10. Dezember 2024

"'Mismatch-Problem' und 'nutzloses Ritual'"...

...so Bernd Fitzenberger, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, im Interview focus online. Fitzenberger äußert sich differenziert zu den Behauptungen Carsten Linnemanns, CDU, über die große Anzahl erwerbsfähiger Leistungsbezieher im Bürgergeld, die erwerbstätig sein könnten, es aber nicht seien. Auch weist er auf manche begriffliche Unschärfe in der Debatte hin und auf praktische Schwierigkeiten in der Umsetzung mancher Vorschläge. 

An einer Stelle geht es darum, ob Sanktionen hilfreich sind.

"[focus] Helfen Sanktionen überhaupt, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen?

Fitzenberger: Ich würde sagen, dass Sanktionen notwendig sind. Aber sie sind nicht das Allheilmittel, um Menschen sofort in Beschäftigung zu bringen. Es klingt paradox, aber am besten sind die Sanktionen, die man nicht aussprechen muss – also wenn sie nur im Raum stehen, um sicherzustellen, dass die Leistungsberechtigten ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen."

Fitzenberger hält zwar Sanktionen nicht für "das Allheilmittel", erachtet sie jedoch für notwendig. Weshalb aber? Darauf gibt er nur eine indirekte Antwort, offenbar kann er sich nicht vorstellen, dass auch ein sanktionsfreies Sozialsystem, das Angebote macht, förderlich wirken kann. Aus seinen Ausführungen im Interview ließe sich jedoch der Schluss ziehen, dass es heute gute Gründe dafür gibt, weshalb bestimmte Leistungbezieher nicht erwerbstätig sind und Sanktionen gegen diese Gründe nicht helfen.

Gerade ein Sozialsystem, dass die Bereitschaft der Bürger, sich einzubringen, grundsätzlich ernst nimmt und damit anerkennt, das Existenzminimum also nicht mit Sanktionen belegt, könnte befreiend wirken. Das scheint für ihn, wie für viele andere, undenkbar. Man müsste dazu nur die Stellung der Bürger im Gemeinwesen ernst nehmen, das wäre die einzige Voraussetzung, die gegeben sein muss.

Darüber hinaus sagt er:

"Eine weitere Idee der CDU ist es, monatliche persönliche Gänge zum Jobcenter zur Pflicht machen. Hilft das tatsächlich, oder belastet das nur die Jobcenter?

Fitzenberger: Grundsätzlich ist eine Erhöhung dieser sogenannten Kontaktdichte sinnvoll. Dadurch bekommen die Menschen eine intensivere Betreuung und sind gezwungen, sich intensiver mit der Stellensuche auseinanderzusetzen. Gleichzeitig sind die Jobcenter seit 2022 durch die große Zahl an Geflüchteten, die sie ebenfalls betreuen müssen, stark belastet. Zudem gibt es hunderttausende Menschen, die in einer Maßnahme sind, oder eigentlich erwerbstätig, aber aufstocken müssen. Bei ihnen könnte so ein monatlicher Pflichttermin zu einem nutzlosen Ritual werden, weil keine neuen Dinge zu besprechen sind."

Auch hier gilt, was ich oben geschrieben haben. Wer solche Termine benötigt, wird sie erfragen und vereinbaren, warum bedarf es dazu einer Pflicht? Diejenigen, die sie nicht benötigen, kann man einfach machen lassen. Doch dazu benötigt es wieder eine Voraussetzung: die Bereitschaft der Bürger ernst zu nehmen. In einem bedürftigkeitsgeprüften, auf Nachrangigkeit setzenden Sozialsystem, ist das aber kaum möglich, denn es bedarf der Sanktionen, um die Mitwirkung gegebenenfalls durch Androhung zu erzwingen. Manche Probleme, über die immer wieder diskutiert wird, rühren nur daher.

Sascha Liebermann

9. Dezember 2024

In der Tat, eine weitere Alternative

Wichtig bei dieser Alternative ist: es käme gar nicht darauf an, aus dem "Bezug" herauszukommen, weil das BGE an die Person gebunden ist.

Sascha Liebermann 

8. Dezember 2024

"Geflüchtete senden seltener Geld ins Ausland als andere Migrant*innen"...

