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20. August 2025

Hart arbeiten, fleißig sein, es muss sich lohnen,...


...es reicht nicht, einfach seine Arbeit (=Erwerbsarbeit) zu erledigen (ab Minute 5 etwa), "hart" muss gearbeitet werden, "fleißig" müssen die Leute sein. Wer dann "hart" gearbeitet hat, hat sich den Aufstieg und letztlich die Rente "verdient". Klingbeil bedient damit Aufstiegsmythen, als sei Vieles nicht von glücklichen Umständen abhängig. Woran wird darüber hinaus "hart" zu arbeiten festgemacht, muss man das sehen können, müssen sich die Leute sichtbar quälen? 
Klingbeil bedient mit dieser Sprache Vorurteile, weil sie nahelegen, es könne ohne weiteres bestimmt werden, was "hart" zu arbeiten auszeichnet. Dabei ist "harte" Arbeit eben nicht ohne weiteres sichtbar. Der Beruf des Lehrers wird hierzu häufig nicht gezählt, der des Erziehers ebensowenig, Sachbearabeitung in der Verwaltung wohl auch eher nicht, wenn man an die Vorurteile denkt - es könnten noch andere aufgezählt werden. Arbeiten etwa Softwareentwickler hart, die hocken doch nur am Computer und tippen?!
Wer was als "hart" beurteilt, ist eine ganz andere Frage, man muss sich nur entsprechende Gespräche über andere Berufsgruppen anhören, in denen leichtfertig über die "low performer" gesprochen wird, die die Leistungsträger nur behindern.
À propos - ganz vergessen wird natürlich, diejenige Leistung, die nicht in Erwerbsarbeit erbracht wird, also die sogenannte "unbezahlte Arbeit", aber die ist ja nur ein Hobby.

Sascha Liebermann

13. September 2024

"Es gibt kein Rech auf Faulheit"?

24. Januar 2022

Wer arbeitet "hart" = "Respekt" und die anderen ≠ kein Respekt? Was ist "hart"?...

...klingt doch irgendwie vertraut nach "Vorrang für die Anständigen", hier "die hart arbeitenden", Nachrang für den Rest. Siehe auch hier. Das also ist mit "Respekt" gemeint gewesen.

Sascha Liebermann 

29. April 2020

"Bafög öffnen und ausweiten!" - Mit einem BGE wäre - nicht nur das - gar nicht nötig gewesen


Nun kommt ein Vorschlag nach dem anderen, wie Einkommensstabilisierung in der Breite erreicht werden könnte, mit einem BGE müssten wir darüber gar nicht reden. Die Rückständigkeit unseres Verständnisses sozialer Sicherung zeigt sich an allen Ecken und Enden.

Sascha Liebermann

2. April 2019

Recht auf Sabbatical, wer profitiert? Und weshalb ein solcher Vorschlag?

Laut Spiegel Online soll eine der Vorsitzenden der Partei Die Linke, Katja Kipping, einen Vorschlag erarbeitet haben, der das Recht auf zwei Sabbatjahre im Berufsleben vorsieht. Der Vorschlag erinnert in mancher Hinsicht an das Elterngeld oder an das Grundeinkommensjahr von Lars Klingbeil, SPD. Irritierend daran ist nicht die Forderung nach Auszeiten aus der Erwerbstätigkeit, sie überrascht nicht angesichts dessen, dass Katja Kipping sich schon lange für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt. Überraschend ist, wie ähnlich die Konstruktion dem Elterngeld ist, mit einem Unterschied, der Mindestbetrag ist deutlich höher (1050 Euro) - allerdings nur für Erwerbstätige, denn andere können kaum ein Sabbatjahr in Anspruch nehmen. Nach oben wäre es gedeckelt (1800 Euro) wie das Elterngeld auch. Doch, weshalb eine Lohnersatzleistung einführen, von der vor allem Besserverdiener etwas haben, die sich ein Sabbatjahr leisten können, wenn sie auf Erspartes zurückgreifen können? Geringverdiener haben davon relativ weniger, zumal wenn es nur ein Sabbateinkommen gibt. Familien insbesondere mit geringem Einkommen benötigten stattdessen mehr Zeitsouveränität. Ein Sabbatjahr, das für Erwerbstätige gedacht ist, belohnt diese und bestraft diejenigen, die sich um Haushaltstätigkeiten kümmern. Vielleicht stellt sich manches anders dar, wenn das Papier einsehbar ist.

