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8. Januar 2024

Ist die Frage nach der Finanzierbarkeit das "wichtigste Argument" gegen ein BGE?

Marcel Fratzschers Beitrag erschien auf Zeit Online. Er behauptet darin folgendes:

"Das wohl wichtigste Argument dagegen [gegen das BGE, SL] ist die Finanzierbarkeit: Die notwendigen Steuererhöhungen würden das Land in den wirtschaftlichen Ruin treiben."

Diese Einschätzung halte ich für nicht zutreffend, er ist ein wichtiger Aspekt der Debatte, aber nicht der wichtigste. Zwar ist es so, dass in Diskussionen dieser Einwand als erstes angeführt wird, in der Regel erweist er sich aber als unterkomplex. Darüber hinaus beruht der Einwand auf Annahmen, die häufig gesetzt und nicht weiter geprüft werden, so z. B. die Auswirkungen auf die Wertschöpfung durch Rückgang des Arbeitsangebotes usw. Positive Auswirkungen werden selten berücksichtigt, gerade darauf was Leistungsfähigkeit und -bereitschaft betrifft - Fratzscher erwähnt es immerhin, was seine Ausführungen heraushebt. Zugrundeliegt dieser negativen Erwartung die Behauptung, Erwerbstätigkeit erzeuge Arbeitsleid, dieses Leid werde durch Lohn  und Freizeit ausgeglichen. Stehe ein BGE zur Verfügung, müsse nicht dasselbe Leid ertragen werden, um ausreichend attraktives Einkommen zu erzielen. Dass Erwerbstätigkeit wie jede Tätigkeit verschiedene Momente hat, wie z. B. das Beitragen zu einer allgemeinen Leistung, die Erfahrung des Gelingens oder Erfülltseins u.a. wird selten berücksichtigt. 

Bedenkt man, wie er sich früher, und das ist noch nicht allzulange her, zum BGE geäußert hat (siehe diesen Beitrag in Wirtschaftsdienst und dieses Streitgespräch), sind seine Ausführungen beachtlich.

Sascha Liebermann

15. September 2023

"Und es ist doch finanzierbar"...

...Michael Bohmeyer von Mein Grundeinkommen über die Unterscheide zweier Studien zur Finanzierung, die eine stammt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die andere vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (unser Kommentare zur dieser Studie finden Sie hier).

Der Beitrag bietet eine gute Übersicht zu den Annahmen der Studien und den daraus folgenden unterschiedlichen Ergebnissen samt Schlussfolgerungen. Den Blick auf die Annahmen zu richten ist keine neue Einsicht, denn wenn schon nicht das reale Handeln von Personen sowie ihre handlungsleitenden Überzeugungen untersucht werden, dann bleibt nur, ein solches zu simulieren, und zwar auf der Basis von Annahmen. Das gewinnt dadurch zwar fiktionalen Charakter, denn die Simulation ist nicht etwas, dass sich im realen Leben schon als Handeln manifestiert hat (deswegen die ceteris paribus). Die Frage ist, wie man zu den Annahmen gelangt und hier spielt es eine entscheidende Rolle, wie die soziale Wirklichkeit erforscht wird. Von großer Bedeutung ist hierbei die verbreitete, stark reduktionistische Verwendung des Begriffs "Anreize", der auch in den Studien eine entsprechende Rolle spielt.

Bei allen Hoffnungen, die Mein Grundeinkommen auf die vermeintlich realitätsnahen Feldexperimente (siehe auch hier) setzt, bleiben sie Experimente. Realistisch wäre eine Untersuchung erst, nachdem ein BGE eingeführt worden wäre, wie manche Wissenschaftler schon geäußert haben, denn im Unterschied zu naturwissenschaftlichen Forschungsgegenständen, sind diejenigen der Sozialwissenschaften selbstreflexiv, ihr Handeln orientiert sich stets an den Handlungsmöglichkeiten und etwaigen Folgen, die sie mit sich bringen.

Sascha Liebermann

30. August 2023

"Eine Billion für's Nichtstun"...

..., wenn so ein sachorientierter Titel aussieht, dann ist von Kolja Rudzios Beitrag auf Zeit Online über die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht viel zu erwarten. Vielleicht ist der Beitrag aber auch besser als der Titel. Derselbe Autor hat schon zu Beginn der jüngeren Grundeinkommensdebatte seine Einschätzung deutlich gemacht, an der sich trotz intensiver Diskussion wenig geändert zu haben scheint.

Wir lassen den vermeintlich witzigen Auftakt aus, der eine sachliche Auseinandersetzung nicht erwarten lässt, dann aber vom Autor selbst gegen den Strich gebürstet wird. Die Studie wird vorgestellt, die eine Finanzierbarkeit ermittelt zu haben beansprucht, "auch wenn andere Experten das bezweifeln", wie Rudzio schreibt. Ja, bezweifeln kann man viel, wissenschaftlich ist das nicht relevant, solange es nicht mit konkreten Argumenten unterlegt wird. 

