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26. November 2019

"Sanktionen gab es übrigens auch schon vor den Hartz-Reformen" - Verklärer aufgepasst!

...so Matthias Schulze-Böing (siehe auch hier), Sprecher des Bundesnetzwerks der Jobcenter und Geschäftsführer des Jobcenters Offenbach, schon im vergangenen November in einem Interview mit der LR Online.

Damit wies er auf einen wichtigen Punkt hin, der in der Verklärung des Sozialstaats vor der Agenda 2010 häufig übersehen wird (siehe hier). Wer das Erwerbsgebot nicht aufgeben will, sollte von der Abschaffung von Sanktionen schweigen - denn beides ist nicht möglich. Robert Habeck hat das in seinem Vorschlag einer Garantiesicherung ohne sanktionsbewehrter Erwerbsverpflichtung verstanden. Schulze-Böing sagt:

"Über die Reformideen, die gerade diskutiert werden, kann man großenteils nur den Kopf schütteln. Es ist wie mit der Steuerreform auf dem Bierdeckel. Das klingt toll und elegant, funktioniert so aber nicht. Die Politik weckt damit völlig falsche Erwartungen. Die Androhung von Sanktionen beispielsweise hat erwiesenermaßen dazu beigetragen, Phasen der Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Es spricht nichts dafür, dieses System abzuschaffen. Sanktionen gab es übrigens auch schon vor den Hartz-Reformen."

Wichtig ist hier die lapidare Feststellung zu Sanktionen vor den "Hartz-Reformen". Wenn die Verkürzung von Arbeitslosigkeit das Ziel von Sanktionen ist, dann sind die Befunde gerade nicht eindeutig. Worauf beruft er sich hier? Es ist natürlich leicht dahin gesagt, dass es solche gebe. Außerdem kann das Ziel zurecht in Frage gestellt werden. Die Bewertung entscheidet sich also daran, welcher Maßstab angelegt wird. Je nach Maßstab spricht nämlich viel dafür, Sanktionen abzuschaffen, dann muss allerdings das Erwerbsgebot ebenso aufgehoben werden, sonst geht das nicht. Weiter heißt es:

"Das deutsche System ist eines der generösesten in Europa, wenn nicht sogar weltweit. Es wäre für den Arbeitsmarkt, aber auch für das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen nicht gut, wenn man allein mit Sozialleistungen gleich- oder sogar bessergestellt würde als jemand, der den ganzen Tag arbeiten geht. Das gebietet das Lohnabstandsgebot."

Genau das wäre ja aber mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen nicht der Fall. Was für das "Gerechtigkeitsempfinden der Menschen" gut oder nicht gut ist, sollten sie am besten selbst entscheiden, zu einer Veränderung wird es nur kommen, wenn es Mehrheiten gibt. Und gerade der Verweis im letzten Satz auf das Lohnabstandsgebot ist eben eine Mär, als hänge davon alles ab, siehe hier. Und abschließend weist er auf einen wichtigen Punkt hin:

"Das Gesetz ist nicht die einzige Ursache für die Komplexität. Die Rechtsprechung der Sozialgerichte zwingt uns immer wieder dazu, die Regelungen sehr einzelfallbezogen auszulegen und anzuwenden. Es muss weitere Anstrengungen geben, die Anwendung zu vereinfachen, durch Pauschalen und den Verzicht darauf, jeden Einzelfall detailliert zu regeln. Hier gab es in den letzten Jahren schon Fortschritte."

Dieses Plädoyer wurde von erfahrenen Praktikern immer wieder vorgebracht, ohne den größeren Rückgriff auf Pauschalen geht es nicht. Auch hier wieder ist ein BGE interessant, wäre es ja gerade eine Pauschale. Je höher es ausfiele, desto weniger wären fallbezogene Leistungen nötig. Damit reduzierte sich auch der Aufwand.

Sascha Liebermann

13. November 2019

"Hartz IV hat sich bewährt und ist besser als sein Ruf" - und wieder eine Diskussionsverweigerung...

...so zumindest klingt der Bericht der SPD Rodgau über eine Veranstaltung mit dem Leiter des dortigen Jobcenters Matthias Schulze-Böing. Worin sich Hartz IV bewährt habe, das soll wohl die Erwerbsteilnahme gemessen an Erwerbstätigenzahlen abbilden. Sie sagt nur gar nichts darüber, ob diese Erwerbsteilnahme aus Sicht der Wertschöpfungsprozesse und -erfordernisse sinnvoll ist oder nicht. Lediglich kann sie diejenigen befriedigen, für die Erwerbstätigkeit in jeder Hinsicht und um jeden Preis erwünscht ist, ganz gleich, ob es volkswirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht.

Zur Finanzierung wird folgendes geschrieben:

Die Frage, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht die einfachere Lösung sein könnte, beantwortete Schulze Böing mit einem Beispiel. Bekämen alle, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, 1000 Euro monatlich, was weniger wäre als der zurzeit gültige Hartz IV-Satz, so müsse die Gesellschaft hierfür insgesamt eine Summe von 876 Milliarden Euro pro Jahr aufbringen. Der Betrag entspräche einem Vielfachen des jetzigen Bundeshaushalts und es gäbe niemand, der sagen könne, wie sich diese enorm hohe Summe durch Steuern aufbringen ließe.

Hat die Rodgauer SPD sich denn einmal die Mühe gemacht, vorhandene Finanzierungsmodelle zu sichten oder zumindest die Datengrundlage zu reflektieren? Der Bundeshaushalt ist irrelevant für ein BGE, wie er irrelevant ist für das Sozialbudget - er umfasst nur einen geringen Teil der Leistungen, die für "Soziales" ausgegeben werden. Für die Finanzierung eines BGE ist das Volkseinkommen entscheidend, denn von diesem "Kuchen" muss es finanziert werden, er ist dreimal so hoch wie das Sozialbudget. Wenigstens das hätte berücksichtigt werden können oder wollte man nur die eigene Position bestätigt haben?

Sascha Liebermann

Korrektur: Fälschlicherweise war von der "SPD Kreis Offenbach" die Rede, es war aber die SPD Rodgau, die eingeladen hatte.

28. Februar 2019

"Hartz IV soll weg! Und dann?"...

...eine Diskussion veranstaltet von der Landeszentrale für politische Bildung, Berlin, in Zusammenarbeit mit dem Inforadio (rbb).

Hier geht es zur Aufzeichnung des Podiumsgesprächs
Dieselbe Datei finde sich auch bei Youtube.


Moderatorin Ute Holzhey diskutierte mit folgenden Gästen:

Prof. Dr. Ute Fischer, Fachhochschule Dortmund, FB Angewandte Sozialwissenschaften, Politik- und Sozialwissenschaften

Staatssekretär Alexander Fischer, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales

Ulla Pingel, Erwerbslosenberaterin bei ver.di

Dr. Matthias Schulze-Böing, Amtsleiter, Geschäftsführer Stadt Offenbach am Main Amt für Arbeitsförderung, Statistik und Integration