Sascha Liebermann

30. November 2018

"Arbeitswelt im Wandel" - oder Unternehmen als Erziehungsanstalten?

Die Talksendung Anne Will (Kommentare zu früheren Sendungen finden Sie hier) befasste sich in der jüngsten Sendung mit der Diskussion über die heutige Konstruktion des Sozialstaats, die Sanktionen im Arbeitslosengeld und die verschiedenen Vorschläge, die sich die positiven Konnotationen des Wortes "Grundeinkommen" zunutze machen wollen. Da sollte ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht fehlen, hierfür war Michael Bohmeyer eingeladen. Die einzige, die dafür gewisse Sympathien hatte und die Absurditäten der Sanktionen erkannte, war die Unternehmensberaterin Simone Menne. Die Sendung verlief wie so oft, die Einheitspartei aus Linke, SPD und CDU stritt an der Oberfläche, war sich aber einig, dass der status quo im Wesentlichen verteidigt werden müsse, d. h. an Sanktionen darf nicht gerüttelt werden.

Als die Runde auf das BGE zu sprechen kam, wurde im Einspieler von Anne Will sogleich darauf hingewiesen, dass ja bestimmte Personen dafür einträten, genannt wurden Unternehmer aus dem Silicon Valley (von denen oft nicht bekannt ist, was sie genau meinen), Joe Kaeser (Siemens, der sich nicht für ein BGE ausgesprochen hat) sowie Timotheus Höttges (Deutsche Telekom, der es tatsächlich für sinnvoll hält). Im Grunde war dieser Einstieg ein Versuch, den Vorschlag zu diskreditieren, denn, wenn Vorstände von Unternehmen bzw. Unternehmer dafür sind, kann es sich nicht um einen brauchbaren Vorschlag handeln. Entsprechend reagierten manche in der Runde. Andere wiederum sehen das als Adelung, wenn gerade sie dafür seien, dann müsse auch etwas dran sein. Michael Bohmeyer machte auf die vereinseitigende Darstellung aufmerksam. Wer sich ein wenig informiert, wird schnell herausfinden, dass die BGE-Diskussion seit 2004 öffentlich geführt wird und von ganz anderen als Unternehmern angestoßen wurde (Götz W. Werner ist eine Ausnahme). Unterstützer finden sich in den meisten Parteien, mal mehr, mal weniger, je weiter man in der Funktionshierarchie herabsteigt.

Die Einwände gegen das BGE waren die üblichen, es wurde wenig differenziert und von den drei Politikern der bestehende Sozialstaat in seinen Prinzipien weitgehend verteidigt. Sahra Wagenknechts wettern gegen Hartz IV lässt nicht übersehen, dass sie vom Erwerbsgebot nicht abrücken will ("zumutbare Arbeit sollte man annehmen" - ab Minute 39; "harte Abeit" müsse belohnt werden - wie ist es mit nicht harter Arbeit und was wäre das?). Manche plädieren für eine "repressionsfreie Grundsicherung", um von Sanktionen wegzukommen, das ist jedoch illusionär. Soweit ging Wagenknecht nicht, denn gegen Sanktionen hat sie wohl nicht grundsätzlich etwas. Wo es zumutbare Arbeit gibt, wie sie sagte, muss es auch Möglichkeiten geben, die Zumutbarkeit durchzusetzen - was sie nicht sagte, was aber aus dem Gesagten folgt, sonst ist es unsinnig, von Zumutbarkeit zu reden.

Es bleibt also bei Sanktionen, nur unter anderen Bedingungen. Wer damit ernsthaft Schluss machen will, müsste das Erwerbsgebot aufgegeben. Dann wäre das Sockeleinkommen frei von Sanktionen, aber - in Gestalt einer Negativen Einkommensteuer  (NES) - immer noch bedarfsgeprüft (Einkommensfeststellung). Es gäbe zwar kein mit Sanktionen bewehrtes Erwerbsgebot mehr, der normative Vorrang von Erwerbstätigkeit bliebe aber bestehen, zu erkennen an der Einkommensprüfung. Von hier aus wäre es aber nicht mehr weit zum BGE.