Rudzio schreibt dann:

"Eine mögliche Variante für das realistische Grundeinkommen sieht nach den Angaben des Vereins so aus: Jeder Erwachsene erhält 1.200 Euro im Monat, für jedes Kind gibt es 600 Euro. Zugleich wird die Einkommensteuer deutlich erhöht, der Steuersatz beträgt für Einkommen jeder Höhe einheitlich ("Flat Tax") 50 Prozent. Außerdem werden entlastende Regelungen wie etwa der Grundfreibetrag, die Kinderfreibeträge oder die Anrechnung von Werbungskosten abgeschafft. Zusätzlich werden eine Vermögenssteuer und eine hohe CO₂-Steuer (200 Euro pro Tonne) erhoben. Zudem müssten etliche Sozialleistungen wie Elterngeld, Kindergeld, Bafög oder der Unterhaltsvorschuss gestrichen werden. Obwohl das alles nach einer Belastungsorgie klingt, hätten nach der DIW-Modellrechnung im Ergebnis 83 Prozent der Bevölkerung mehr Geld als heute zur Verfügung, nur 10 Prozent wären finanziell schlechter gestellt. Und die Zahl der armutsgefährdeten Menschen würde von 13 auf 4 Millionen sinken."

Man sieht hieran schon, was alles in Berechnungen einbezogen werden muss, wenn sie aussagekräftig sein können sollen. So vergessen manche Kritiker eines BGE, die der Auffassung sind, als Gutverdiener benötigen sie es nicht, dass sie selbst in den Genuss des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer gelangen,  für den sie nichts tun, der als Rechtsanspruch aber garantiert ist.

Rudzio kommt dann auf "Haken" der Studie zu sprechen:

"Allerdings haben die DIW-Studie und das von ihr abgeleitete Internettool einige Haken. Der wichtigste: Das Modell berücksichtigt nur, wie sich das Geld durch die Einführung des Grundeinkommens neu verteilen würde, wenn die Menschen sich in dem neuen System genauso verhalten würden wie heute. Wenn also die Minijobber, Selbstständigen, Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten alle genauso viel arbeiteten wie zuvor. Es unterstellt, dass niemand wegen des Grundeinkommens früher in Rente ginge, sich ein zusätzliches Sabbatical gönnen würde. Und dass auch Investoren, Vermögende und Unternehmer exakt so weitermachen würden wie bisher – trotz der radikalsten Steuer- und Sozialreform der Geschichte. Realistisch ist das nicht. Doch die Verhaltensänderungen zu prognostizieren, sei mit sehr großer Unsicherheit verbunden, sagt der DIW-Forscher Bach. Deshalb enthält sein Rechenmodell gerade das nicht, was den Reiz des Grundeinkommens ausmachen könnte – eine andere Art zu leben."

Warum ist das ein Haken, es sei denn, es wäre ein Haken aller Simulationsmodelle, die ja keine Auskunft über Realentwicklungen geben, sondern darüber, was auf der Basis von Annahmen sich entwickeln könnte, wenn... . Dabei ist stets entscheidend, welche Annahmen zugrundeliegen, müssen dabei in jede Richtung berücksichtigt werden, was aber selten geschieht (siehe siehe auch hier und hier) - und bleiben trotz allem Simulationen. Statt durch Simulation etwas zu erschließen, was man nicht erschließen kann, läge es viel näher, auf solche Untersuchungen zu setzen, die etwas über handlungsleitende Überzeugungen heute zu erkennen geben (siehe hier und hier), dazu bedürfte es anderer Datentypen, solcher, wie sie in der sogenannten qualitativen Forschung genutzt werden. Denn dann ließe sich zumindest vergleichen, ob das BGE an den Voraussetzungen dafür, dass sich diese Überzeugungen herausbilden und entfalten können, etwas ändern würde. Man könnte darüber hinaus nach den Voraussetzungen der Demokratie in Deutschland fragen und worauf unsere politische Ordnung setzt, auch da finden sich Antworten, was Mündigkeit und Autonomie betrifft.

Am Ende fragt Rudzio:

"Wer hat nun recht? Die DIW-Studie widerspricht dem Ergebnis der ifo-Forscher nicht direkt, denn sie blendet eben alle denkbaren Verhaltensänderungen aus. Was wirklich nach Einführung des Grundeinkommens passieren würde, lässt sie offen. Die ifo-Experten haben dagegen auch dafür eine Berechnung vorgelegt. Mit dem ernüchternden Ergebnis: Das Grundeinkommen bleibt eine ­Utopie."

Die Studie, auf die sich der Autor hier bezieht, muss die gutachtliche Stellungnahme des wissenschaftlichens Beirats beim Bundesministerium der Finanzen sein. In der Kurzfassung zum Gutachten steht z. B. in der Schlussbetrachtung der Kurzfassung zu Verhaltensänderungen:

"Simulationsrechnungen zeigen, dass bereits die Einführung eines partiellen BGE in Höhe der derzeit geltenden Regelsätze in der Grundsicherung zu weitreichenden negativen Arbeitsangebotsreaktionen führt. Ein wirklich existenzsicherndes BGE ist nicht mehr aufkommensneutral zu finanzieren."

