10. August 2022

Hoch, die Arbeit...

..., so könnte der Beitrag von Mirna Funk "Emanzipation gibt’s nicht in Teilzeit" auf Spiegel Online übertitelt werden. Funk kritisiert einen "Privilegsfeminismus", der die Vorstellung einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf für unrealistisch halte (das liest man aber selten, meiner Erfahrung nach), und feiert demgegenüber die Erwerbsteilnahme als wirklichen Freiheitsgewinn, als Emanzipation schlechthin. Sie spießt manche Einseitigkeit in der Debatte um "Care-Arbeit" (ein wenig hilfreicher Begriff) auf, um selbst allerdings einseitig zu werden, indem sie behauptet, es gehe sehr wohl, das mit der Vereinbarkeit, die Frau müsse nur als "autonomes Subjekt" ernstgenommen werden, sich unsolidarischen Partner verweigern und das gehe am besten, wenn sie unabhängig sei, also Einkommen unabhängig von ihrem Partner habe. Abgesehen von der Feier der Erwerbstätigkeit, die sie vollzieht, statt ihren Vorrang zu hinterfragen und weitgehend polemisch die Degradierung von Zeit für Familie abzufertigen, übergeht sie mit dem Verweis auf ihre DDR-Biographie nonchalant die Erfahrungen, die dort mit dem "flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung" gemacht und in der Forschung entsprechend aufgegriffen wurden, so die differenzierten Betrachtungen z. B. von Lieselotte Ahnert und Agathe Israel (siehe auch hier). Es darf der Hinweis auf die Vorbilder "Frankreich, Skandinavien und Israel" nicht fehlen, die angeblich zeigten, dass es ja gehe mit der Vereinbarkeit - nun, sie machen es einfach und nehmen die Folgen in Kauf. 

Funks Verständnis von Unabhängigkeit in Paarbeziehungen führt in letzter Konsequenz dazu, dass Paarbeziehungen doch nur Aggregate von Einzelpersonen sind und keine Lebensgemeinschaften, in denen das ganze Leben miteinander geteilt wird und man sich vorbehaltlos wechselseitig annimmt als ganze Person. Denn in einer solchen Paarbeziehung kann es keine separaten Einkommen geben, insofern ist Einkommen immer gemeinsames Einkommen und die Abhängigkeit ergibt sich aus der Paarbeziehung selbst, nicht daraus, vom anderen einkommensabhängig zu sein. Gerade heutzutage, da es einen Sozialstaat mit seinen Leistungen gibt, ist diese Einkommens-Unabhängigkeit zumindest insofern grundständig gesichert, wenn auch nicht finanziell komfortabel. Die Frage nach Autonomie ist immer auch die Frage danach, wieviel einem das wert ist, also notfalls eben Einschränkungen in Kauf zu nehmen.

Einen anderen Weg würde natürlich ein Bedingungsloses Grundeinkommen eröffnen, das scheint für Mirna Funk jedoch gar keine Alternative zu sein.

Siehe auch meine Beiträge hier und hier.

Sascha Liebermann