Besonders interessant wurde es ab Minute 31. Mit einem Einspieler wird ein Bäckermeister vorgestellt, der kaum Mitarbeiter finden kann. Schwierigkeiten eines Unternehmers, die nicht ungewöhnlich sind. Das Jobcenter vermittelt immer wieder einmal Bewerber zu ihm, doch die erwiesen sich als unzuverlässig, nähmen Termine nicht wahr oder Ähnliches. Wichtig sei der Stempel für das Jobcenter, der bezeugt, dass sie da waren. Des Bäckers Schlussfolgerung: Sanktionen für die Arbeitsverweigerer, das ist sinnvoll. Ernsthaft?

Was würde es ihm bringen, wenn Bewerber, die offenbar nicht bei ihm arbeiten wollen, dennoch kommen würden, um den Sanktionen auszuweichen? Wie wahrscheinlich ist es, dass sie ihm in seinem Betrieb eine Hilfe wären? Aus unternehmerischer Sicht müsste er die Sanktionen ablehnen, weil sie die Suche nach guten Mitarbeitern nicht erleichtert. Sein  Betrieb würde zu einer Erziehungsanstalt für unwillige Mitarbeiter. Seit wann ist das die Aufgabe von Unternehmen? Wer nicht will, fällt doch anderen zur Last, er sollte frei sein, sein Nichtwollen auszuleben, wenn er meint, solange die anderen davon nicht eingeschränkt werden. In der Regel gibt es gute Gründe, weshalb jemand nicht will bzw. nicht kann. Ein Bäckermeister, um bei dem Beispiel zu bleiben, braucht zuverlässige Mitarbeiter und wenn die nicht zu bekommen sind, gibt es dafür - nimmt man den Arbeitsmarkt ernst - nur eine Lösung: Werben auf dem Arbeitsmarkt. Wer Unternehmen zu Erziehungsanstalten erklärt, richtet sie zugrunde, vor allem behindert er Wertschöpfung und Innovation. In der Runde nahm keiner diese Absurdität auf, Sahra Wagenknecht war damit beschäftigt, sich gegen Jens Spahn zu behaupten, der sie nun fragte, wie es denn mit der Zumutbarkeit sei. Nur kurz hört man in der Aufzeichnung, wie Michael Bohmeyer ansetzt zu fragen, während Spahn und Wagenknecht im Wortgefecht sind.

In der Diskussion um ein BGE ist es eines der erstaunlichsten Phänomene, wie selbst Unternehmer vom unternehmerischen Impetus, dem Leistungsethos, absehen und für das Schaffen von Arbeitsplätzen werben, ganz gleich wozu das führt. Wie widersinnig es ist, jemanden in ein irgendwie geartetes Arbeitsverhältnis zu drängen, der dafür partout nicht bereit oder nicht geeignet ist, ist an Abwegigkeit kaum zu überbieten.

Eine solche Diskussionsrunde muss sich daran messen lassen, was sie zu wichtigen Fragen - und sei es nur argumentativ - an Lösungen oder Klärungen beiträgt. Solche Fragen, die ein Gemeinwesen zu beantworten hat, sind: 1) Was kann es dazu beitragen, dass sich die Solidarität der Bürger (nicht der Erwerbstätigen) und damit die Bindungskraft als Gemeinwesen erhält?; 2a) Was kann es dazu beitragen, dass Bildungsprozesse, die sich vornehmlich in Familien vollziehen, möglichst gute Gelingensbedingungen haben? Denn von ihnen hängt ab, welche Haltung Kinder als Erwachsene zu familialer Vergemeinschaftung, dem politischen Gemeinwesen und Leistung (auch Wertschöpfung) haben; 2b) Das Bildungswesen muss entsprechend gestaltet sein, damit sich diese Fähigkeiten entwickeln können; 3) Wie kann es erfahrbar und dadurch bewusst machen, dass in einem Gemeinwesen stets alle von allen abhängen - als Bürger, in der Familie, im arbeitsteiligen Leistungsgefüge?

Es ist kein Zufall, dass die politische Dimension eines Bedingungslosen Grundeinkommens, ein Bürgereinkommen zu sein, welches genauso bedingungslos gewährt wird wie die Grundrechte bedingungslos gelten, in der Runde kaum eine Rolle spielt. Wer diese Dimension nicht sieht und meint, wir seien eine Arbeitsgesellschaft und das halte alles zusammen, nimmt nicht ernst, dass und weshalb die Demokratie gerade von verschiedenen Seiten in Frage gestellt wird.