Keineswegs werden darin "alle denkbaren Verhaltensänderungen" simuliert, sondern nur solche, die zu den gewählten Annahmen passen. Wie aber wäre es, wenn andere Annahmen getroffen würden, die z. B. der Demokratie innewohnen? Weshalb werden sie nicht einbezogen, solche, wie sie z. B. Stefan Bach formuliert hat? 

Weitere Kommentare von unserer Seite zu Ausführungen des Autors finden Sie hier.

Sascha Liebermann

Kein "Geld für's Nichtstun"...

..., worauf hier treffend hingewiesen wird. 

Stefan Bach hat im Interview mit der taz deutlich gemacht, weshalb sie auf die Modellierung von Verhaltensveränderungen verzichtet haben, da sie nicht aussagekräftig sind und auf Annahmen (siehe auch hier und hier) beruhen, die nur in eine Richtung getroffen werden (oder gar mit einem Werturteil verbunden sind). Bach hingegen bezieht die andere Richtung immerhin ein.

Sascha Liebermann

"Mit Widerstand muss man rechnen"...

...ein Interview mit Stefan Bach in der taz zu gestern veröffentlichten Studie zur Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, indem zugleich die Grenzen der Aussagekraft der Studie klar bestimmt werden. Weshalb die Wirkung eines BGE dabei nur in eine Richtung gedacht wird, kann verwundern.

Zur Frage der Finanzierung sagt Bach:

"Stefan Bach: Teuer wäre es schon, aber grundsätzlich machbar. 1.200 Euro Grundeinkommen für alle Erwachsenen, für Kinder die Hälfte, würde nach Verrechnung mit bestehenden Sozialleistungen, knapp 1.000 Milliarden pro Jahr kosten, immerhin 25 Prozent des BIP. Das muss durch höhere Steuern finanziert werden, oder durch Einsparungen bei den Staatsausgaben."

"Der Rechner zeigt, dass ein Grundeinkommen beispielsweise mit Einkommensteuern von 50 Prozent auf alle Verdienste plus weiteren Steuererhöhungen vor allem für Reiche zu finanzieren wäre. Halten sie so etwas für realistisch?

In dieser Variante haben etwa vier Fünftel der Bevölkerung mehr Geld im Vergleich zu heute, während das reichste Fünftel ziemlich stark belastet wird. Ob so etwas praktisch geht, ist eine Frage der politischen Akzeptanz, vor allem bei denen, die draufzahlen."

Es ist eben, wie immer wieder gesagt, eine politische Frage, also der Akzeptanz. Zugleich nennt er die konkreten Ansatzpunkte, an denen sichtbar wird, dass Elemente eines BGE schon existieren, das Befürworter allerdings schon lange genau so thematisieren.

"Und würden nicht viele Leute weniger arbeiten wollen als heute?

Viele Ökonomen befürchten das. Die Steuersätze auf eigene Einkommen steigen, zugleich erhöht das Grundeinkommen das Nettoeinkommen auch bei Normalverdienenden. Das macht weniger Arbeitszeit interessant. Oder die Schwarzarbeit, die muss man dann konsequent bekämpfen."

Weniger Arbeitszeit wird nur dann interessant, wenn davon ausgegangen wird, dass der führende, wenn nicht entscheidende Grund für Erwerbsteilnahme das Einkommen ist. Ist das aber nur einer unter vielen Gründen und nicht einmal der führende, berücksichtigt man die Möglichkeiten zu gestalten, sich einzubringen, zu einem gemeinsamen Zweck beizutragen und Dienste für andere bereitzustellen, die Erwerbstätigkeit auch auszeichnen, sieht die Sache anders aus. Die Frage ist also, was ist dem Einzelnen wichtig und wofür möchte er sich einsetzen, das kann genauso Erwerbstätigkeit sein. Entscheidend ist hier die gesamte Lebensspanne, die in diese Betrachtung einbezogen werden muss.

Die folgende Antwort ist sehr klar und weist in die andere Richtung:

"Haben Sie in dem Modell einkalkuliert, dass die Steuereinnahmen möglicherweise sinken, wenn weniger gearbeitet wird und dann weniger Mittel zur Finanzierung des Grundeinkommens zur Verfügung stehen?

Das haben wir nicht berücksichtigt, weil diese Wirkungen nur schwer einzuschätzen sind. Möglich ist, dass viele Leute dann mit weniger materiellem Wohlstand zufrieden sind, weil sie weniger arbeiten, mehr Zeit haben, vielleicht gesünder sind und eine höhere Lebensqualität genießen. Dadurch kann aber auch Arbeitsfreude und Produktivität steigen. Das soll in den Grundeinkommens-Experimenten genauer untersucht werden."

Die Grenzen solcher Modellsimulationen werden deutlich benannt, das ist erfreulich, zugleich aber werden Hoffnungen auf Modellexperimente gesetzt, die sie nicht erfüllen können. Das heißt allerdings nicht, dass sich darüber gar nichts sagen ließe, siehe hier und hier. Bach weist hier ebenso darauf hin, dass ein Absenken der Erwerbsarbeitszeit bzw. ein Zugewinn an "Arbeitsfreude" nicht zum einem Verlust an Wertschöpfung führen muss.

