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15. August 2025

"Sogar 'die' Griechen arbeiten mehr als 'die' Deutschen?...

... Und schon geht sie (wieder) los, die Debatte, dass wir mehr und länger und überhaupt arbeiten sollen müssen" - ein Beitrag von Stefan Sell zur wiederkehrenden Debatte um - wie er treffend schreibt - politisierte Arbeitszeitvergleiche. 

Dass mit statistischen Daten nach- bis fahrlässig umgegangen wird, ist zwar keine Neuigkeit, aber ein anhaltendes Problem, weil damit ernsthafte Fragen und Diskussionen erschwert werden. Sell weist zurecht auf die Bedeutung von Sorgetätigkeiten hin, die in der Forderung nach erhöhten Erwerbsarbeitszeiten in der Regel keine Rolle spielt, so als erledigten sich diese Aufgaben von alleine.

Eines lässt sich in den schiefen Arbeitszeitvergleichen dann doch erkennen, und zwar die Vorstellung, es komme darauf an, viel zu arbeiten, also viele Stunden, weil viel macht viel. Seit Jahren wird der Zuwachs an Arbeitsstunden gefeiert und als Erfolg verkauft von Politikern und in Talkshows, häufig ohne weitere Differenzierung.

Siehe unsere früheren Beiträge zu diesem Themenkomplex hier, zu Sorgetätigkeiten, also "unbezahlter Arbeit" hier.

Sascha Liebermann

19. Februar 2024

Unbezahlte und bezahlte Tätigkeiten - Abgrenzung und Fallstricke

Auf diese Schwierigkeit der Abgrenzung ist schon von verschiedener Seite zu Recht hingewiesen worden, sehr differenziert z. B. von Norbert Schwarz und Florian Schwahn. Zwar ist es nachvollziehbar, wenn dennoch versucht wird, den Umfang "unbezahlter Arbeit" zu quantifizieren, gerade wenn man auf ihre Bedeutung hinweisen will, man begibt sich aber auch in ein schwieriges Fahrwasser. Das zur Abgrenzung bemühte Drittperson-Kriterium muss vom konkreten Beziehungsgefüge abstrahieren, soweit es möglich ist und damit genau eine entscheidende Dimension vernachlässigen, und zwar die zwischen Beziehungen, die sich auf die ganze Person als solche beziehen und solchen, die klienten- bzw. kundenorientierten Charakters sind. In ersteren sind die Personen nicht austauschbar, in letzteren schon. Setzt man beide Beziehungstypen gleich, ebnet man den grundlegenden Unterschied beider ein. Genau das ist in den vergangenen Jahrzehnten besonders in der Frage zu beobachten, wie sich inner- und außerhäusliche Betreuung von Kindern zueinander verhalten. Letztere konnte mit der Abstrahierung von der konkreten Beziehung forciert werden.

Siehe zu dieser Frage diesen Beitrag und hier.

Sascha Liebermann


3. Januar 2024

"Freizeitpark Deutschland" nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes

Ganz absehen wollen wir einmal von der "unbezahlten Arbeit" (siehe auch hier).

Sascha Liebermann 

2. März 2023

"Die Wirtschaft fußt auf der unbezahlten Arbeit von Frauen"...

...so ist ein Interview mit Uta Meier-Gräwe übertitelt, das in den Stuttgarter Nachrichten veröffentlicht wurde. Ich kommentiere hier einige Ausschnitte:

"Frau Meier-Gräwe, Sie sagen, bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit sei der größte Wirtschaftssektor. Wie berechnen Sie das?

[Meier-Gräwe] Durch Erhebungen des Statistischen Bundesamts wissen wir: Frauen in Deutschland leisten jährlich 60 Milliarden Stunden – allein an unbezahlter Hausarbeit. Der Geldwert dieser Arbeit, legt man anteilig den Durchschnittslohn einer Hauswirtschafterin, Köchin und Erzieherin zugrunde, würde jährlich etwa 830 Milliarden Euro betragen. Das ist fast so viel wie Bund, Länder und Gemeinden pro Jahr an Ausgaben tätigen. Wenn man zur unbezahlten die meist unterbezahlte Sorgearbeit in Pflegeheimen, Krankenhäusern, Kitas hinzuzählt, ist dieser Bereich der größte Wirtschaftssektor. Leider bildet sich das weder in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung noch im Bruttoinlandsprodukt ab, das als Wohlstandsmaß eines Landes gilt."