Sascha Liebermann 

P.S.: Nicht überraschend ist, dass am gestrigen Abend bei Maybrit Illner zwar die Besetzung ausgetauscht wurde (bis auf Jens Spahn), die Diskussion aber ähnlich war wie bei Anne Will. Die Erziehungsanstaltsvertreter aus den Unternehmen waren ebenso wieder da, diesmal in Gestalt von Marie-Christine Ostermann. Sie wäre prädestiniert dafür, darauf hinzuweisen, dass es nicht innovationsfördernd ist, wenn Unternehmen Aufgaben übernehmen sollen, die das Gemeinwesen übernehmen sollte. Weit gefehlt.

14. November 2018

"Milliarden für die Mittelschicht" - das Grundeinkommensjahr von Lars Klingbeil...

...so ist der Beitrag von Florian Diekmann bei Spiegel Online überschrieben und er trifft damit gut, worum es bei Klingbeils Vorschlag geht. Siehe unsere Kommentare dazu hier und hier. Dass das Chancenkonto, das Diekmann erwähnt in eine andere Richtung wirken könnte, ist richtig. Wenn er es mit der Umverteilung ernst meint, müsste er aber im Grunde für ein Bedingungsloses Grundeinkommen argumentieren. Siehe frühere Kommentare zu Diekmanns Ausführungen hier.

Sascha Liebermann

13. November 2018

"Neue Zeitsouveränität: Ist ein Grundeinkommen die richtige Antwort?" - SPD Debattencamp


Siehe unsere Kommentare zu Ausführungen zum BGE von Lars Klingbeil und  Anke Hassel

12. November 2018

Widersprüchlichkeiten im Hartz IV- System und das Bedingungslose Grundeinkommen

Es mehren sich die kritischen Kommentare zu Lars Klingsbeils Vorschlag eines Grundeinkommensjahres. Der SPD-Generalsekretär will damit zur Erneuerung der SPD beitragen, kapert das positiv konnotierte Wort Grundeinkommen und bietet etwas an, das vor allem Besserverdienern helfen würde. Auch Stefan Sell hat sich damit nun befasst und teilt die Kritik daran, aber auch an dieser Art, Vorschläge in die politische Diskussion zu werfen, die sich - wie das "solidarische Grundeinkommen" oder der Mindestlohn von 12 Euro - doch eher als Luftnummern erweisen. Am Ende seines Beitrags kommt Sell ganz kurz, nur nebenbei, auf das Bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen. Er schreibt:

"Man könnte jetzt den Finger auf die zahlreichen praktischen Hartz IV-Wunden legen, also die Frage der in vielen Fällen nicht ausreichenden Unterkunftskosten, die Höhe der Regelleistungen, das Sanktionsregime – um nur einige Punkte zu nennen. Allein der Hinweis auf diese Fragen sollte genügen, um aufzuzeigen, warum es innerhalb des bestehenden Systems derart viele Reibungspunkte und Widersprüchlichkeiten gibt (was spiegelbildlich ja auch den Reiz eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ für viele ausmacht, denn dort wird das (scheinbar) vermieden, weil es eben keine Bedingungen gibt, aus deren Operationalisierung dann die beschriebenen Widersprüche resultieren), so dass die Politik institutionenegoistisch gut beraten ist, bei den praktischen Fragen des Hartz IV-Systems toten Mann bzw. Frau zu spielen und lieber mit wolkiger Begriffshuberei jonglieren geht, die aber nach kurzer Erregungswelle wieder in der Sackgasse enden wird."

Man würde doch - nachdem Sell sich wiederholt zum BGE geäußert hat - gerne einmal mehr über seine Kritik daran wissen. Wenn er auf die Mängel des Hartz IV-Systems hinweist, die zu Widersprüchlichkeiten führen, um dann festzuhalten, dass ein BGE diese "scheinbar" vermeide, so bleibt das eine flapsige Bemerkung. Weshalb scheinbar? Viele Verrechnungsnotwendigkeiten, die es in der heutigen Konstruktion haushaltsbezogener Leistunge gibt, gäbe es mit einem BGE nicht - weil es gar nicht haushaltsbezogen wäre und nicht verrechtnet werden sollte. Dadurch entstehen manche Probleme erst gar nicht, die Sell in der Gegenwart ausmacht. Sicher hängen mögliche Auswirkungen eines BGE von seiner Ausgestaltung ab, das streitet niemand ab. Doch wenn schon Kritik geäußert wird, sollte sie Ansatzpunkte für eine Diskussion bieten, damit geklärt werden kann, ob an der Kritik etwas dran ist. Eine ernsthafte Auseinandersetzung sieht anders aus, daran mangelt es - nicht nur in der SPD.