Hier geht es zur Studie des DIW

Was in der Berichterstattung seit gestern auffällt, ist, dass es schon lange Berechnungsmodelle gibt, es sei hier nur an die Arbeiten Helmut Pelzers erinnert, die er teilweise gemeinsam mit Ute Fischer durchgeführt hat.

Sascha Liebermann

16. August 2021

Bedingungsloses Grundeinkommen unbezahlbar, zur Studie des BMF - wer steckt u.a. dahinter?

Wer das wissen möchte, muss die Website des Bundesministeriums der Finanzen besuchen und versuchen herauszufinden, was die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats bislang zum BGE geäußert haben. Drei Beispiele seien herausgegriffen. Wolfram F. Richter, Professor i. R. für VWL an der TU Dortmund, äußerte sich in einem Kurzinterview im Jahr 2006 zum BGE, siehe hier. Es wird nicht überraschen, dass er mit dem Menschenbild argumentiert, das gegen ein BGE spreche. Ganz ähnlich übrigens Clemens Fuest, Professor für VWL an der LMU München. Seine Äußerungen habe ich wiederholt kommentiert, siehe hier und hier. Andreas Peichl, Professor für VWL an der LMU München, ebenfalls ifo-Institut wie Fuest auch. Seine Äußerungen habe ich hier und hier kommentiert.

Es ist nicht vermessen, die Annahmen zum Menschenbild, die den Aussagen innewohnen, als ziemlich einseitig zu bezeichnen. Wenn diese also die Grundlage für Mikrosimulationen waren und von den anderen Mitgliedern geteilt werden, dann ist das eine Art self-fulfilling prophecy.

Sascha Liebermann

ifo-Studie soll Grundlage für die Einschätzung der Studie zur Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens sein,...

 ...die gerade durch die Medien ging. Der Verweis ist in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu finden. Zur entsprechenden ifo-Studie geht es hier.

13. August 2021

Auch treffend - als könne es ein Kriterium sein, auf Menschenwürde zu verzichten

Wieder einmal Brutto- vs. Nettokosten? ...

...da sich der Beitrag im Handelsblatt hinter einer Bezahlschranke befindet, kann von dem Tweet aus nur  festgehalten werden, dass es um Bruttokosten geht (auch Spiegel Online berichtet und konstatiert, "selbst die Berater von Olaf Scholz", als sei er ein Befürworter eines BGEs). Als neue Erkenntnis taugt das allerdings kaum, denn die Bruttokosten sind immer wieder thematisiert worden. sie sind jedoch nicht entscheidend. Wie sieht es denn mit der Gegenrechnung aus, welche zusätzlichen Einnahmen erwachsen könnten? Sie wird meist ausgelassen, vielleicht ist das hier anders. Welche Kosten entstehen denn durch ein BGE nicht, die durch unsere heutige Sozialstaatsordnung entstehen, wird dazu etwas gesagt? Was wird durch bestehende Strukturen be- oder gar verhindert, das durch ein BGE befördert würde? Vielleicht gibt es dazu Aussagen? Zumindest müssten etwaige Effekte erwogen, wenn sie schon nicht berechnet werden  können. Leistet die Studie das?

Apropos Existenzminimum: Was wäre daran schlimm, wenn der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer durch ein BGE ersetzt würde, sofern beide identisch wären? Seine Aufgabe ist ja gerade die Absicherung des Existenzminimums.

Sascha Liebermann

20. August 2020

"Der Staat hat das Geld nicht" - was heißt das und welche Bedeutung hat das Volkseinkommen?

Ulrike Herrmann hat in der taz sich wieder einmal zum Bedingungslosen Grundeinkommen geäußert. Anlass war die Bekanntmachung, dass das DIW ein Pilotprojekt von Mein Grundeinkommen wissenschaftlich begleiten will. Ruprecht Polenz verweist in seinem Tweet auf ihren Beitrag. Wie bislang (siehe frühere Beiträge von uns dazu hier) ist Herrmanns Haltung zum BGE ablehnend, begründet wird das über die Unmöglichkeit, es zu finanzieren. Was meint sie damit, dass Anhänger die Frage der Finanzierung hartnäckig ignorieren? Helmut Pelzer hat schon vor etlichen Jahren im Ulmer Transfergrenzenmodell (siehe auch hier und eine aktualisierte Version von Jürgen Rettel hier) eine grundsätzliche Finanzierbarkeit nachgewiesen. Dazu hat er keineswegs das Sozialbudget umverteilt, andere, das merkt Herrmann zurecht an, haben das hingegen getan. Letztlich aber ist die Finanzierungsfrage auch eine Gestaltungsfrage, ganz gleich, welches Konzept eines BGE vorgelegt wird.

