, das am 1. Mai 1932 in Kraft trat, gilt als "'Zwangs- oder Pflichtarbeit' im Sinne dieses Übereinkommens […] jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat." (Deutschland hat dies ratifizierts. auch hier) – Also müssen Produkte, die aus Arbeit hervorgehen, die Empfänger von Sozialleistungen unfreiwillig ausüben und nur, um Sanktionen zu entgehen, "vom Markt verbannt werden". – Welcher Unternehmer will das Risiko schon eingehen?

Thomas Loer

7. März 2024

"Das Bürgergeld ist [sic] als Kündigungsgrund? Das geben die Daten nicht her, aber die Erzählung hat sich verselbstständigt"...

...schreibt Stefan Sell zur den Auseinandersetzungen der letzten Monate. Er beschließt seinen Beitrag mit folgenden Worten:

"Aber das mit den Kündigungen wegen Bürgergeld ist schlichtweg unter der Rubrik Stimmungsmache abzuheften. Allerdings muss man zur Kenntnis nehmen, dass die monatelange Debatte, dass sich Erwerbsarbeit angeblich oder in bestimmten Konstellationen aufgrund komplizierter Anrechungs- und Wegfallregelungen bei anderen Leistungen auch tatsächlich nur begrenzt lohnen würde, mittlerweile tief verankert wurde bei einer Mehrheit der Bevölkerung, nach Umfragen gehen 75 Prozent der Menschen davon aus, dass das so ist. Da kann man noch so viele Gegenrechnungen machen. Oder auf die Daten verweisen. Das Bild von denen, die ihren Job hinschmeißen und es sich mit dem Regelsatz aus dem Grundsicherungssystem auf dem heimischen Sofa bequem machen, hat sich verselbstständigt. Und wird nicht wieder verschwinden."

Sascha Liebermann

"Druck beim Bürgergeld bringt gar nichts"...

 ...sagte der Personalchef der Arbeitsagentur Nord, Markus Biercher, dem NDR in einem Gespräch.

Seit über dreißig Jahren arbeitet Biercher in diesem Bereich und verweist auf die Erfahrung, die mit "Druck und Zwang" gemacht wurden. Arbeitslosigkeit werde als "Drama" erlebt in der Regel. Was manches Mal als Unwille erscheine, habe häufig ernsthafte Gründe, von "Arbeitsverweigerung" kann genau betrachtet nicht die Rede sein. Interessant auch, was er zur Bezahlkarte und zum Bürgergeld sagt. Die mediale Skandalisierung entspreche nicht der Realität.

Überraschend ist diese Einschätzung nicht, wenn man sich die empirischen Zusammenhänge genauer anschaut, aber auch aus Arbeitsagenturen hört man manchmal andere Stimmen als diese.

Sascha Liebermann

23. Februar 2024

Bürgergeld und Klassenfahrt