...ein Beitrag auf den Nachdenkseiten über die bittere Realität derer, die von Hartz IV leben müssen.
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5. Oktober 2020
4. Mai 2020
"Homeschooling ist für meine Söhne zu einem Wettbewerb des Unmöglichen geworden"...
...ein Interview von Marcus Klöckner auf den Nachdenkseiten mit einem Vater über seine Lage als Bezieher von Arbeitslosengeld II mit drei schulpflichtigen Kindern und der Notwendigkeit, einen Computer für die Beschulung zuhause nutzen zu müssen, sich aber keinen leisten zu können. Das Jobcenter lehnte bislang die Leistung ab, die Gründe werden im Interview genannt und sind hahnebüchen. Das Interview zeigt wieder einmal, welche Hürden ein Sozialsystem errichtet, das mit niedrigen Regelsätzen operiert und Sachleistungen beantragt werden müssen. Gäbe es ein BGE, wäre es vermutlich problemlos, die nötigen technischen Geräte zu beschaffen, denn in einem Haushalt mit vier Personen wären vier BGE vorhanden. Würde der Vater hier in diesem Fall - was ja schnell von den Besorgten gefürchtet wird - das BGE nicht für diese Zwecke nutzen, fiele das auf ihn zurück. Er könnte sich der Verantwortung nicht entziehen. Heute muss er mit dem Jobcenter darum ringen und begründen, weshalb die Geräte nötig sind, im Jobcenter hat man offenbar mit Schulen nicht allzuviel zu tun.
Sascha Liebermann
Sascha Liebermann
24. April 2020
"'Bloß keine Panik!' – die Medien und ihre frühe Corona-Berichterstattung"...
...eine Chronologie von Jens Berger auf den Nachdenkseiten. Schaut man sich an, wie zu Beginn mit den möglichen Gefahren durch SARS-CoV2 umgegangen wurde, stellt sich die Frage nach Verantwortung und Verantwortlichen, denn an Warnungen davor, dass das Virus auch zu uns gelangen könnte, mangelte es nicht. Christian Drosten - heute gefragte Experte - hatte schon Ende Januar davor gewarnt - immerhin. Dass auch er das Virus noch unterschätzte zu diesem Zeitpunkt, ist nicht verwunderlich angesichts der Datenlage. Gerade Drosten wies immer wieder darauf hin, dass Einschätzungen nur auf Basis von Daten erfolgen können und deswegen eine ständige Sichtung der Datenlage nötig ist. Berger schließt seine Darstellung mit dieser Passage:
"Die Versäumnisse des Frühjahrs müssen dringend aufgearbeitet werden. Es war nicht nur die Politik, die auf breiter Ebene versagt hat. Auch die Medien glänzten in diesen Wochen durch eine kritiklose Hofberichterstattung, die stets die Linie der Bundesregierung verteidigt und die Position der Regierung durch Experten-Zitate untermauert hat. Heute hat sich der Kurs um 180 Grad gedreht. Die Linie ist jedoch dieselbe, nur dass die Experten nun andere Namen haben."
Genau darauf kommt es an, darauf kommt es immer an. Wer wird die Verantwortung übernehmen? Was ist aus den Versäumnissen zu schließen? Was kann zukünftig besser gemacht werden?
Sascha Liebermann
"Die Versäumnisse des Frühjahrs müssen dringend aufgearbeitet werden. Es war nicht nur die Politik, die auf breiter Ebene versagt hat. Auch die Medien glänzten in diesen Wochen durch eine kritiklose Hofberichterstattung, die stets die Linie der Bundesregierung verteidigt und die Position der Regierung durch Experten-Zitate untermauert hat. Heute hat sich der Kurs um 180 Grad gedreht. Die Linie ist jedoch dieselbe, nur dass die Experten nun andere Namen haben."
Genau darauf kommt es an, darauf kommt es immer an. Wer wird die Verantwortung übernehmen? Was ist aus den Versäumnissen zu schließen? Was kann zukünftig besser gemacht werden?
Sascha Liebermann
13. März 2020
Ein weiteres Beispiel: Aktien vs. Bedingungsloses Grundeinkommen
Auf den Nachdenkseiten weist Albrecht Müller darauf hin, wie vor wenigen Wochen noch u.a. von der Börsenjournalistin Anja Kohl Aktien als gute Anlageform beworben wurden. Aber gut wofür? Betrachtet man die Entwicklung des Deutschen Aktienindexes erkennt man schnell die Schwankungen ganz besonders nach 1980. Wer jedoch von dieser Anlageform abhängig ist, um sein regelmäßiges Auskommen zu sichern, hätte in einer Abwärtsbewegung der Börse wie jüngst schnell das Nachsehen. Dagegen ist die Rente besser gefeit, ein Bedingungsloses Grundeinkommen wäre aber noch weitreichender, würde breiter wirken und langfristig - gerade in der jetzigen Situation.
Sascha Liebermann
Sascha Liebermann
13. Dezember 2019
Meinungsumfragen? Grenzen der Methodik und Manipulation
Diese Frage kommt einem angesichts eines Negativbeispiels wieder in den Sinn, auf das Norbert Häring aufmerksam gemacht hat. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa, ein sehr bekanntes in der Branche, ist durch eine, wie Häring es darstellt, manipulative Frage anlässlich einer Umfrage zum neuen SPD-Vorstand aufgefallen (siehe auch diesen Beitrag dazu von Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten). Ein Pretest, wie er bei standardisierten Befragungen üblich ist, kann diese Beschränkung nicht aufheben, ist lediglich ein Versuch, die Problematik etwas zu mildern. Es handelt sich schlicht um eine methodische Beschränkung dieser Art der Forschung.
Die Ausarbeitung von Fragebögen ist eine diffizile Angelegenheit, sowohl was die Trennschärfe der darin verwendeten Begriffe betrifft als auch die Suggestivität derselben. Heikel ist auch, dass nicht wirklich erfasst werden kann, wie Befragte die Fragen verstanden haben, das lässt das Instrument nicht zu, bietet es doch nur Antwortskalen an, die Befragten kommen nicht in ihrer Sprache zu Wort. Das ist ein entscheidender Punkt, weshalb diese Art von Befragungen keine wirklich aufschlussreichen Einsichten erlaubt. Darüber hinaus fragen sie nur Meinungen ab, sie sind oberflächlich, erlauben keine Rückschlüsse auf konkrete Deutungsmuster, die für die Entscheidungsfindung, also für Handeln, maßgeblich sind. Im Grunde könnte man ganz auf sie verzichten.
Siehe meinen früheren Beitrag "Meinungsumfragen und Pseudo-Wirklichkeiten"
Sascha Liebermann
Die Ausarbeitung von Fragebögen ist eine diffizile Angelegenheit, sowohl was die Trennschärfe der darin verwendeten Begriffe betrifft als auch die Suggestivität derselben. Heikel ist auch, dass nicht wirklich erfasst werden kann, wie Befragte die Fragen verstanden haben, das lässt das Instrument nicht zu, bietet es doch nur Antwortskalen an, die Befragten kommen nicht in ihrer Sprache zu Wort. Das ist ein entscheidender Punkt, weshalb diese Art von Befragungen keine wirklich aufschlussreichen Einsichten erlaubt. Darüber hinaus fragen sie nur Meinungen ab, sie sind oberflächlich, erlauben keine Rückschlüsse auf konkrete Deutungsmuster, die für die Entscheidungsfindung, also für Handeln, maßgeblich sind. Im Grunde könnte man ganz auf sie verzichten.
Siehe meinen früheren Beitrag "Meinungsumfragen und Pseudo-Wirklichkeiten"
Sascha Liebermann
11. Dezember 2019
"Springers Kampf für die Vermögenden – Manipulation im Reinformat"...
...ein informativer Beitrag auf den Nachdenkseiten von Jens Berger, der sich damit beschäftigt, wie verschiedene Beiträge auf Welt Online sich bemühen, die Vermögens- und Einkommensungleichheit kleinzureden bzw. zu rechtfertigen und dies mit Hilfe unbrauchbarer Daten tun.
23. Oktober 2019
"Manipulation mit der „Lebenserwartung“ in der Rentendiskussion"...