Das ist ein in der Diskussion um Sorgearbeit zuerst einmal hilfreicher Hinweis und stellt einen Versuch dar, den Umfang unbezahlter Arbeit zu bestimmen und mit bezahlter Arbeit zu vergleichen. Zugleich aber kann dieser Vergleich in die Irre führen, wenn man berücksichtigt, was methodisch nötig ist, um zu solchen Daten zu gelangen (siehe meinen Kommentar hier und hier).Wie die Autoren der verlinkten Studie hervorheben, gibt es gerade dann, wenn es sich um persönliche Nahbeziehungen handelt, ein Abgrenzungsproblem in der Messung. Das spricht nicht gegen die Angaben zum Umfang unbezahlter Arbeit, er wäre eher noch größer, als die Messungen ihn zu erfassen erlauben. Vor allem wird es ihrem Charakter nicht gerecht, denn Sorgetätigkeiten aufgrund einer persönlichen Nahbeziehung sind etwas anderes als berufliche erbrachte Dienstleistungen. Wenn Frau Meier-Gräwe bezahlte Sorgearbeit noch in das Volumen der Sorgetätigkeiten einbegreift, um deren Stellenwert zu veranschaulichen, vermischt sie, was nicht vermischt werden sollte. Das ist ein Grund, weshalb die Eigenheiten unbezahlter Arbeit im BIP nicht erfasst werden können, denn dazu müsste man über ihre Eigenheiten hinweggehen.

Vollkommen richtig ist folgendes:

"Warum ist das aus Ihrer Sicht problematisch?

Weil dadurch die ökonomische Bedeutung der unbezahlten Sorgearbeit ausgeklammert bleibt. Aber es gibt keine Wirtschaft, ohne dass jemand Kinder großzieht, den Familienalltag organisiert, kranke oder pflegebedürftige Haushaltsmitglieder versorgt. Feministische Ökonominnen nutzen das Eisbergmodell, um das zu verdeutlichen: Als Wirtschaft wird heute fast ausschließlich das verstanden, was oberhalb der Wasseroberfläche sichtbar ist: die marktvermittelte Güterproduktion. Die weibliche „Unterwasser-Ökonomie“ dagegen zählt fast nichts."

Sie weist zurecht darauf hin, welche Bedeutung Sorgetätigkeiten haben, denn die Welt am Warentausch zu orientieren, greift viel zu kurz, dennoch lässt sich beides nicht einfach vergleichen.

"Was würde sich mit einer anderen Sicht ändern?

Wäre klar, dass Sorgearbeit das Fundament allen Wirtschaftens ist, würde das bedeuten, dass in diesen Sektor viel mehr Geld fließen müsste und Unternehmen in Form von Abgaben dafür ihren Beitrag zu leisten haben. Aber momentan geht die ökonomische Erzählung so: Erst müssen Industrie und Handwerk Gewinne erwirtschaften, dann können wir soziale Dienstleistungen finanzieren. Diese Denke zeigt sich unter anderem auch darin, wie Kosten für Kitas und Schulen verbucht werden."

Hier zeigt sich nun die Vermischung, denn inwiefern müsste hier "mehr Geld fließen", als Bezahlung unbezahlter Arbeit? Oder in der Sphäre bezahlter Arbeit? Würde sie unbezahlte in bezahlte Arbeit verwandeln wollen, so dass auch persönliche Nahbeziehungen zu Dienstleistungen werden? Dann würde der Charakter von Haushaltstätigkeiten gerade verwandelt.

Hier folgt eine Rückfrage zur Finanzierung dieser Leistungen:

"Inwiefern?
Der ohnehin erst seit 2005 zögerliche Ausbau des Betreuungssystems mit Kitas und Ganztagsschulen verhindert, dass Frauen ihrem Beruf nachgehen oder ihr Erwerbsvolumen ausweiten können, obwohl das viele gern tun würden. Allerorten fehlen nicht nur Betreuungsplätze, sondern obendrein werden Öffnungszeiten reduziert und Gruppen geschlossen, weil Fachkräfte fehlen. Dass es zu wenige Erzieherinnen gibt, ist aber eine Folge der Ignoranz des Bedarfs sowie der jahrzehntelangen Unterbezahlung dieser Berufe."