 ...hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung herausgefunden und dafür Berechnungen auf der Basis des Sozio-Ökonomischen Panels vorgenommen, einer regelmäßig durchgeführten Haushaltsbefragung. Die Ergebnisse sind interessant angesichts der Debatte um und der Einführung der Bezahlkarte, die verhindern sollte, dass Gelder ins Ausland überwiesen werden können. Zumindest diese Berechnungen verbannen die damaligen Behauptungen ins Reich der Mythen, zu denen auch die Behauptungen gehören, Bürgergeldbezieher würden genauso viel Einkommen erhalten wie diejenigen, die erwerbstätig sind. Aber wen juckt das schon, wenn er weiter Vorurteile verbreiten will.

Eine Schwäche haben die Haushaltsbefragungen: es handelt sich um standardisierte Befragungen, in denen die Teilnehmer Auskünfte geben, die freiwillig sind und nicht weiter geprüft werden können. Man muss hier zumindest berücksichtigen, dass es Antworten geben kann, die sich an der allgemeinen Erwünschtheit orientieren. In nicht-standardisierten Forschungsgesprächen hingegen könnte man genauer herausfinden, was an den Angaben dran ist.

Sascha Liebermann

6. Dezember 2024

Ehrenamt in WDR 5

 Ein kurzes Interview mit Sascha Liebermann zum Tag des Ehrenamtes auf WDR 5.

30. November 2024

"Berufstätige haben mehr Geld als Bürgergeldempfänger"...

 ...titelt die tagesschau und verweist pauschalieren Behauptungen zum Bürgergeld (siehe auch hier) in das Reich der Mythen. Das ist zwar nicht neu, aber angesichts der wiederholten, offenbar bewusst aufgestellt Behauptungen, ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen. Selbst in einer Studie der Anreizanhänger aus dem ifo-Institut räumen ein, dass es sich immer "lohne" erwerbstätig zu sein, auch wenn "lohnen" hier stets gleichgesetzt wird mit Lohn und nicht damit, was Erwerbstätigkeit jenseits der Lohnfrage noch alles an Erfahrungen beinhaltet, die für wichtig erachtet werden.

Sascha Liebermann

28. November 2024

Ehegattensplitting, Teilzeitquote und eine berechtigte Frage

Es spricht viel dafür, dass es andere Gründe gibt, um das zu bestimmen benötigt man anderes Datenmaterial als standardisierte Befragungen. Die Anreizdenke als Modelldenken führt dazu, dass diese anderen Gründe nicht gesehen oder nicht für relevant gehalten werden. Ganz ähnlich verhält es sich in der  Diskussion um die Armutsfalle und andere ähnlich entworfene "Anreiz"-Konstellationen. Darüber hinaus gilt das Ehegattensplitting für die Ehe und nicht nur für einen der Ehegatten, auch wenn Teilzeit von Frauen erheblich mehr genutzt wird als von Männern.

Die Bewertung von Teilzeit erfolgt vor dem Hintergrund dessen, dass Vollzeit das Ideal wäre, als gäbe es kein Leben außerhalb von Erwerbsarbeit. Bei Vollzeit findet das aber kaum noch Platz - man rechne den Alltag einfach durch und sehe, was von ihm bleibt.

Siehe unsere früheren Beiträge zum Ehegattensplitting hier

Sascha Liebermann

21. November 2024

Fachtag "Bedingungsloses Grundeinkommen und Soziale Infrastruktur?!"...

...in Dortmund, am 24.1.2025, von 9.00–20.30 Uhr, Veranstalter sind:

Die Fachhochschule Dortmund in Partnerschaft mit FRIBIS , dem Netzwerk Grundeinkommen Deutschland und dem Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt - BIEN Austria veranstaltet. Zu den seitens des FRIBIS maßgeblich beteiligten Personen gehören Margit Appel, Ronald Blaschke , Ute Fischer und Gudrun Kaufmann vom FRIBIS Team care .