...Jens Berger auf den Nachdenkseiten über den jüngsten Vorschlag der Deutschen Bundesbank zur Erhöhung des Renteneintrittsalters bis zum Jahr 2070. Die Ausführungen Bergers lassen erkennen, welch voraussetzungsvolle, in diesem Falle nicht einmal mit statistischen Daten gedeckte Annahmen in die Berechnungen Eingang gefunden haben. Die Tücken von Statistik werden allzu deutlich, auch wenn nicht selten gerade solche Berechnungen gerne als "Fakten" betrachtet werden.
Siehe auch den Beitrag von Gerd Bosbach von Anfang dieses Jahres zur gleichen Thematik hier.
Sascha Liebermann
Siehe auch den Beitrag von Gerd Bosbach von Anfang dieses Jahres zur gleichen Thematik hier.
Sascha Liebermann
17. September 2019
"Lassen Sie uns doch mal über Verkehr reden" - Dienstwagenprivileg und CO2-Besteuerung...
...darum geht es in einem Beitrag von Jens Berger, Redakteur der Nachdenkseiten. Er gibt Einblicke in die Steuergesetzgebung und die Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen - hier anzusetzen, so der Autor, biete einen viel markanteren Ansatzpunkt, um der Zunahme an Geländewagen im Individualverkehr entgegenzuwirken. Der Beitrag ist deswegen erhellend, weil Lösungsvorschläge, wie sie in der öffentlichen Diskussion kursieren, Stichwort CO2-Besteuerung, in ihrer Wirkung zweifelhaft werden. Deswegen ist es wichtig, den Hintergrund für manche Entwicklung auszuleuchten, wie Berger es tut.
Das lässt sich leicht auf manche Frage in der Grundeinkommensdiskussion übertragen, von der Berger nun nicht allzuviel hält, siehe hier.
Sascha Liebermann
Das lässt sich leicht auf manche Frage in der Grundeinkommensdiskussion übertragen, von der Berger nun nicht allzuviel hält, siehe hier.
Sascha Liebermann
7. Mai 2019
Hysterie, in die Falle gelockt, sehr abstrakte Überlegungen...
...so schätzen manche Kommentatoren die Reaktionen auf das Interview ein, das Kevin Kühnert, JUSO-Vorsitzender, der Zeit gegeben hatte.
Siehe Kommentare zu dem Vorgang z. B. von Jens Berger (Nachdenkseiten), Patrick Bahners (Frankfurter Allgemeinen Zeitung) und Nils Minkmar (Spiegel Online). Wiederum anders sieht es Bahners Kollege Jürgen Kaube. Frank Lübberding hat die jüngste Diskussion bei hart aber fair kommentiert, die zumindest indirekt auf das Kühnert-Interview reagiert.
Sascha Liebermann
Siehe Kommentare zu dem Vorgang z. B. von Jens Berger (Nachdenkseiten), Patrick Bahners (Frankfurter Allgemeinen Zeitung) und Nils Minkmar (Spiegel Online). Wiederum anders sieht es Bahners Kollege Jürgen Kaube. Frank Lübberding hat die jüngste Diskussion bei hart aber fair kommentiert, die zumindest indirekt auf das Kühnert-Interview reagiert.
Sascha Liebermann
19. Februar 2019
"Man mische drei Denkfehler, rühre kräftig...
...und heraus kommt ein jährlicher Zuwanderungsbedarf von mehr als einer Viertelmillion".
Auf den Nachdenkseiten schreibt Jens Berger differenziert über "drei Denkfehler", die jüngst wieder in einer Studie der Bertelsmann Stiftung gemacht wurden und beschäftigt sich mit Prognosen zu 1) Digitalisierung, 2) Fachkräftemangel und 3) Demographie.
Dass Prognosen mit Vorsicht zu genießen sind, ist richtig, sie sind keine Wirklichkeitsaussagen, sondern Szenarien. Für die Forschung sind sie als Datum bedeutungslos, spekulativ im schlechten Sinne. Das gilt nicht nur für übertreibende oder verharmlosende Prognosen. Letztlich lässt sich heute nicht sagen, was die Digitalisierung langfristig bringt, welche Entscheidungen getroffen werden, welche nicht und wie sie getroffen werden. Davon aber hängen die Folgen der Entscheidungen ab. Das ändert sich auch nicht, wenn differenziert modelliert wird, allenfalls hilft das dazu, mögliche Handlungsfolgen auszumachen. Es lässt sich offenbar aber auch nicht entscheiden, ob es nun technologische Arbeitslosigkeit gibt oder nicht, siehe dazu "Geht der Gesellschaft die Arbeit aus?". Siehe auch die "Panik der Babyboomer..."
Rifkins Buch, auf das sich Berger bei Punkt 1) bezieht, trägt den vollen Titel "Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft", Rifkin geht es also nicht um ein Ende, sondern um eine Veränderung der Arbeit. Die These von einem Ende der Arbeit ist ohnehin unsinnig, weil es Arbeit solange gibt, wie es den Menschen gibt. Gemeint ist in dieser Debatte ja meist, auch bei Richard David Precht, eine bestimmte Form der Arbeit.
Sascha Liebermann
Auf den Nachdenkseiten schreibt Jens Berger differenziert über "drei Denkfehler", die jüngst wieder in einer Studie der Bertelsmann Stiftung gemacht wurden und beschäftigt sich mit Prognosen zu 1) Digitalisierung, 2) Fachkräftemangel und 3) Demographie.
Dass Prognosen mit Vorsicht zu genießen sind, ist richtig, sie sind keine Wirklichkeitsaussagen, sondern Szenarien. Für die Forschung sind sie als Datum bedeutungslos, spekulativ im schlechten Sinne. Das gilt nicht nur für übertreibende oder verharmlosende Prognosen. Letztlich lässt sich heute nicht sagen, was die Digitalisierung langfristig bringt, welche Entscheidungen getroffen werden, welche nicht und wie sie getroffen werden. Davon aber hängen die Folgen der Entscheidungen ab. Das ändert sich auch nicht, wenn differenziert modelliert wird, allenfalls hilft das dazu, mögliche Handlungsfolgen auszumachen. Es lässt sich offenbar aber auch nicht entscheiden, ob es nun technologische Arbeitslosigkeit gibt oder nicht, siehe dazu "Geht der Gesellschaft die Arbeit aus?". Siehe auch die "Panik der Babyboomer..."
Rifkins Buch, auf das sich Berger bei Punkt 1) bezieht, trägt den vollen Titel "Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft", Rifkin geht es also nicht um ein Ende, sondern um eine Veränderung der Arbeit. Die These von einem Ende der Arbeit ist ohnehin unsinnig, weil es Arbeit solange gibt, wie es den Menschen gibt. Gemeint ist in dieser Debatte ja meist, auch bei Richard David Precht, eine bestimmte Form der Arbeit.
Sascha Liebermann
28. November 2018
"Hartz IV überwinden oder doch nicht? Doppelzüngige Andrea Nahles"...
...ein Beitrag von Albrecht Müller auf den Nachdenkseiten.
So berechtigt die Kritk ist, so sehr fragt man sich, was denn der Alternativvorschlag wäre? War es etwa im Sozialstaat vor Hartz IV so, das "Recht auf bezahltes Nichtstun", wie Andrea Nahles das nannte, erwünscht war? War nicht im Bundessozialhilfegesetz schon niedergelegt, dass der Leistungsbezieher eine Verpflichtung dazu hat, am Verlassen des Leistungsbezugs mitzuwirken? Wer von einer "repressionsfreien Grund- oder Mindestsicherung" redet, wie es manche tun, die Hartz IV kritisieren, muss sich fragen lassen, ob er auf Sanktionen ganz verzichten will, denn nur dann wäre es möglich, sich von der disziplinierenden Aufgabe der Sozialgesetzgebung zu verabschieden. Dann wäre es tatsächlich möglich, sein Leben in der Grundsicherung zu verbringen, ganz nah dran am Bedingungslosen Grundeinkommen. Mir ist nicht bekannt, dass die Nachdenkseiten dafür Sympathien bislang gehabt hätten.
Sascha Liebermann
So berechtigt die Kritk ist, so sehr fragt man sich, was denn der Alternativvorschlag wäre? War es etwa im Sozialstaat vor Hartz IV so, das "Recht auf bezahltes Nichtstun", wie Andrea Nahles das nannte, erwünscht war? War nicht im Bundessozialhilfegesetz schon niedergelegt, dass der Leistungsbezieher eine Verpflichtung dazu hat, am Verlassen des Leistungsbezugs mitzuwirken? Wer von einer "repressionsfreien Grund- oder Mindestsicherung" redet, wie es manche tun, die Hartz IV kritisieren, muss sich fragen lassen, ob er auf Sanktionen ganz verzichten will, denn nur dann wäre es möglich, sich von der disziplinierenden Aufgabe der Sozialgesetzgebung zu verabschieden. Dann wäre es tatsächlich möglich, sein Leben in der Grundsicherung zu verbringen, ganz nah dran am Bedingungslosen Grundeinkommen. Mir ist nicht bekannt, dass die Nachdenkseiten dafür Sympathien bislang gehabt hätten.