Angesichts des Plädoyers dafür, unbezahlte Arbeit in ihrer Bedeutung ernst zu nehmen, erscheinen die Äußerungen hier doch geradezu widersprüchlich. Betrachtet man die Entwicklung seit 2007 hat nicht nur die Betreuungsdauer der Kinder ab 3 Jahren erheblich zugenommen, auch das Betreuungsalter ist abgesenkt worden. Man kann natürlich noch längere Betreuungszeiten noch jüngerer Kinder anstreben, dann muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass das Familienleben abgewertet wird und nur noch Anhängsel der Erwerbstätigkeit bleibt. Das käme allerdings keiner Aufwertung von Haushaltstätigkeiten, sondern ihrer Abwertung gleich. Wie bekommt Frau Meier-Gräwe das unter einen Hut (im vergangenen Jahr hatte sie sich ähnlich geäußert)? Müsste sie nicht vielmehr den Stellenwert von Erwerbstätigkeit in Frage stellen und eine Ausrichtung der Sozialpolitik befürworten, die der unbezahlten Arbeit ihren Raum lässt, sie aber durch dauerhafte, garantierte Alimentierung in der Form eines Bedingungslosen Grundeinkommens ermöglicht (nicht aber bezahlt). Dann stellte sich die Frage für Eltern grundsätzlich anders, denn weder bräuchten sie Erwerbstätigkeit, um das Auskommen der Familie zu sichern, noch hätte diese dieselbe Bedeutung wie heute.

Hier nun kommt das Interview auf die Alimentierung zu sprechen:

"Sind Sie für den Hausfrauenlohn, wie er in den 70ern gefordert wurde?

Nein. Wir müssen vielmehr eine faire Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern erreichen, ergänzt um finanziell abgesicherte Zeiten für Kleinkindbetreuung daheim und häusliche Pflege. Zugleich braucht es verlässliche Dienstleistungen von der Wiege bis zur Bahre und Löhne, von denen die Beschäftigten dort auch gut leben können. Bis heute werden soziale Berufe wie Erzieherin oder Arzthelferin jedoch als Zuverdienst-Berufe betrachtet. Man hängt immer noch der völlig aus der Zeit gefallenen Vorstellung an, dass der „richtige“ Lohn doch vom Familienernährer erarbeitet wird. "

Ein BGE scheint ihr nicht in den Sinn zu kommen oder nicht angemessen zu sein, der "Hausfrauenlohn" wäre in der Tat problematisch, weil er eine Nahbeziehung (familial) in eine Dienstleistung überführte. Meier-Gräwe sieht nur befristete Alimentierungen für besondere Umstände vor und zugleich eine Verteilung der Sorgearbeit, ohne zu sagen, wie das erreicht werden könnte. Hier könnten Arbeitszeitmodelle (siehe hier und hier) eine Rolle spielen, doch sie alle ändern nichts am normativen Vorrang von Erwerbstätigkeit. Dass Meier-Gräwe das nicht sieht und die Möglichkeiten eines BGE diesbezüglich übersieht, überrascht hier am meisten.

Als gutes Beispiel dienen skandinavische Länder:

"Aus Städten wie Oslo oder Helsinki hört man jedenfalls nicht, dass Kitas ihre Öffnungszeiten reduzieren müssen, obwohl dort sehr viele junge Familien leben. Die skandinavischen Länder stecken seit Jahrzehnten viel mehr Geld in den Care-Sektor. Darüber gibt es dort einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Nicht von ungefähr wandern Krankenpflegerinnen nach Skandinavien aus. Dort kann man von dem Beruf leben und ihn gut mit Familie verbinden. In Deutschland wird stattdessen die betriebswirtschaftliche Logik aus der Warenproduktion – also mit immer weniger Ressourcen immer mehr zu erzeugen – auf den sozialen Bereich übertragen. Etwa indem die Pflege alter Menschen nach Minuten getaktet und abgerechnet wird. Ich bin mit einem Altenpfleger verheiratet, ich weiß, wie sehr diese Praxis Menschen frustriert."

Dass ein anderes Verhältnis zu bezahlten Sorgetätigkeiten möglich ist, Arbeitsbedingungen besser sein können usw. sei dahingestellt. In der Tat zerstört Effizienzdenken das, worum es dabei gehen muss. Übergangen wird hier aber die starke Stellung, die Erwerbstätigkeit in diesen Ländern hat, ihr gilt der Vorrang, statt Familien mehr Zeit zu verschaffen bzw. mehr Zeitsouveränität, sich für das Zuhausesein zu entscheiden. Meier-Gräwes Plädoyer führt nicht zu einer Aufwertung unbezahlter Arbeit, es weist in die Richtung einer Befestigung des Vorrangs von Erwerbstätigkeit mit kleinen Sichtfenstern für das Leben jenseits davon.

Sascha Liebermann

14. November 2022

Einst hatte "unbezahlte Arbeit" in der CDU noch ein gewisses Ansehen,...

...was die Union hier abliefert, spricht dem Hohn. Da waren die Ausführungen Norbert Blüms noch ein Lichtblick, wenn er auch nicht weit genug ging, siehe auch hier.