Als erstes ist zu bemerken, dass Herrmann eine Bruttorechnung anstellt, wenn sie 1200 Euro pro Monat und Person auf die Bevölkerung hochrechnet und so die Ausgaben bestimmt - ohne Einnahmerechnung! Nicht die Bruttokosten sind aber entscheidend, die Nettokosten sind maßgebend, also das Verhältnis von Aufwendungen für ein BGE und Wertschöpfung. In 2019 lag das Nettonationaleinkommen, also derjenige Teil am Bruttoinlandsprodukt, der für Einkommen zur Verfügung steht, bei etwa 2,8 Billionen Euro. Darin enthalten sind unter anderem auch die Sozialversicherungsbeiträge, Steuerfreibeträge (!), Beamtensold usw. Von diesem Kuchen also wäre ein BGE zu finanzieren (brutto), nicht vom Sozialbudget und schon gar nicht aus Bundes- oder Länderhaushalten. Diesen Bruttokosten stehen aber Einnahmen gegenüber, denn weiterhin wird es Steuern geben auf Einkommen und Verbrauch nach heutiger Lage. Erst nach Abzug der Einnahmen hätte man also die Aufwendungen bestimmt, die netto für ein BGE nötig wären. Was Herrmann anstellt, kann also als Irreführung bezeichnet werden, die kein Deut besser ist als der von ihr kritisierte Umrechnung des Sozialbudgets. Es stellt sich darüber hinaus schon lange die Frage, ob es klug ist, die Krankenversicherung durch Beiträge aus Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Davon abgesehen sollen bedarfsgeprüfte Leistungen in der Regel – selbst Straubhaar zieht das in Erwägung – beibehalten werden – das zumindest ist die verbreitetste Vorstellung eines BGE (eine Streichung wäre in der Tat unsozial). Allerdings: auf der Basis eines BGE sinkt der Bedarf an bedarfsgeprüften Leistungen. Komplex sind also auch Substitutionseffekte, die durch ein BGE entstehen, wenn z. B. Subventionen, die der Einkommenssicherung dienen - wie bei Landwirten - genauso als personenbezogenen, zweckungebundene Einkommenssicherung qua BGE möglich wären.

Was sich aus dieser Finanzierbarkeit auf Basis der Daten aus der Vergangenheit (volkswirtschaftliche Gesamtrechnung) nicht schließen lässt, ist, was wohl passieren wird, wenn ein BGE eingeführt wurde. Davon hängt natürlich ab, welche Folgen es hat und hier wir die Sache dann grundlegend, es geht nämlich um die Frage, was für die Lebensführung maßgebliche handlungsleitende Überzeugungen sind, weshalb bringen sich Menschen ein, weshalb wollen sie im Beruf wirken, weshalb anderen helfen usw. Es geht also um die Frage danach, wie Autonomie und Gemeinwohlbindung entstehen und sicher erhalten. Diese Fragen weisen allerdings nicht in die Zukunft, sie weisen in die Gegenwart und erfordern, den realen Lebensverhältnissen ins Auge zu sehen. Die Grundlagen der politischen Ordnung einer westlich liberalen Demokratie, wie sie im Grundgesetz zum Ausdruck kommen, leben von Voraussetzungen, die nicht durch das Grundgesetz herbeigeführt werden können. Der Staatsrechtler Böckenförde hat dies einst treffend formuliert - wir leben heute schon vom Vertrauen in Autonomie und Gemeinwohlbindung der Bürger, sonst gäbe es unsere Demokratie gar nicht, was sich auch empirisch gut zeigen lässt. Nichts anderes erfordert ein BGE und dennoch können wir nicht vorhersehen, was passieren wird. Das ist aber mit allen Gestaltungsentscheidungen im Leben so.

Dass Ulrike Herrmann solche Fragen nicht einmal stellt, darüber habe ich in einem Rückblick auf eine Diskussion mit ihr geschrieben.

Sascha Liebermann

11. April 2020

Wer sollte noch einmal die Schule besuchen? Netto-, nicht Bruttokosten sind entscheidend...



...siehe dazu frühere Beiträge hier und hier.

Sascha Liebermann

13. November 2019

"Hartz IV hat sich bewährt und ist besser als sein Ruf" - und wieder eine Diskussionsverweigerung...

...so zumindest klingt der Bericht der SPD Rodgau über eine Veranstaltung mit dem Leiter des dortigen Jobcenters Matthias Schulze-Böing. Worin sich Hartz IV bewährt habe, das soll wohl die Erwerbsteilnahme gemessen an Erwerbstätigenzahlen abbilden. Sie sagt nur gar nichts darüber, ob diese Erwerbsteilnahme aus Sicht der Wertschöpfungsprozesse und -erfordernisse sinnvoll ist oder nicht. Lediglich kann sie diejenigen befriedigen, für die Erwerbstätigkeit in jeder Hinsicht und um jeden Preis erwünscht ist, ganz gleich, ob es volkswirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht.

Zur Finanzierung wird folgendes geschrieben:

Die Frage, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht die einfachere Lösung sein könnte, beantwortete Schulze Böing mit einem Beispiel. Bekämen alle, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, 1000 Euro monatlich, was weniger wäre als der zurzeit gültige Hartz IV-Satz, so müsse die Gesellschaft hierfür insgesamt eine Summe von 876 Milliarden Euro pro Jahr aufbringen. Der Betrag entspräche einem Vielfachen des jetzigen Bundeshaushalts und es gäbe niemand, der sagen könne, wie sich diese enorm hohe Summe durch Steuern aufbringen ließe.