Sascha Liebermann
22. November 2018
"Abschaffung Hartz IV: Die Wächter über den neoliberalen ‚Sozialstaat‘ melden sich zu Wort"...
...so der treffende Titel eines Beitrag von Marcus Klöckner auf den Nachdenkseiten. Klöckner führt manche Stimme an, die sich auf den Vorschlag Robert Habecks, eine Garantiesicherung einzuführen, zu Wort gemeldet hat bislang. Es kommt einem vor, als würden sich die Anhänger des missverstandenen Paulus-Zitats "Wer nicht arbeiten will [das Modalverb wird meist ausgelassen, SL], soll auch nicht essen" erheben. Doch Klöckner trifft mit dem wenig hilfreichen Attribut "neoliberal" nicht die Sache, denn der erwerbszentrierte Sozialstaat hat von Anbeginn auf Arbeitsverpflichtung gesetzt, das kam nicht durch die Agenda 2010 in die Welt. Wer den alten Sozialstaat diesbezüglich verteidigt, verklärt ihn, ganz wie die Befürworter einer repressionsfreien Grundsicherung (siehe auch hier), die kein Bedingungsloses Grundeinkommen wollen, aber eine Grundsicherung ohne Sanktionen, die zugleich dem Erwerbsgebot dient. Das ist ein Widerspruch in sich. Klöckner beschließt seinen Beitrag hiermit:
"Aussagen wie die hier angeführten [die Verteidigung der Sanktionen gegen ihre Abschaffung, SL] sind sicherlich nicht neu und waren zu erwarten. Aber sie lassen erahnen, dass diejenigen in der Gesellschaft, die Probleme mit einem Sozialstaat haben, in dem die Menschenwürde im Vordergrund steht, mit Argusaugen über ihre neoliberale Vorstellung von „Sozialstaat“ wachen. Sollten Pläne einer Abschaffung von Hartz IV weiter Gestalt annehmen, ist zu erwarten, dass es einen massiven Widerstand geben wird – vermutlich auch wieder unter Schützenhilfe großer Medien. Die rhetorischen Scharfmacher, Sozialstaatshasser, Rechtsausleger, Vorurteilsschürer und Klassenkämpfer von oben werden zur Stelle sein."
Im Sozialstaat heutiger Strickart steht nicht die Menschenwürde im Zentrum, schon gar nicht als solche, sie bleibt stets geknüpft an die Erwerbsverpflichtung. Autoren, auf die die Nachdenkseiten gerne Bezug nehmen wie Christoph Butterwegge, Roberto DeLapuente u.a. argumentierten bislang für die Erwerbsverpflichtung. Wer eine solche befürwortet, muss sie auch durchsetzen, dazu benötigt es Instrumente wie die der Sanktionen. Schöne Worte helfen nicht, um Sanktionen loszuwerden, ein Blick auf die Struktur des erwerbszentrierten Sozialstaats zeigt, woran wir sind, solange wir ihn haben.
Sascha Liebermann
"Aussagen wie die hier angeführten [die Verteidigung der Sanktionen gegen ihre Abschaffung, SL] sind sicherlich nicht neu und waren zu erwarten. Aber sie lassen erahnen, dass diejenigen in der Gesellschaft, die Probleme mit einem Sozialstaat haben, in dem die Menschenwürde im Vordergrund steht, mit Argusaugen über ihre neoliberale Vorstellung von „Sozialstaat“ wachen. Sollten Pläne einer Abschaffung von Hartz IV weiter Gestalt annehmen, ist zu erwarten, dass es einen massiven Widerstand geben wird – vermutlich auch wieder unter Schützenhilfe großer Medien. Die rhetorischen Scharfmacher, Sozialstaatshasser, Rechtsausleger, Vorurteilsschürer und Klassenkämpfer von oben werden zur Stelle sein."
Im Sozialstaat heutiger Strickart steht nicht die Menschenwürde im Zentrum, schon gar nicht als solche, sie bleibt stets geknüpft an die Erwerbsverpflichtung. Autoren, auf die die Nachdenkseiten gerne Bezug nehmen wie Christoph Butterwegge, Roberto DeLapuente u.a. argumentierten bislang für die Erwerbsverpflichtung. Wer eine solche befürwortet, muss sie auch durchsetzen, dazu benötigt es Instrumente wie die der Sanktionen. Schöne Worte helfen nicht, um Sanktionen loszuwerden, ein Blick auf die Struktur des erwerbszentrierten Sozialstaats zeigt, woran wir sind, solange wir ihn haben.
Sascha Liebermann
15. November 2018
"Journalisten wollen nicht am Leistungsmythos rütteln"...
...ein Interview mit dem Journalisten Christian Baron auch darüber, wie die Einkommenssituation von Journalisten ist, geführt von Markus Klöckner für die Nachdenkseiten. Christan Baron hatte jüngst einen Beitrag in der Freitag mit dem Titel "Sie nannten uns Sozialhilfe-Adel".
9. November 2018
"Zwölf Jahre arbeiten, ein Jahr frei" - ein erneuter Enterversuch mit einer Politik für Besserverdiener
Man mag sich die Augen reiben ob der Entwicklung in der SPD, wie nun innerhalb eines Jahres schon der zweite Vorschlag unterbreitet wurde, der das Schlagwort "Grundeinkommen" aufgreift. Offenbar sind es die positiven Konnotationen des Wortes, die dazu Anlass geben. Gleichwohl ist etwas anderes drin in diesem Grundeinkommen als im Bedingungslosen Grundeinkommen, denn schießlich muss man es sich verdienen, wie Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, in seinem Interview mit Zeit Online darlegt (siehe auch hier). Mittlerweile liegt ein detaillierteres Faltblatt vor. Damit rückt es in die Nähe eines "Chancenkontos". Mit dem "Grundeinkommen" wird hier Schindluder getrieben, um die eigenen Vorschläge rhetorisch attraktiver zu machen. Das spricht dafür, dass das Schlagwort mittlerweile durchaus positiv besetzt ist. An einer Stelle heißt es:
"ZEIT ONLINE: Wem wollen Sie damit helfen?
Klingbeil: Prinzipiell kann das Grundeinkommensjahr von allen Beschäftigten in ganz unterschiedlichen Berufsgruppen und Lebenssituationen genutzt werden. Es würde zum Beispiel Menschen helfen, die in sozialen Berufen arbeiten. Auch Menschen aus dem Kreativbereich würden profitieren. Es ist kein Modell für Reiche."
"Kein Modell für Reiche" - das müsste also bedeuten, dass auch diejenigen mit niedrigen Erwerbseinkommen es sich leisten können sollten. Ist das realistisch? Es klingt ganz nach dem Elterngeld, auch wenn Klingbeils Vorschlag nicht als Lohnersatzleistung konstruiert ist. Doch das Elterngeld, wie sein Vorschlag ebenso, setzt voraus, in der Zeit der Erwerbstätigkeit soviel ansparen zu können, dass das Elterngeld wie eben das Grundeinkommen in dem einen Bezugsjahr durch Erspartes ergänzt werden kann. Wer aber kann über diese Dauer entsprechend ansparen? Das setzt doch ein bestimmtes Einkommensniveau voraus. Folgerichtig die Rückfrage:
"ZEIT ONLINE: Aber von 1.000 Euro im Monat kann man als Alleinstehende kaum leben. Handelt es sich dann nicht doch eher um ein Angebot für Menschen, die auch auf Erspartes zurückgreifen können?
Klingbeil: Alle, die gut verdienen und ihren Lebensstandard halten wollen, können sich darauf vorbereiten und zusätzlich Geld ansparen. Das Grundeinkommensjahr ist finanziell vor allem für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen interessant, weil der Abstand zum vorherigen Lohn kleiner ist als bei Besserverdienern."