Aus der Ankündigung:

"Jetzt erst recht
Der Streit um den Haushaltsentwurf der Bundesregierung, das Ampel-Aus, Verpflichtungen durch akute Krisen wie den Ukraine-Krieg, Wirtschaftsflaute und drohende Umsatzeinbußen durch den Ausgang der US-Wahl lassen scheinbar keinen Spielraum für sozialpolitische Forderungen oder gar visionäre Höhenflüge. Aber gerade diese Krisen verweisen auf die Sackgassen, in die eine Sparpolitik führt: nicht zuletzt der Rechtsruck in Teilen des Landes zeugt von den Folgen starker Verunsicherung und existenzieller Sorgen. Vor diesem Hintergrund sind offene Diskussionen und ein beherztes Nachdenken über Zukunftsalternativen umso dringlicher. Dieses Vorhaben setzt sich der Sozialpolitische Fachtag in Dortmund als Agenda und Ziel."

Nähere Informationen finden Sie hier.

19. November 2024

"Sparkasse" berichtet über Bedingungsloses Grundeinkommen

 Auf der Website der Sparkasse wird in der Rubrik "Finanzen" das Bedingungslose Grundeinkommen vorgestellt. Ein überraschender Ort, der zeigt, wie selbstverständlich das Thema nun schon ist.

Bürgergeld vs. Bedingungsloses Grundeinkommen - der sichere Boden, auf dem man steht

18. November 2024

"Faktencheck" mit oder für Markus Söder

Siehe auch die Beiträge von Johannes Steffen zu diesen Fragen hier und hier auf der Website des Portal Sozialpolitik.

Sascha Liebermann

17. November 2024

"Was hat das eine mit dem anderen zu tun?" - Cem Özdemir über Grundeinkommen und Kita

Siehe unseren früheren Beiträge zu Ausführungen Cem Özdemirs hier, zu Bildung siehe hier.

Sascha Liebermann

14. November 2024

"Bedingungsloses Grundeinkommen - Geld für alle?"

Siehe unseren früheren Beiträge zu Marcel Fratzscher und Christoph Butterwegge

13. November 2024

Endlich, die CDU hat die Lösung,...

...wie es aufwärts gehen kann mit dem Bürgergeld. Es bedarf nur einer Überarbeitung der Leistungen und mehr Druck, dann wird das schon.

Man fragt sich bei solchen Stellungnahmen schon, ob jemand, der Herrn Frei beratend zur Seite steht, sich die Mühe gemacht hat, ihn auf die Datenlage und die entsprechenden Studien aufmerksam zu machen, die es dazu gibt. Darüber hinaus wäre zu fragen, ob er allen Ernstes der Auffassung ist, dass noch mehr Druck - es gibt ja schon erheblichen - wirklich hilfreich ist, um Wertschöpfung zu erreichen und Menschen zu ermöglichen, einen Weg zu finden, der zu ihnen passt, der auch trägt? Welches Bild von Mitarbeitern hat er denn, welche Vorstellungen davon, was die Grundlage für Leistung ist? 

Zur Personengruppe, die Thorsten frei anführt, gibt es folgenden Informationen an anderen Orten:

"Rund 1,7 Millionen sind arbeitslos und könnten prinzipiell arbeiten. Die meisten von ihnen haben jedoch keine ausreichende Ausbildung oder gesundheitliche Probleme, die eine Arbeitsaufnahme erschweren. Arbeitgeber scheuen oft das Risiko, diese Menschen einzustellen, und wenn doch, endet die Beschäftigung häufig schnell wieder." (Quelle 1 Quelle 2)

Wir kommt er dann zu seiner Behauptung? Auf Rückfragen geht er nicht weiter ein, bleibt wolkig und behauptet viel. Soll das eine an der Sache orientierte Debatte sein oder doch nur ein Beitrag im Wettbewerb darum, wie ich abstruse Überlegungen anderer überbieten kann?

Siehe auch unsere früheren Beiträge zu diesen Fragen hier.

Sascha Liebermann

30. Oktober 2024

Strukturelle Zwänge vs. individuelles Bestreben,...

....treffend bemerkt, dass es nicht am Einzelnen liegt, ob es "Augenhöhe" gibt oder nicht. Es kann sie nicht geben, wenn der eine sanktionieren kann und der andere nicht. Statt solche Euphemismen zu verwenden, sollte man einfach sagen, wie es ist. Trotz des Machtgefälles allerdings kann es einen helfenden und unterstützenden Umgang geben oder einen, der herablassend ist.

Sascha Liebermann