Hat die Rodgauer SPD sich denn einmal die Mühe gemacht, vorhandene Finanzierungsmodelle zu sichten oder zumindest die Datengrundlage zu reflektieren? Der Bundeshaushalt ist irrelevant für ein BGE, wie er irrelevant ist für das Sozialbudget - er umfasst nur einen geringen Teil der Leistungen, die für "Soziales" ausgegeben werden. Für die Finanzierung eines BGE ist das Volkseinkommen entscheidend, denn von diesem "Kuchen" muss es finanziert werden, er ist dreimal so hoch wie das Sozialbudget. Wenigstens das hätte berücksichtigt werden können oder wollte man nur die eigene Position bestätigt haben?

Sascha Liebermann

Korrektur: Fälschlicherweise war von der "SPD Kreis Offenbach" die Rede, es war aber die SPD Rodgau, die eingeladen hatte.

19. September 2019

3 Billionen Dollar für ein Grundeinkommen - "Die Welt" staunt...


source: tradingeconomics.com

...doch wie so oft, wenn es um Bedingungsloses Grundeinkommen geht, wird nur die Bruttorechnung angestellt (siehe hier), das ist vollkommen sinnlos, ohne die Einnahmeseite hinzuzuziehen. Genau eine solche einzig angemessene Berechnung ist aber nur für die Vergangenheit möglich (siehe hier) Davon einmal abgesehen müssen die Ausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt betrachtet werden (Grafik oben). Dann erscheint der Betrag nicht mehr so gigantisch. Alleine schon daran ist ersichtlich, dass einer ernsthafte Beschäftigung mit der Frage gar nicht angestrebt wird, Skandalisierung hoher Ausgaben scheint das alleinige Ziel.

Sascha Liebermann

2. September 2019

Begrenzte Aussagekraft von Berechnungen und Feldexperimenten

Dazu gibt der Beitrag "Bedingungsloses Grundeinkommen soll in Österreich Fahrt aufnehmen" in Der Standard Überlegungen wieder, die deutlich machen, wie begrenzt die Aussagekraft etwaiger Berechnungen von Ausgaben, Einnahmen und Wirkungen eines BGE ist.

Siehe auch die Ausführungen Georg Vobrubas dazu. Helmut Pelzer und Ute Fischer haben dies ebenfalls immer vertreten (unseren Nachruf auf Helmut Pelzer finden Sie hier). Siehe darüber hinaus auch hier.

"The Cost of Universal Basic Income is the Net Transfer Amount, Not the Gross Price Tag"...

...ein Beitrag von Scott Santens, der angesichts der häufig anzutreffenden Milchmädchenrechnungen zu den Kosten eines Bedingungslosen Grundeinkommen auf Missverständnisse hinweist. Auch andere haben auf diese Fehlrechnungen schon hingewiesen, siehe hier.

18. Juli 2019

"So lässt sich das Grundeinkommen seriös finanzieren"...

...ein Beitrag von Brüne Schloen auf Xing. Schloen hat dieses Jahr ein Buch mit dem Titel "Grundeinkommen und Menschenwürde" veröffentlicht.

9. Juli 2019

Demokratie - ohne sie zu thematisieren: Rückblick auf eine Diskussion mit Ulrike Herrmann...

...im Deutschen Historischen Museum, zu der sie und ich am 7. Juli eingeladen waren. Dass Ulrike Herrmann von einem Bedingungslosen Grundeinkommen nicht viel hält, auch wenn sie die Ziele teilt, die einige damit verfolgen, daraus machte sie kein Hehl (siehe z. B. hier und hier). Ihr Einwand richtete sich vor allem darauf, dass es nicht finanzierbar und nicht durchsetzbar sei.

Das Format der Veranstaltung war nicht auf eine Podiumsdiskussion ausgerichtet, so dass wir nur wenig aufeinander reagieren konnten und das Publikum sehr früh mit seinen Fragen zu Wort kam. Die Veranstaltung wurde nicht aufgezeichnet. Ich gebe die in meinen Augen wichtigen Punkte der Diskussion aus der Erinnerung wieder.

Demokratie
"Welche Ungleichheiten verträgt Demokratie?" - das war der Titel der Veranstaltung, in der es um ein Bedingungsloses Grundeinkommen gehen sollte. Von daher wäre eine Diskussion zu erwarten gewesen, die sich mit der heutigen Konstruktion des Sozialstaats sowie seiner Leistungen und deren Verhältnis zu den Grundfesten der Demokratie befasst. In meinem Kurzvortrag (5 Minuten) hob ich genau das heraus, was in meinen Augen den entscheidenden Zugang zum BGE darstellt, seine Herleitung aus der Verfasstheit der modernen westlichen Demokratie (siehe z. B. hier, hier und hier). Von dort aus lassen sich dann leicht viele Aspekte, die in der BGE-Diskussion angeführt werden, hinzuziehen. Doch genau hierauf reagierte Frau Herrmann gar nicht, die Demokratie wurde nicht weiter erwähnt, obwohl sie als Kritikerin der Ungleichheit und der Machtverhältnisse sich einen Namen gemacht hat. Nur an einer Stelle wurde deutlich, dass sie um die Eigenheiten der Demokratie weiß, als ein Zuhörer darauf hinwies, es habe in der Antike schon ein Grundeinkommen gegeben. Hier stellte Frau Herrmann klar, dass im Unterschied zu heute der Bürgerstatus dort ein ganz anderer war und Sklavenhalterschaft dafür die Voraussetzung.