Wie? Aha! Ein direkter Selbstwiderspruch. Es ist also zwar nicht für "Reiche", aber für Gutverdiener. Wie geht das mit der Bemerkung zusamen, es sei "vor allem für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen interessant"? Entweder ist das nicht durchdacht oder gezielt irreführend. Klingbeil setzt hiermit eine Politik fort, die gerade nicht denjenigen hilft, die geringe Einkommen haben. Direkt im Anschluss an diese Passage wird er nach dem BGE gefragt, das in der SPD Befürworter habe:
"Ich habe Verständnis für die Motive, die hinter der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen stecken: der Wunsch, Stress zu reduzieren und mehr Zeit für sich oder ein Ehrenamt zu haben. Diese Gedanken nehme ich mit dem Grundeinkommensjahr auf."
Er benennt hier zwar Aspekte eines BGE, doch lässt er Vieles aus. Familie scheint keine Rolle zu spielen, sie leidet heute aber am meisten unter dem Erwerbsgebot und wird immer weiter in die Enge getrieben. Dass ein BGE das Solidarverständnis der Demokratie stärken würde, in jeder Hinsicht innovationsfördernd sein könnte, unbezahlte Arbeit aus ihrem Schattendasein holte (ohne ein Bezahlung zu sein und zugleich ihre Notwendigkeit anerkennen würde) und manches mehr - man sucht vergeblich. Dann heißt es:
"Aber ich bin auch davon überzeugt, dass Arbeit einen ganz zentralen Wert hat. Es hat ja einen Grund, dass man Leute, die man neu kennenlernt, oft zuerst nach ihrem Beruf fragt. Arbeit stiftet Identität, Selbstwertgefühl und hält unsere Gesellschaft zusammen."
Das ist aber Resultat des Erwerbsgebots mit allen Folgen der Entwertung und Pervertierung nicht-erwerbsförmiger Tätigkeiten (siehe hier). Nicht die "Arbeit" hält unsere Gesellschaft zusammen, sondern die bedingungslose Anerkennung der Bürger als Träger der politischen Ordnung. Jeder Erwerbstätige ist austauschbar und im Wertschöpfungsgeschehen nur von Bedeutung, solange er dazu beiträgt. Für Wertschöpfungsprozesse und ein Leistungsethos ist es entscheidend, dass es um die Sache selbst geht, nicht um Personen. Gerade die Personalisierung im Wertschöpfungsprozess ist Zeichen einer Entwertung des Leistungsethos, denn für es ist nicht entscheidend, wie Güter- und Dienstleistungen zustandekommen, entscheidend ist, dass es sie gibt. Und, da wäre Klingbeil zuzustimmen, eine solche Erfahrung kann erfüllend sein. Sie stiftet aber nicht den vielbeschworenen "Kitt". Klingsbeils Haltung ist, wie jede Form von "Sozial ist, was Arbeit schafft" gerade nicht leistungsfördernd, sie ist leistungshemmend.
Jens Berger von den Nachdenkseiten kommentiert den Beitrag ebenfalls treffend und macht deutlich, wie dieser Vorschlag eines Grundeinkommensjahres doch wieder auf eine Politik für Besserverdiener hinausläuft. Die SPD hat diejenigen aus den Augen verloren, die um ihr Einkommen kämpfen müssen. An einer Stelle aber Bergers Kommentar indes schief bzw. vorurteilsbehaftet:
"Aber warum sollte die Krankenschwester mit ihren Steuern die Auszeit des Chefarztes mit einem „Taschengeld“ subventionieren, der gerne mal ein Jahr am Stück die Welt bereisen würde?"
Reformulieren wir das etwas: Warum sollte der Grundfreibetrag in der Einkommenssteuer auch dem Chefarzt gewährt werden, der ihn doch nicht braucht? Immerhin stellt dieser Freibetrag einen Besteuerungsverzicht dar, also für den Staat weniger Einnahmen. Ein Besteuerungsverzicht, den auch die Krankenschwester zu tragen hat, wie allen anderen. Wenn wir Bergers Gedankengang weiterführten, dann müsste der Grundfreibetrag ab einem bestimmten Jahreseinkommen gestrichen werden - dann nämlich, wenn jemand ihn nicht mehr "braucht". Es handelt sich dabei aber um eine Leistung, deren Legitimationsquelle die Unangreifbarkeit des Existenzminimums ist, es soll nicht besteuert werden. Genau das wäre ja der Grund, weshalb ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle bereitstehen und nicht vom Bedarf abhängig sein sollte. Wie man darüber hinaus Leistungen oder Steuern gestaltet, ist eine separate Frage.
Anders als Klingbeil in seiner Arbeitsgesellschaftsdenke meint, sind in einer Demokratie nicht die Erwerbstätigen Träger der politischen Ordnung, es sind die Bürger. Deswegen sind sie auch nicht substituierbar. Ihr Status hängt weder von Leistung noch von Engagment ab. Der Status ist direkt mit der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen verbunden. Es ist bezeichnend und wohl gerade ein Symptom für die Krise des Politischen, wenn Klingbeil das in dieser Passage ebenso wenig sieht wie viele andere. Man muss, wie an diesem Vorschlag zu sehen ist, das BGE gegen seine vollständige Verkehrung ins Gegenteil verteidigen, damit seine Möglichkeiten nicht verschüttet werden. Es sind zugleich die Möglichkeiten der Demokratie.
Sascha Liebermann
"ZEIT ONLINE: Wem wollen Sie damit helfen?
Klingbeil: Prinzipiell kann das Grundeinkommensjahr von allen Beschäftigten in ganz unterschiedlichen Berufsgruppen und Lebenssituationen genutzt werden. Es würde zum Beispiel Menschen helfen, die in sozialen Berufen arbeiten. Auch Menschen aus dem Kreativbereich würden profitieren. Es ist kein Modell für Reiche."
"Kein Modell für Reiche" - das müsste also bedeuten, dass auch diejenigen mit niedrigen Erwerbseinkommen es sich leisten können sollten. Ist das realistisch? Es klingt ganz nach dem Elterngeld, auch wenn Klingbeils Vorschlag nicht als Lohnersatzleistung konstruiert ist. Doch das Elterngeld, wie sein Vorschlag ebenso, setzt voraus, in der Zeit der Erwerbstätigkeit soviel ansparen zu können, dass das Elterngeld wie eben das Grundeinkommen in dem einen Bezugsjahr durch Erspartes ergänzt werden kann. Wer aber kann über diese Dauer entsprechend ansparen? Das setzt doch ein bestimmtes Einkommensniveau voraus. Folgerichtig die Rückfrage:
"ZEIT ONLINE: Aber von 1.000 Euro im Monat kann man als Alleinstehende kaum leben. Handelt es sich dann nicht doch eher um ein Angebot für Menschen, die auch auf Erspartes zurückgreifen können?
Klingbeil: Alle, die gut verdienen und ihren Lebensstandard halten wollen, können sich darauf vorbereiten und zusätzlich Geld ansparen. Das Grundeinkommensjahr ist finanziell vor allem für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen interessant, weil der Abstand zum vorherigen Lohn kleiner ist als bei Besserverdienern."
Wie? Aha! Ein direkter Selbstwiderspruch. Es ist also zwar nicht für "Reiche", aber für Gutverdiener. Wie geht das mit der Bemerkung zusamen, es sei "vor allem für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen interessant"? Entweder ist das nicht durchdacht oder gezielt irreführend. Klingbeil setzt hiermit eine Politik fort, die gerade nicht denjenigen hilft, die geringe Einkommen haben. Direkt im Anschluss an diese Passage wird er nach dem BGE gefragt, das in der SPD Befürworter habe:
"Ich habe Verständnis für die Motive, die hinter der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen stecken: der Wunsch, Stress zu reduzieren und mehr Zeit für sich oder ein Ehrenamt zu haben. Diese Gedanken nehme ich mit dem Grundeinkommensjahr auf."
Er benennt hier zwar Aspekte eines BGE, doch lässt er Vieles aus. Familie scheint keine Rolle zu spielen, sie leidet heute aber am meisten unter dem Erwerbsgebot und wird immer weiter in die Enge getrieben. Dass ein BGE das Solidarverständnis der Demokratie stärken würde, in jeder Hinsicht innovationsfördernd sein könnte, unbezahlte Arbeit aus ihrem Schattendasein holte (ohne ein Bezahlung zu sein und zugleich ihre Notwendigkeit anerkennen würde) und manches mehr - man sucht vergeblich. Dann heißt es:
"Aber ich bin auch davon überzeugt, dass Arbeit einen ganz zentralen Wert hat. Es hat ja einen Grund, dass man Leute, die man neu kennenlernt, oft zuerst nach ihrem Beruf fragt. Arbeit stiftet Identität, Selbstwertgefühl und hält unsere Gesellschaft zusammen."