Sascha Liebermann

Frühere Kommentare von unserer Seite zu Sells Bemerkungen zum BGE finden Sie hier.

9. November 2018

"Zwölf Jahre arbeiten, ein Jahr frei" - ein erneuter Enterversuch mit einer Politik für Besserverdiener

Man mag sich die Augen reiben ob der Entwicklung in der SPD, wie nun innerhalb eines Jahres schon der zweite Vorschlag unterbreitet wurde, der das Schlagwort "Grundeinkommen" aufgreift. Offenbar sind es die positiven Konnotationen des Wortes, die dazu Anlass geben. Gleichwohl ist etwas anderes drin in diesem Grundeinkommen als im Bedingungslosen Grundeinkommen, denn schießlich muss man es sich verdienen, wie Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, in seinem Interview mit Zeit Online darlegt (siehe auch hier). Mittlerweile liegt ein detaillierteres Faltblatt vor. Damit rückt es in die Nähe eines "Chancenkontos". Mit dem "Grundeinkommen" wird hier Schindluder getrieben, um die eigenen Vorschläge rhetorisch attraktiver zu machen. Das spricht dafür, dass das Schlagwort mittlerweile durchaus positiv besetzt ist. An einer Stelle heißt es:

"ZEIT ONLINE: Wem wollen Sie damit helfen?
Klingbeil: Prinzipiell kann das Grundeinkommensjahr von allen Beschäftigten in ganz unterschiedlichen Berufsgruppen und Lebenssituationen genutzt werden. Es würde zum Beispiel Menschen helfen, die in sozialen Berufen arbeiten. Auch Menschen aus dem Kreativbereich würden profitieren. Es ist kein Modell für Reiche."

"Kein Modell für Reiche" - das müsste also bedeuten, dass auch diejenigen mit niedrigen Erwerbseinkommen es sich leisten können sollten. Ist das realistisch? Es klingt ganz nach dem Elterngeld, auch wenn Klingbeils Vorschlag nicht als Lohnersatzleistung konstruiert ist. Doch das Elterngeld, wie sein Vorschlag ebenso, setzt voraus, in der Zeit der Erwerbstätigkeit soviel ansparen zu können, dass das Elterngeld wie eben das Grundeinkommen in dem einen Bezugsjahr durch Erspartes ergänzt werden kann. Wer aber kann über diese Dauer entsprechend ansparen? Das setzt doch ein bestimmtes Einkommensniveau voraus. Folgerichtig die Rückfrage:

"ZEIT ONLINE: Aber von 1.000 Euro im Monat kann man als Alleinstehende kaum leben. Handelt es sich dann nicht doch eher um ein Angebot für Menschen, die auch auf Erspartes zurückgreifen können?
Klingbeil: Alle, die gut verdienen und ihren Lebensstandard halten wollen, können sich darauf vorbereiten und zusätzlich Geld ansparen. Das Grundeinkommensjahr ist finanziell vor allem für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen interessant, weil der Abstand zum vorherigen Lohn kleiner ist als bei Besserverdienern."

Wie? Aha! Ein direkter Selbstwiderspruch. Es ist also zwar nicht für "Reiche", aber für Gutverdiener. Wie geht das mit der Bemerkung zusamen, es sei "vor allem für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen interessant"? Entweder ist das nicht durchdacht oder gezielt irreführend. Klingbeil setzt hiermit eine Politik fort, die gerade nicht denjenigen hilft, die geringe Einkommen haben. Direkt im Anschluss an diese Passage wird er nach dem BGE gefragt, das in der SPD Befürworter habe:

"Ich habe Verständnis für die Motive, die hinter der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen stecken: der Wunsch, Stress zu reduzieren und mehr Zeit für sich oder ein Ehrenamt zu haben. Diese Gedanken nehme ich mit dem Grundeinkommensjahr auf."