Verhandlungsmacht, Gewerkschaften
Wo sie diesbezüglich steht, war daran zu erkennen, wie sie auf den Einwand aus dem Publikum, ein BGE verschaffe Verhandlungsmacht, reagierte. Sie setzte ihm entgegen, dass dies genauso über Gewerkschaften erreichbar sei und wir eine flächendeckende Geltung der Tarifverträge benötigten, eine Allgemeineverbindlichkeitserklärung, damit kein Arbeitgeber sich aus den Tarifverträgen verabschieden könne. Das würde in der Tat eine Machtverschiebung bedeuten, doch vertreten denn die Gewerkschaften immer selbstverständlich die Interessen einer Betriebsbelegschaft oder kann es diesbezüglich nicht auch zu Interessenkonflikten kommen? Welche Freiräume verschaffen denn Tarifverträge demjenigen, der nicht erwerbstätig ist? Auf diese Frage ging sie nicht ein.

Sanktionsfreie Grund- bzw. Mindestsicherung
Darauf ergänzte sie, dass sie für eine sanktionsfreie Grundsicherung sei, die sei auch einfacher zu finanzieren. Allerdings höbe eine solche Grundsicherung (sie nannte keine Höhe, obwohl sie die von den BGE-Befürwortern ja immer wissen will) weder den normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit auf und damit die Abwertung aller anderen Tätigkeiten, noch die damit einhergehende Stigmatisierung derer, die der Norm nicht folgen. Dazu sagte sie nichts weiter, wie sie überhaupt zur normativen Grundlage der Sicherungssysteme nichts sagte. Ist denn eine sanktionsfreie - manche reden auch von einer repressionsfreien - Grundsicherung realistischer als ein BGE? Das ist nur dann der Fall, wenn man die normative Stellung von Erwerbstätigkeit übersieht, deren Komplement die Sanktionen sind. Seit es Mindestsicherungsleistungen gibt, gibt es auch Sanktionen, das gilt für alle Wohlfahrtsstaaten, denn in allen hat Erwerbstätigkeit den normativen Vorrang vor anderem. Gleichwohl sind die Wohlfahrtsstaaten sehr unterschiedlich konstruiert (siehe z. B. in Schweden). Wer also die Sanktionen aufgeben will, muss das Erwerbsgebot in Frage stellen - das sind wir bei derselben Diskussion wie im Falle des BGE. Wenn wir also diesen Schritt zu gehen bereit wären, stellt sich sofort die Frage, mit welcher Begründung wir an der Erwerbszentrierung festhalten und die Mindestsicherung nicht an den Status knüpfen (Staatsbürgerschaft bzw. Wohnbürgerprinzip - in der Schweiz wird z. B. zwischen Stimm- und Wohnbürgern unterschieden)? Das war aber für Ulrike Herrmann gerade keine Frage. Insofern ist ihr Vorschlag, die Gewerkschaften zu stärken, fest in der deutschen Tradition eines außergewöhnlich stark auf das Erwerbsgebot ausgerichteten Sozialstaats verankert.

Finanzierung
Die Finanzierungsfrage zäumte sie anhand des Sozialbudgets auf (das tat sie hier auch schon) und ging davon aus, dass ich ebenfalls das Sozialbudget nutzen wollte, um ein BGE zu finanzieren. Sie erwähnte allerdings zwei Dinge nicht, die für die Finanzierungsfrage viel interessanter sind als das Sozialbudget. Zum einen hätte sie sich auf das Volkseinkommen (siehe auch hier) beziehen können, das waren in 2017 etwa 2,5 Billionen Euro. Aus diesem Gesamtkuchen, wenn man so will, muss das BGE finanziert werden wie das Sozialbudget auch, das lediglich eine statistische Größe ist, um bestimmte Leistungsarten zu erfassen (z. B. Sozialleistungen und Sozialversicherungen). Zum anderen erwähnte Frau Herrmann nicht, dass es eine Mindestsicherungsleistung gibt, die mit dem Sozialbudget gar nichts zu tun hat und gleichwohl existiert: der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer. Er soll ein Mindesteinkommen von Erwerbstätigen dadurch sichern, dass bis zur Höhe des Freibetrags gar keine Besteuerung vorgenommen wird. Der Staat verzichtet dadurch auf Einnahmen. Sollte das Erwerbseinkommen nicht ausreichen, müssen zusätzliche Leistungen beantragt werden, um das Mindesteinkommen zu sichern (z. B. durch Arbeitslosengeld II). Die vermeintlich skandalösen Ausgaben, die zur Finanzierung eines BGE nötig wären, sind in Anbetracht der Steuerfreibeträge im Grunde nur eine Umbuchung, soll das BGE höher ausfallen, geht es um Mehrausgaben aus demselben Kuchen des Volkseinkommens, aus dem das Sozialbugdet finanziert wird. Aus Freibeträgen würden durch die Umbuchung Zahlbeträge, also Einkommensausschüttungen, die Freibeträge könnten gestrichen werden, zumal der Grundfreibetrag und die Kinderfreibeträge. Damit stünde eine stabile Kaufkraft bereit und zugleich könnte jedes Einkommen oberhalb des Grundeinkommens sofort direkt besteuert werden, dadurch würden Einnahmen entstehen (siehe als Beispiel für eine Finanzierungsrechnung das Transfergrenzenmodell von Helmut Pelzer). Die Bezugnahme auf das Sozialbudget ist also irreführend bzw. verkürzt, das hat Ulrike Herrmann selbst gesagt und sich dennoch daran orientiert. Ob ein Mindesteinkommen nun über Sozialleistungen, Sozialversicherungsleistungen oder in Löhne integriert bereitgestellt wird, ist für die Finanzierung gar kein Unterschied. Das Volkseinkommen entscheidet darüber, was verteilt werden kann (zur Finanzierungsfrage siehe auch diesen Vortrag von Stefan Bach, DIW, ab Stunde 2:41)