Das ist aber Resultat des Erwerbsgebots mit allen Folgen der Entwertung und Pervertierung nicht-erwerbsförmiger Tätigkeiten (siehe hier). Nicht die "Arbeit" hält unsere Gesellschaft zusammen, sondern die bedingungslose Anerkennung der Bürger als Träger der politischen Ordnung. Jeder Erwerbstätige ist austauschbar und im Wertschöpfungsgeschehen nur von Bedeutung, solange er dazu beiträgt. Für Wertschöpfungsprozesse und ein Leistungsethos ist es entscheidend, dass es um die Sache selbst geht, nicht um Personen. Gerade die Personalisierung im Wertschöpfungsprozess ist Zeichen einer Entwertung des Leistungsethos, denn für es ist nicht entscheidend, wie Güter- und Dienstleistungen zustandekommen, entscheidend ist, dass es sie gibt. Und, da wäre Klingbeil zuzustimmen, eine solche Erfahrung kann erfüllend sein. Sie stiftet aber nicht den vielbeschworenen "Kitt". Klingsbeils Haltung ist, wie jede Form von "Sozial ist, was Arbeit schafft" gerade nicht leistungsfördernd, sie ist leistungshemmend.
Jens Berger von den Nachdenkseiten kommentiert den Beitrag ebenfalls treffend und macht deutlich, wie dieser Vorschlag eines Grundeinkommensjahres doch wieder auf eine Politik für Besserverdiener hinausläuft. Die SPD hat diejenigen aus den Augen verloren, die um ihr Einkommen kämpfen müssen. An einer Stelle aber Bergers Kommentar indes schief bzw. vorurteilsbehaftet:
"Aber warum sollte die Krankenschwester mit ihren Steuern die Auszeit des Chefarztes mit einem „Taschengeld“ subventionieren, der gerne mal ein Jahr am Stück die Welt bereisen würde?"
Reformulieren wir das etwas: Warum sollte der Grundfreibetrag in der Einkommenssteuer auch dem Chefarzt gewährt werden, der ihn doch nicht braucht? Immerhin stellt dieser Freibetrag einen Besteuerungsverzicht dar, also für den Staat weniger Einnahmen. Ein Besteuerungsverzicht, den auch die Krankenschwester zu tragen hat, wie allen anderen. Wenn wir Bergers Gedankengang weiterführten, dann müsste der Grundfreibetrag ab einem bestimmten Jahreseinkommen gestrichen werden - dann nämlich, wenn jemand ihn nicht mehr "braucht". Es handelt sich dabei aber um eine Leistung, deren Legitimationsquelle die Unangreifbarkeit des Existenzminimums ist, es soll nicht besteuert werden. Genau das wäre ja der Grund, weshalb ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle bereitstehen und nicht vom Bedarf abhängig sein sollte. Wie man darüber hinaus Leistungen oder Steuern gestaltet, ist eine separate Frage.
Anders als Klingbeil in seiner Arbeitsgesellschaftsdenke meint, sind in einer Demokratie nicht die Erwerbstätigen Träger der politischen Ordnung, es sind die Bürger. Deswegen sind sie auch nicht substituierbar. Ihr Status hängt weder von Leistung noch von Engagment ab. Der Status ist direkt mit der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen verbunden. Es ist bezeichnend und wohl gerade ein Symptom für die Krise des Politischen, wenn Klingbeil das in dieser Passage ebenso wenig sieht wie viele andere. Man muss, wie an diesem Vorschlag zu sehen ist, das BGE gegen seine vollständige Verkehrung ins Gegenteil verteidigen, damit seine Möglichkeiten nicht verschüttet werden. Es sind zugleich die Möglichkeiten der Demokratie.
Sascha Liebermann
15. Oktober 2018
"Eine illusionäre Forderung und keine soziale Alternative – Gewerkschaftliche Argumente gegen das Grundeinkommen"...
...ein Beitrag von Ralf Krämer, Gewerkschaftssekretär beim ver.di-Bundesvorstand, den die Nachdenkseiten abgedruckt haben, und der aus dem jüngst erschienen Buch "Grundeinkommen kontrovers.Plädoyers für und gegen ein neues Sozialmodell", herausgegeben von Christoph Butterwegge und Kuno Rinke, stammt. Krämer war auch Mitautor einer Stellungnahme zum BGE von ver.di im vergangenen Jahr, siehe hier.
4. Oktober 2018
..."das Bedingungsloses Grundeinkommen - eine gefährliche Chimäre"...
...so Elmar Wiegand in seiner Besprechung des Buches von David Graeber, "Bullshit-Jobs", die auf den Nachdenkseiten am 30. September veröffentlicht wurde. Gegen Ende kommt er auf das BGE zu sprechen, da heißt es:
"Graeber fordert am Ende gar das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – eine gefährliche Chimäre, die in Deutschland vermutlich erst von der linken Agenda verschwinden wird, sobald sich die AfD dieses Thema auf die Fahnen schreibt."
Das BGE ist gar nicht Bestandteil "der linken Agenda", sondern nur von manchen Befürwortern auf Seiten der Linken, wie auch immer das eingegrenzt wird. Weshalb wäre es ein Grund, das BGE aufzugeben, nur weil die AfD es befürworten könnte? Die Frage wäre, was drin steckt, wenn die AfD es aufgreift, bislang spricht nichts dafür, dass sie es tun würde. Es kann doch nicht entscheidend sein für einen Vorschlag, von welcher Seite er vorgebracht oder befürwortet wird, sondern was ihn von der Sache her ausmacht. Alles andere läuft auf kindische Selbstblockade hinaus.
"Das BGE ist eigentlich wie geschaffen für die Propaganda eines Bernd Höcke und seiner völkischen Gewerkschaftsinitiative ALARM! (Alternative Arbeitnehmervereinigung Mitteldeutschland). Wenn man das bedingungslose Grundeinkommen mit dem Zusatz „nur für Deutsche“ versieht, entsteht dadurch fast automatisch der perfekte Apartheidsstaat."
An dieser Passage lässt sich gut erkennen, welche Probleme manche Kreise mit der Demokratie und ihrem Verständnis von Zugehörigkeit haben. "Deutscher" ist nach dem Grundgesetz, wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat, es handelt sich um einen universalistischen Status, der weder ethnisch noch verwandschaftlich verankert ist. Deswegen kann er man ihn durch Beantragung erhalten, sofern bestimmte Mindestbedingungen erfüllt sind. Wenn folglich ein BGE auf deutsche Staatsbürger beschränkt würde, hätte das Folgen für die Wahrnehmung von Autonomie und Selbstbestimmung derer, die keine Staatsbürger sind. Diejenigen, die eines bezögen, würden gestärkt, die anderen geschwächt. Das wäre nach der Verfasstheit unserer politischen Ordnung undemokratisch. Wiegand baut hier einen Popanz auf, um das BGE in die rechte Ecke zu stellen. Ein leicht durchschaubares Manöver ohne Argumente und damit eine schöne Einladung für die AfD.
Was schreibt er noch?
"Auch gibt es bereits eine neoliberale, scheinbar freundliche Variante. Graeber kennt den Boss der Drogeriekette dm, Götz Werner, offenbar ebensowenig wie die Strategen bei der Deutschen Post / DHL und ihren „Glücksatlas“. Diese Strategen sahen schon den Mindestlohn als Aufforderung, keinen Tariflohn mehr zu zahlen, und sie sehen im nächsten Schritt das BGE als Chance, überhaupt keinen Lohn mehr zu zahlen, sondern nur noch ein Taschengeld. Der viel geschmähte Staat – Graeber ist bekennender Anarchist – soll einmal mehr die volle Sorge und Verantwortung für Proleten und Überflüssige übernehmen – inklusive aller Kosten."
Sollen etwa Unternehmen darüber befinden, was wird? Worauf will Wiegand hinaus? Wenn die Bürger nicht einverstanden sind, mit dem was Wiegand befürchtet, müssen sie sich dagegen wenden. Wer sonst könnte denn die "Sorge und Verantwortung" verbindlich gestalten, wenn nicht "der Staat" als Gemeinschaft der Bürger, die den Souverän bilden? Hat nicht "der Staat" den Mindestlohn eingeführt, den wir heute haben? Dass gerade ein BGE ein Instrument sein kann, damit sich Arbeitnehmer besser wehren können als heute, lässt Wiegands Eifer dagegen offenbar nicht zu.
