Im Dezember-Heft 2010 von brandeins, das sich der Familie widmet, ist ein Beitrag abgedruckt mit dem Titel "Gleichung mit Unbekannten". Es geht darin auch um die vielgeforderte und -befeierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die als fortschrittlich gilt und die manches Förderprogramm auf den Weg gebracht hat. Der Schluss des Beitrags allerdings macht deutlich, wie wenig treffend die Formel von der Vereinbarkeit ist und wie viel angemessener es wäre, vom doppelten Verzicht zu sprechen. Es heißt dort:
"Seine Managerkollegen von früher schmunzeln vermutlich schon über die Wortwahl. Alexander May ist ein Beispiel dafür, was in keiner erbaulichen Ministeriumsbroschüre steht, aber jeder schnell merkt, der Kinder bekommt: Familie hat ihren Preis. Karriere auch. Ob die Gleichung aufgeht, muss jeder für sich selbst entscheiden."
Denn Familie und Beruf lassen sich nicht vereinbaren, ohne dass in beider Hinsicht Verzicht geübt wird, so lässt sich herauslesen. Wer beides haben will, von dem ist doppelter Verzicht gefordert. Ganz zu recht schließt der Beitrag mit dem Hinweis, dass dies jeder für sich entscheiden muss, will man keine staatliche Vorschrift einführen. Moment mal, Vorschrift? Die gibt es heute zwar nicht, es gibt aber eine normative Erwartung: Erwerbstätigkeit. Wir haben zwar keine Vorschrift, aber sehr wohl eine Wertigkeit in unserem Gemeinwesen. Denn heute kann maximal ein Elternteil zuhause bleiben, denn der andere muss Einkommen beschaffen. Der Familie die Priorität einzuräumen ist also nur einem von beiden möglich, und das nur, wenn er zu den Besserverdienenden gehört. Wäre es nicht wünschenswert, beide könnten zuhause bleiben, wenn sie wollten? Das geht aber nur und wird erst anerkannt als gleichwertige Entscheidung, wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen verfügbar ist.
Sascha Liebermann
10. Januar 2011
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