"Unbezahlte Arbeit"
Ein weiterer interessanter und aufschlussreicher Punkt war, was nicht thematisiert wurde. Ulrike Herrmann sagte, obwohl ich ausdrücklich darauf hinwies, zu Leistungen jenseits von Erwerbsverhältnissen nichts. Dass diese Leistungen jedoch genau die Voraussetzungen für das Wertschöpfungsgeschehen erst schaffen, Leistungsbereitschaft überhaupt erst in Bildungsprozessen entsteht und der entscheidende Ort dafür die Familie ist - wurde mit keiner Silbe erwähnt. Damit argumentierte sie ähnlich abstrakt über Wertschöpfungsprozesse wie diejenigen, die "unbezahlte Arbeit" letztlich doch für etwas halten, das Erwerbstätigkeit nachgeordnet ist, weil die Erwerbstätigen ja die Nicht-Erwerbstätigen finanzieren. Eine groteske Verkürzung der Verhältnisse (siehe auch hier, hier und hier). Die eine Leistungsform gegen die andere auszuspielen ist aberwitzig, beide sind nötig, beide leisten etwas, das nicht miteinander verglichen werden kann. Im einen Fall geht es um ein Beziehungsgefüge, in dem Personen als ganze Menschen im Zentrum stehen (siehe auch hier), im anderen geht es nur um Personen, sofern sie einer Aufgabe zugeordnet sind und bei Nicht-Eignung wieder entlassen werden. Das eine kann es ohne das andere nicht geben.

Digitalisierung, Demographie
Hier war Ulrike Herrmann ganz deutlich, als sie auf die Frage eines Studenten antwortete, der sich darüber wunderte, dass Digitalisierung in der Diskussion im DHM keine Rolle spiele. Herrmann erwiderte daraufhin, dass seine Generation sich keine Sorgen um den Arbeitsmarkt machen müsse, das habe mit der demographischen Entwicklung und einer zu erwartenden Entspannung am Arbeitsmarkt zu tun (hier eine Grafik, Artikel dazu hier und hier). Dazu hatte sie sich vor einigen Jahren schon einmal geäußert (siehe hier). In der Tat vollzieht sich eine erhebliche demographische Veränderung, die zur Entspannung am Arbeitsmarkt führen kann, zugleich jedoch ist unklar, was genau die Digitalisierung mit sich bringen wird (siehe hier). Beide Effekte könnten sich aufheben, ja, könnten, oder eben auch nicht. All das hat, darauf machte ich dann aufmerksam, mit einem BGE jedoch gar nichts zu tun, denn es sei von der Entwicklung am Arbeitsmarkt unabhängig, es gehe bei ihm um etwas anderes und zwar um eine den demokratischen Grundfesten entsprechende Sozialpolitik.

Sascha Liebermann

9. Mai 2019

Berechnungen von bestechender Einfachheit - die irreführend sind...

...das ist ein bekanntes Phänomen in der Grundeinkommensdebatte. Man nehme die Einwohnerzahl, multipliziere sie mit der Betragshöhe des BGE und dann mit zwölf, um zu ermitteln, wie hoch die Ausgaben pro Jahr wären. Der Haken daran ist, dass den Ausgaben nicht die Einnahmen gegenübergestellt werden, dass nicht bedacht wird, wieviele Nettozahler und wieviele Nettoempfänger nach Berücksichtung von Steuern übrigblieben. Ähnlich ist es in der jüngst entstandenden Debatte um eine CO2-Steuer, darüber berichtet Klimareporter.

20. August 2018

"Geld ohne Arbeit - funktioniert das?"...

...ein Beitrag auf der Website des NDR von Marvin Milatz, der sich teils in den Fallstricken einfacher Überschlagsrechnungen verheddert.

16. Oktober 2017

Bessere Berechnungen, sicherere Prognosen - ein uneinlösbarer Wunsch...

...den Hubertus Porschen, Vorsitzender von "Die jungen Unternehmer", für die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen hat. Denn all die Simulationen, wie auch Wirtschaftswissenschaftler einräumen, die man über etwaige Effekte eines BGE anstellen kann, können nicht als verlässliche Tatsachenaussagen gewertet werden. Das ist im Grunde banal, muss aber immer wieder deutlich gemacht werden. Siehe hier, hier und hier.