Dass Graeber den Staat schmäht, läuft auf einen Selbstwiderspruch hinaus, wenn dieser Staat zugleich Garant eines BGE werden sollte. Worauf will Wiegand nun hinaus? Dass sich der Staat etwa zurückhalten sollte? Hier seine Antwort:
"Statt ausgerechnet nach einem wohlmeinenden, starken Staat zu rufen – Wer sonst soll ein BGE einführen, garantieren und umsetzen? [Wer sonst soll politische Entscheidungen umsetzen? SL] – sollten wir herausfinden, welches Widerstandspotential sich aus dem tiefgreifenden Frust schöpfen ließe, den Bullshit-Job-Betroffene in sich tragen müssen. Um zu Andersens Märchen zurückzukehren: Sobald das gemeine Volk [Wer ist das nun? Höckes Version der Bürger oder die Staatsbürger? SL] erkannt hat, dass der Kaiser nackt dasteht und sein Hofstaat aus Speichelleckern und Narren besteht, ist die Herrschaft in den Köpfen bereits zerplatzt und der Weg zum Aufstand nicht mehr weit. Ob dieser Aufstand emanzipatorisch sein wird, ob Menschen zu solidarischem Handeln fähig sind, die jahrelang Kollegialität bloß simuliert haben, wieviel Bullshit-Deformation sich möglicherweise bereits in der gegenwärtigen Pegida-Welle findet, gilt es herauszufinden."
Ist denn dieses Volk letztlich ein anderes als dasjenige, das heute den Staat trägt, der ohne das Volk schlicht gar nicht wäre? Wiegand räumt doch selbst ein, dass es von den Bürgern abhängt, wofür sie streiten und was zu tragen sie bereit sind. Wenn es ein BGE wäre, welcher Gestalt auch immer, dann wäre es so. Wäre es ein anderer Vorschlag, z. B. eine Verschärfung von "Hartz IV", dann wäre das eben so. Und was heißt denn emanzipatorisch? Ein schönes Wort, ohne spezifischen Inhalt angesichts der politischen Grundordnung, in der wir leben.
Sascha Liebermann
"Graeber fordert am Ende gar das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – eine gefährliche Chimäre, die in Deutschland vermutlich erst von der linken Agenda verschwinden wird, sobald sich die AfD dieses Thema auf die Fahnen schreibt."
Das BGE ist gar nicht Bestandteil "der linken Agenda", sondern nur von manchen Befürwortern auf Seiten der Linken, wie auch immer das eingegrenzt wird. Weshalb wäre es ein Grund, das BGE aufzugeben, nur weil die AfD es befürworten könnte? Die Frage wäre, was drin steckt, wenn die AfD es aufgreift, bislang spricht nichts dafür, dass sie es tun würde. Es kann doch nicht entscheidend sein für einen Vorschlag, von welcher Seite er vorgebracht oder befürwortet wird, sondern was ihn von der Sache her ausmacht. Alles andere läuft auf kindische Selbstblockade hinaus.
"Das BGE ist eigentlich wie geschaffen für die Propaganda eines Bernd Höcke und seiner völkischen Gewerkschaftsinitiative ALARM! (Alternative Arbeitnehmervereinigung Mitteldeutschland). Wenn man das bedingungslose Grundeinkommen mit dem Zusatz „nur für Deutsche“ versieht, entsteht dadurch fast automatisch der perfekte Apartheidsstaat."
An dieser Passage lässt sich gut erkennen, welche Probleme manche Kreise mit der Demokratie und ihrem Verständnis von Zugehörigkeit haben. "Deutscher" ist nach dem Grundgesetz, wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat, es handelt sich um einen universalistischen Status, der weder ethnisch noch verwandschaftlich verankert ist. Deswegen kann er man ihn durch Beantragung erhalten, sofern bestimmte Mindestbedingungen erfüllt sind. Wenn folglich ein BGE auf deutsche Staatsbürger beschränkt würde, hätte das Folgen für die Wahrnehmung von Autonomie und Selbstbestimmung derer, die keine Staatsbürger sind. Diejenigen, die eines bezögen, würden gestärkt, die anderen geschwächt. Das wäre nach der Verfasstheit unserer politischen Ordnung undemokratisch. Wiegand baut hier einen Popanz auf, um das BGE in die rechte Ecke zu stellen. Ein leicht durchschaubares Manöver ohne Argumente und damit eine schöne Einladung für die AfD.
Was schreibt er noch?
"Auch gibt es bereits eine neoliberale, scheinbar freundliche Variante. Graeber kennt den Boss der Drogeriekette dm, Götz Werner, offenbar ebensowenig wie die Strategen bei der Deutschen Post / DHL und ihren „Glücksatlas“. Diese Strategen sahen schon den Mindestlohn als Aufforderung, keinen Tariflohn mehr zu zahlen, und sie sehen im nächsten Schritt das BGE als Chance, überhaupt keinen Lohn mehr zu zahlen, sondern nur noch ein Taschengeld. Der viel geschmähte Staat – Graeber ist bekennender Anarchist – soll einmal mehr die volle Sorge und Verantwortung für Proleten und Überflüssige übernehmen – inklusive aller Kosten."
Sollen etwa Unternehmen darüber befinden, was wird? Worauf will Wiegand hinaus? Wenn die Bürger nicht einverstanden sind, mit dem was Wiegand befürchtet, müssen sie sich dagegen wenden. Wer sonst könnte denn die "Sorge und Verantwortung" verbindlich gestalten, wenn nicht "der Staat" als Gemeinschaft der Bürger, die den Souverän bilden? Hat nicht "der Staat" den Mindestlohn eingeführt, den wir heute haben? Dass gerade ein BGE ein Instrument sein kann, damit sich Arbeitnehmer besser wehren können als heute, lässt Wiegands Eifer dagegen offenbar nicht zu.
Dass Graeber den Staat schmäht, läuft auf einen Selbstwiderspruch hinaus, wenn dieser Staat zugleich Garant eines BGE werden sollte. Worauf will Wiegand nun hinaus? Dass sich der Staat etwa zurückhalten sollte? Hier seine Antwort:
"Statt ausgerechnet nach einem wohlmeinenden, starken Staat zu rufen – Wer sonst soll ein BGE einführen, garantieren und umsetzen? [Wer sonst soll politische Entscheidungen umsetzen? SL] – sollten wir herausfinden, welches Widerstandspotential sich aus dem tiefgreifenden Frust schöpfen ließe, den Bullshit-Job-Betroffene in sich tragen müssen. Um zu Andersens Märchen zurückzukehren: Sobald das gemeine Volk [Wer ist das nun? Höckes Version der Bürger oder die Staatsbürger? SL] erkannt hat, dass der Kaiser nackt dasteht und sein Hofstaat aus Speichelleckern und Narren besteht, ist die Herrschaft in den Köpfen bereits zerplatzt und der Weg zum Aufstand nicht mehr weit. Ob dieser Aufstand emanzipatorisch sein wird, ob Menschen zu solidarischem Handeln fähig sind, die jahrelang Kollegialität bloß simuliert haben, wieviel Bullshit-Deformation sich möglicherweise bereits in der gegenwärtigen Pegida-Welle findet, gilt es herauszufinden."
Ist denn dieses Volk letztlich ein anderes als dasjenige, das heute den Staat trägt, der ohne das Volk schlicht gar nicht wäre? Wiegand räumt doch selbst ein, dass es von den Bürgern abhängt, wofür sie streiten und was zu tragen sie bereit sind. Wenn es ein BGE wäre, welcher Gestalt auch immer, dann wäre es so. Wäre es ein anderer Vorschlag, z. B. eine Verschärfung von "Hartz IV", dann wäre das eben so. Und was heißt denn emanzipatorisch? Ein schönes Wort, ohne spezifischen Inhalt angesichts der politischen Grundordnung, in der wir leben.
Sascha Liebermann
7. August 2018
Propaganda, Meinungsmache, Manipulation - ein Interview...