Er benennt hier zwar Aspekte eines BGE, doch lässt er Vieles aus. Familie scheint keine Rolle zu spielen, sie leidet heute aber am meisten unter dem Erwerbsgebot und wird immer weiter in die Enge getrieben. Dass ein BGE das Solidarverständnis der Demokratie stärken würde, in jeder Hinsicht innovationsfördernd sein könnte, unbezahlte Arbeit aus ihrem Schattendasein holte (ohne ein Bezahlung zu sein und zugleich ihre Notwendigkeit anerkennen würde) und manches mehr - man sucht vergeblich. Dann heißt es:

"Aber ich bin auch davon überzeugt, dass Arbeit einen ganz zentralen Wert hat. Es hat ja einen Grund, dass man Leute, die man neu kennenlernt, oft zuerst nach ihrem Beruf fragt. Arbeit stiftet Identität, Selbstwertgefühl und hält unsere Gesellschaft zusammen."

Das ist aber Resultat des Erwerbsgebots mit allen Folgen der Entwertung und Pervertierung nicht-erwerbsförmiger Tätigkeiten (siehe hier). Nicht die "Arbeit" hält unsere Gesellschaft zusammen, sondern die bedingungslose Anerkennung der Bürger als Träger der politischen Ordnung. Jeder Erwerbstätige ist austauschbar und im Wertschöpfungsgeschehen nur von Bedeutung, solange er dazu beiträgt. Für Wertschöpfungsprozesse und ein Leistungsethos ist es entscheidend, dass es um die Sache selbst geht, nicht um Personen. Gerade die Personalisierung im Wertschöpfungsprozess ist Zeichen einer Entwertung des Leistungsethos, denn für es ist nicht entscheidend, wie Güter- und Dienstleistungen zustandekommen, entscheidend ist, dass es sie gibt. Und, da wäre Klingbeil zuzustimmen, eine solche Erfahrung kann erfüllend sein. Sie stiftet aber nicht den vielbeschworenen "Kitt". Klingsbeils Haltung ist, wie jede Form von "Sozial ist, was Arbeit schafft" gerade nicht leistungsfördernd, sie ist leistungshemmend.

Jens Berger von den Nachdenkseiten kommentiert den Beitrag ebenfalls treffend und macht deutlich, wie dieser Vorschlag eines Grundeinkommensjahres doch wieder auf eine Politik für Besserverdiener hinausläuft. Die SPD hat diejenigen aus den Augen verloren, die um ihr Einkommen kämpfen müssen. An einer Stelle aber Bergers Kommentar indes schief bzw. vorurteilsbehaftet:

"Aber warum sollte die Krankenschwester mit ihren Steuern die Auszeit des Chefarztes mit einem „Taschengeld“ subventionieren, der gerne mal ein Jahr am Stück die Welt bereisen würde?"

Reformulieren wir das etwas: Warum sollte der Grundfreibetrag in der Einkommenssteuer auch dem Chefarzt gewährt werden, der ihn doch nicht braucht? Immerhin stellt dieser Freibetrag einen Besteuerungsverzicht dar, also für den Staat weniger Einnahmen. Ein Besteuerungsverzicht, den auch die Krankenschwester zu tragen hat, wie allen anderen. Wenn wir Bergers Gedankengang weiterführten, dann müsste der Grundfreibetrag ab einem bestimmten Jahreseinkommen gestrichen werden - dann nämlich, wenn jemand ihn nicht mehr "braucht". Es handelt sich dabei aber um eine Leistung, deren Legitimationsquelle die Unangreifbarkeit des Existenzminimums ist, es soll nicht besteuert werden. Genau das wäre ja der Grund, weshalb ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle bereitstehen und nicht vom Bedarf abhängig sein sollte. Wie man darüber hinaus Leistungen oder Steuern gestaltet, ist eine separate Frage.

Anders als Klingbeil in seiner Arbeitsgesellschaftsdenke meint, sind in einer Demokratie nicht die Erwerbstätigen Träger der politischen Ordnung, es sind die Bürger. Deswegen sind sie auch nicht substituierbar. Ihr Status hängt weder von Leistung noch von Engagment ab. Der Status ist direkt mit der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen verbunden. Es ist bezeichnend und wohl gerade ein Symptom für die Krise des Politischen, wenn Klingbeil das in dieser Passage ebenso wenig sieht wie viele andere. Man muss, wie an diesem Vorschlag zu sehen ist, das BGE gegen seine vollständige Verkehrung ins Gegenteil verteidigen, damit seine Möglichkeiten nicht verschüttet werden. Es sind zugleich die Möglichkeiten der Demokratie.

Sascha Liebermann