...mit Walter Ötsch zu diesen Fragen ist auf den Nachdenkseiten erschienen. Gleich zu Beginn spricht Ötsch davon, dass jedes Herrschaftssystem auch der "minimalen Zustimmung der Beherrschten" bedürfe, ihre Herzen gewonnen werden müssten. Ötsch ist dann durchaus vorsichtig damit, was als "Propaganda" bezeichnet werden sollte, weil es immer um ein Ringen verschiedener "Machtsysteme" gehe. Manipulation sei erkennbar, die allgegenwärtige Werbung führe auch zu Gegenreaktionen, die Bürger seien also nicht einfach Opfer von Manpulations- und Beeinflussungsversuchen. Was in Lippmanns Worten als "Pseudoumwelt" bezeichnet wirde, könnte man in soziologischen Begriffen als Deutungsmuster bezeichnen (ein komplexeres Phänomen als "frames", über die in jüngerer Zeit viel diskutiert wird; die fram-Theorie tendiert dazu, die Individuen zu Opfern zu machen), denn die Realität eröffnet immer verschiedene Deutungsmöglichkeiten und nicht nur eine. Was dann im hier kurz kommentierten ersten Interviewteil nicht vorkommt, aber wichtig wäre, dass die Deutungsmuster auf Gerechtigkeitskeitsentwürfe verweisen, also auf positiv besetzte Weltdeutungen, die dann bestimmte, an politische Diskussionen anknüpfen müssen. Das gilt z. B. für die Agenda 2010 und ihre Individualisierung von Verantwortung bei Leistungsbeziehern des Arbeitslosengeldes, denn die Beschimpfung von "Sozialschmarotzern" oder "Faulen" ist kein neues Phänomen, es hat eine lange Geschichte. Wer z. B. die Verschärfung der Sozialpolitik mit der Agenda 2010 verstehen will, muss die Deutung von Autonomie und Selbstbestimmung in Deutschland verfolgen, das wird in der Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen deutlich.
Sascha Liebermann
Sascha Liebermann
20. Juli 2018
"Precht versus Butterwegge" - mit zweierlei Maß? Was schreiben die Nachdenkseiten dazu?
Die Nachdenkseiten sind für manches eine interessante Quelle, auch für ihre Anmerkungen zur Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen - aber nicht etwa wegen ihrer differenzierten Einwände, sondern wegen ihrer Einseitigkeit. Jens Berger kommentierte nun das kürzlich abgedruckte Gespräch zwischen Richard David Precht und Christoph Butterwegge so:
"Prechts Äußerungen sind wirklich erschreckend. Man fragt sich unweigerlich, womit er eigentlichen den Ruf eines kritischen Vordenkers verdient hat. Seine Aussagen zum Grundeinkommen schwanken jedenfalls zwischen Banalitäten, Dummheiten und ungeschminktem Sozialrassismus. Dazu passt diese Passage aus dem Gespräch, die im „philosophie Magazin“ abgedruckt wurde …" [An dieser Stelle wird die Passage zitiert, die für Aufsehen gesorgt hat, siehe hier, SL]
Bergers Frage hier ist berechtigt. Weshalb aber sagt er nichts zu Butterwegge, zu seinem Paternalismus und seiner teils grotesken Kritik am BGE? Weshalb kritisierte er für abschätzige Töne nicht Autoren, die auf den Nachdenkseiten gerne zitiert werden, z. B. dieser? Sonst sparen die Nachdenkseiten nicht mit Kritik auch an Positionen, denen sie durchaus nahestehen.
Dass Precht manch interessante Überlegung mit dramatisierenden Szenarios verbindet, kann man als sein "Markenzeichen" betrachten. Manche meinen, seine Bekanntheit bringe wenigstens den Vorschlag weiter voran, insofern könne man doch froh sein. Aber ist bloße Präsenz in den Medien wirklich ein Zeichen von Verbreitung? Hilft Dramatisierung tatsächlich oder verdeckt sie nur die wirklich relevanten Argumente für ein BGE? Die Gewissheit, mit der er seine Diagnosen vorträgt, überdeckt die Waghalsigkeit, die sie nicht selten annehmen. Sein Paternalismus - und im kopierten Abschnitt aus dem "philosophie Magazin" eine geradezu reaktionäre Haltung - ist nicht neu, in Bildungsfragen legte er sie schon früher an den Tag.
Precht wird nun von manchen in Schutz genommen, weil sie den Eindruck haben, dass er zu Unrecht für diese eine Passage übermäßig kritisiert werde. In der Tat sollte man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. An der kritisierten Passage irritiert in meinen Augen weniger, dass er eine Altersgrenze einführt, das ist seine Konzeption mit entsprechenden Folgen für das BGE, die er offenbar nicht sieht, z. B. für Alleinerziehende. Selbst mit einem BGE von 1500 Euro, wie er es ansetzt (wir gehen einmal von gleichbleibenden Kaufkraftverhältnissen aus) liegt er allerdings nicht richtig, wenn er auf Butterwegge antwortet, es sei höher als die Ansprüche einer Familie mit fünf Kindern heute, wie die Berechnungen von Johannes Steffens zu zeigen scheinen. Auch hier also behauptet er einfach etwas.
In meinen Augen gravierender ist die herablassende Haltung, mit der er denjenigen begegnet, die - wie er sagt - keine Perspektive haben und deswegen Kinder in die Welt setzen. Damit rückt er sich selbst in die Nähe derer, die von "Sozialschmarotzern" als großem Problem reden, den Sozialstaat als "Hängematte" betrachten und ähnlichen abfälligen Bemerkungen. Nicht mit einer Silbe geht er an der Stelle darauf ein, dass, wo es eine solche Haltung geben sollte, wohl ganz andere Gründe dafür verantwortlich sind als eine Kosten-Nutzen-Kalkulation. Aus einem solchen Randphänomen abzuleiten, dass es gar kein BGE für Kinder geben solle - also von der Ausnahme auf die Regel zu schließen - widerspricht den sonstigen Ausführungen im Gespräch und folgt der Logik des Generalverdachts. Wenn denn tatsächlich aus einer wie von Precht angeführten Haltung das Kindeswohl gefährdet wäre - denn es liegt ja nahe davon auszugehen, dass Eltern, die so handeln, keine Auge für ihre Kinder haben -, greift das Achte Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe). Das gilt heute und gälte auch, wenn es ein BGE gäbe.
Sascha Liebermann
"Prechts Äußerungen sind wirklich erschreckend. Man fragt sich unweigerlich, womit er eigentlichen den Ruf eines kritischen Vordenkers verdient hat. Seine Aussagen zum Grundeinkommen schwanken jedenfalls zwischen Banalitäten, Dummheiten und ungeschminktem Sozialrassismus. Dazu passt diese Passage aus dem Gespräch, die im „philosophie Magazin“ abgedruckt wurde …" [An dieser Stelle wird die Passage zitiert, die für Aufsehen gesorgt hat, siehe hier, SL]
Bergers Frage hier ist berechtigt. Weshalb aber sagt er nichts zu Butterwegge, zu seinem Paternalismus und seiner teils grotesken Kritik am BGE? Weshalb kritisierte er für abschätzige Töne nicht Autoren, die auf den Nachdenkseiten gerne zitiert werden, z. B. dieser? Sonst sparen die Nachdenkseiten nicht mit Kritik auch an Positionen, denen sie durchaus nahestehen.
Dass Precht manch interessante Überlegung mit dramatisierenden Szenarios verbindet, kann man als sein "Markenzeichen" betrachten. Manche meinen, seine Bekanntheit bringe wenigstens den Vorschlag weiter voran, insofern könne man doch froh sein. Aber ist bloße Präsenz in den Medien wirklich ein Zeichen von Verbreitung? Hilft Dramatisierung tatsächlich oder verdeckt sie nur die wirklich relevanten Argumente für ein BGE? Die Gewissheit, mit der er seine Diagnosen vorträgt, überdeckt die Waghalsigkeit, die sie nicht selten annehmen. Sein Paternalismus - und im kopierten Abschnitt aus dem "philosophie Magazin" eine geradezu reaktionäre Haltung - ist nicht neu, in Bildungsfragen legte er sie schon früher an den Tag.
Precht wird nun von manchen in Schutz genommen, weil sie den Eindruck haben, dass er zu Unrecht für diese eine Passage übermäßig kritisiert werde. In der Tat sollte man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. An der kritisierten Passage irritiert in meinen Augen weniger, dass er eine Altersgrenze einführt, das ist seine Konzeption mit entsprechenden Folgen für das BGE, die er offenbar nicht sieht, z. B. für Alleinerziehende. Selbst mit einem BGE von 1500 Euro, wie er es ansetzt (wir gehen einmal von gleichbleibenden Kaufkraftverhältnissen aus) liegt er allerdings nicht richtig, wenn er auf Butterwegge antwortet, es sei höher als die Ansprüche einer Familie mit fünf Kindern heute, wie die Berechnungen von Johannes Steffens zu zeigen scheinen. Auch hier also behauptet er einfach etwas.
In meinen Augen gravierender ist die herablassende Haltung, mit der er denjenigen begegnet, die - wie er sagt - keine Perspektive haben und deswegen Kinder in die Welt setzen. Damit rückt er sich selbst in die Nähe derer, die von "Sozialschmarotzern" als großem Problem reden, den Sozialstaat als "Hängematte" betrachten und ähnlichen abfälligen Bemerkungen. Nicht mit einer Silbe geht er an der Stelle darauf ein, dass, wo es eine solche Haltung geben sollte, wohl ganz andere Gründe dafür verantwortlich sind als eine Kosten-Nutzen-Kalkulation. Aus einem solchen Randphänomen abzuleiten, dass es gar kein BGE für Kinder geben solle - also von der Ausnahme auf die Regel zu schließen - widerspricht den sonstigen Ausführungen im Gespräch und folgt der Logik des Generalverdachts. Wenn denn tatsächlich aus einer wie von Precht angeführten Haltung das Kindeswohl gefährdet wäre - denn es liegt ja nahe davon auszugehen, dass Eltern, die so handeln, keine Auge für ihre Kinder haben -, greift das Achte Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe). Das gilt heute und gälte auch, wenn es ein BGE gäbe.
Sascha Liebermann
12. Januar 2018
"Das Grundeinkommen polarisiert" - das liegt auch am Schubladendenken
Ein Beitrag auf den Nachdenkseiten, der einige weitere Leserbriefe auf Jens Bergers Kritk am Bedingungslosen Grundeinkommen versammelt, weist auf die polarisierende Wirkung des Grundeinkommens hin. Sowohl auf den Originalbeitrag Bergers als auch die ersten Reaktionen in Form von Leserbriefen finden Sie Links im Beitrag. Diese kleine Sammlung von Beiträgen ist insofern interessant, als sie zum einen wenig brauchbare Argumente für ein BGE (auch von Befürwortern) bieten, die Berger zurecht kritisiert (allerdings auch einseitig, siehe meinen frühren Beitrag dazu hier). Sie zeigen in den Erwiderungen - auch Bergers - wie schnell mit Schubladen gearbeitet und wenig differenziert wird.
Ein Leserbrief von Arfst Wagner z. B. weist darauf hin, dass Wirtschaftsliberale zu Beginn der jüngeren Diskussion keine Befürworter eines BGE, sondern eher des FDP-Bürgergeldvorschlages waren. Berger nutzt als Gegenbeleg den Verweis auf eine Veranstaltung der Stiftung Marktwirtschaft (hier ein Bericht der Stiftung, hier meiner, hier das Manuskript des damaligen Vortrags von Horst Siebert) im Jahr 2007, die sehr wohl zeige, dass dort Sympathien bestehen oder bestanden. Offensichtlich war Berger aber weder bei dieser Veranstaltung, noch kennt er Berichte davon, denn in dieser Veranstaltung ging es vor allem um das damalige Modell des Solidarischen Bürgergeldes, von dem Dieter Althaus später selbst eingestand, dass es sich nur um ein partielles Grundeinkommen handelt. Ebensowenig war es so, dass die Stiftung Sympathien hatte. Vertreter äußerten eher starke Vorbehalte bis Ablehnung. Wenn Berger dann schreibt, dass zumindest weltweit eher wirtschaftsliberale Vertreter die Idee propagierten, hätte man doch gerne einmal Belege gehabt. Schnell dahersagen lässt sich das, aber ist es auch so? In der internationalen Debatte wird häufig zwischen Basic Income und Unconditional Basic Income nicht differenziert, so daß man selten genau weiß, worüber diskutiert wird, zumindest nicht, wenn man nach dem Schlagwort schaut. So ist es bei Elon Musk und Mark Zuckerberg, etwas anders bei Albert Wenger. Wenn dann noch alles in einen Topf geworfen wird und Milton Friedman wie auch Friedrich Hayek umstandlos zu BGE-Befürwortern erklärt werden, dann hat man den Kreis einer seriösen Diskussion verlassen. Es sind diese Ungenauigkeiten, fahrlässigen oder auch mutwilligen Vereinfachungen, die eine sachliche Diskussion erschweren. Genau so geht es in einem Beitrag der Nürnberger Nachrichten zu, siehe meinen Kommentar dazu.
Wenn Berger dann den Überlegungen Arfst Wagners entgegenhält, dass z. B. das heutige System doch sehr gut funktionere und man nur innerhalb desselben manches ändern müsse wie z. B. die Sanktionen im Sozialgesetzbuch abschaffen, übersieht er, wie so viele, die das vorschlagen, einen entscheidenden Punkt: im heutigen "System" kann man Sanktionen nur um den Preis vollständig abschaffen, dass man sich auf den Weg zu einem BGE macht. Selbst diejenigen, die die Sanktionen scharf kritisieren, wie Helga Spindler oder Christoph Butterwegge (das hat er erst jüngst offen eingestanden), heben hervor, dass es Sanktionen brauche, weil man sonst nichts in der Hand habe, um das Bemühen um Erwerbsarbeit disziplinatorisch zu erreichen.
Sascha Liebermann
Ein Leserbrief von Arfst Wagner z. B. weist darauf hin, dass Wirtschaftsliberale zu Beginn der jüngeren Diskussion keine Befürworter eines BGE, sondern eher des FDP-Bürgergeldvorschlages waren. Berger nutzt als Gegenbeleg den Verweis auf eine Veranstaltung der Stiftung Marktwirtschaft (hier ein Bericht der Stiftung, hier meiner, hier das Manuskript des damaligen Vortrags von Horst Siebert) im Jahr 2007, die sehr wohl zeige, dass dort Sympathien bestehen oder bestanden. Offensichtlich war Berger aber weder bei dieser Veranstaltung, noch kennt er Berichte davon, denn in dieser Veranstaltung ging es vor allem um das damalige Modell des Solidarischen Bürgergeldes, von dem Dieter Althaus später selbst eingestand, dass es sich nur um ein partielles Grundeinkommen handelt. Ebensowenig war es so, dass die Stiftung Sympathien hatte. Vertreter äußerten eher starke Vorbehalte bis Ablehnung. Wenn Berger dann schreibt, dass zumindest weltweit eher wirtschaftsliberale Vertreter die Idee propagierten, hätte man doch gerne einmal Belege gehabt. Schnell dahersagen lässt sich das, aber ist es auch so? In der internationalen Debatte wird häufig zwischen Basic Income und Unconditional Basic Income nicht differenziert, so daß man selten genau weiß, worüber diskutiert wird, zumindest nicht, wenn man nach dem Schlagwort schaut. So ist es bei Elon Musk und Mark Zuckerberg, etwas anders bei Albert Wenger. Wenn dann noch alles in einen Topf geworfen wird und Milton Friedman wie auch Friedrich Hayek umstandlos zu BGE-Befürwortern erklärt werden, dann hat man den Kreis einer seriösen Diskussion verlassen. Es sind diese Ungenauigkeiten, fahrlässigen oder auch mutwilligen Vereinfachungen, die eine sachliche Diskussion erschweren. Genau so geht es in einem Beitrag der Nürnberger Nachrichten zu, siehe meinen Kommentar dazu.
Wenn Berger dann den Überlegungen Arfst Wagners entgegenhält, dass z. B. das heutige System doch sehr gut funktionere und man nur innerhalb desselben manches ändern müsse wie z. B. die Sanktionen im Sozialgesetzbuch abschaffen, übersieht er, wie so viele, die das vorschlagen, einen entscheidenden Punkt: im heutigen "System" kann man Sanktionen nur um den Preis vollständig abschaffen, dass man sich auf den Weg zu einem BGE macht. Selbst diejenigen, die die Sanktionen scharf kritisieren, wie Helga Spindler oder Christoph Butterwegge (das hat er erst jüngst offen eingestanden), heben hervor, dass es Sanktionen brauche, weil man sonst nichts in der Hand habe, um das Bemühen um Erwerbsarbeit disziplinatorisch zu erreichen.
Sascha Liebermann
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