Sascha Liebermann 

2. November 2022

"Ein Grundeinkommen kann unser Sozialsystem höchstens ergänzen"...

...ein Interview - unter einem Titel, der im Text nicht auftaucht - mit der Sozialwissenschaftlerin Anke Hassel im enorm magazin, das wieder einmal zeigt, wie sehr Werturteile die Auseinandersetzung - hier mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen - leiten können. Das beginnt schon in der zu Beginn angestellten Kostenrechnung:

"[Hassel]Bleibt unser Sozialsystem neben einem BGE erhalten, müsste sich das Budget verdoppeln. Die 1.161,5 Milliarden Euro umfassen aber schon 32,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Also müsste extrem viel Geld umverteilt werden, heißt: hohe Steuern auf Einkommen, Vermögen, Immobilien, Wertpapiere und so weiter. Menschen mit mittleren bis hohen Gehältern würden das BGE für alle finanzieren und hätten selbst kaum oder nichts davon."

Sie antwortet hier auf die Frage nach der Finanzierung, nachdem die Interviewerin darauf hingewiesen hatte, dass es BGE-Konzepte gebe, die eine Beibehaltung der Sozialversicherungen vorsehen. Zurecht merkt Hassel an, wozu das führen würde für die Finanzierung und übergeht doch zugleich eine Korrektur, die sie hätte anbringen können. Die vollständige Beibehaltung bedarfsgeprüfter Leistungen wäre nicht einmal begründbar, wenn doch mit einem BGE eine dauerhaft bereitgestellte Absicherung (als Sockel) eingeführt werden würde. Je nach Kaufkraft, die das BGE hätte, wäre der Regelsatz in der Grundsicherung und manches darüber hinaus in der heutigen Form gar nicht notwendig. Welche Leistungen das beträfe, könnte ein Blick in die Sozialgesetzbücher zutage fördern. Bedenkt man noch, dass ein BGE als Individualleistung, so ist es ja gedacht, in Haushalten die Einkommenssituation erheblich verbesserte, stellte sich die Frage, ob je nach Haushaltsgröße Leistungen, die heute nötig sind, nicht mehr beantragt werden müssten (z. B. Wohngeld). Differenzierungen dieser Art sind wichtig in der Diskussion und werden hier unterlassen. 

Weshalb erwähnt Hassel den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer nicht, denn dieser Betrag würde in das BGE eingehen und nicht zusätzlich bereitgestellt? Er ist ja heute schon gesichert für diejenigen, die Erwerbseinkommen erzielen, und zwar als Besteuerungsvorbehalt. Wer ein BGE einführen will, muss also nur Verteilungswege und -modi verändern. Der Grundfreibetrag wird ausgezahlt und als Freibetrag abgeschafft, das betrifft dann den größten Teil der Personen. Für die Finanzierung sind darüber hinaus nicht die Bruttokosten relevant, sondern die Nettoaufwendungen (siehe auch hier und hier). Dass Einnahmen mittels Steuern abgeschöpft werden müssen, um sie bereitzustellen, ist klar, doch weshalb sollte das einen höheren Umverteilungsaufwand darstellen als heute? Ob es gewollt ist von den Bürgern, das ist die entscheidende Frage. 

Die Bemerkung am Ende, dass "Menschen mit mittleren bis höheren Gehältern" davon nichts hätten, überrascht doch. Zum einen ist die normative Basis eines BGE eine andere als im Falle bestehender Leistungen, damit würde für alle die Anerkennung der Person um ihrer selbst willen durch und für das Gemeinwesen erfahrbar. Sie ist zwar schon im (Staats-)Bürgerstatus enthalten, findet aber in der Einkommenssicherung keinen vorbehaltlosen Ausdruck. Zum anderen entfaltet das auf Bedürftigkeitsprüfung und Erwerbszentrierung basierende Sozialsystem auch auf diejenigen eine normative Wirkung, die nicht unmittelbar Leistungen beziehen, das gilt z. B. für "unbezahlte Arbeit". Mit einem BGE wehte im Gemeinwesen ein anderer Wind als heute.

Die Interviewerin fragt nach:

"Vertreter:innen neoliberaler BGE-Modelle wollen soziale Leistungen deswegen an anderer Stelle abbauen.

[Hassel] Ja, und das würde die bestehenden Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft zementieren. Menschen, die arm sind, bleiben arm und Menschen, die von Armut bedroht sind, könnten abrutschen.

Alleinstehende Sozialhilfeempfänger:innen bekommen aktuell 449 Euro, plus Wohngeld, Heizkosten et cetera – insgesamt ungefähr so viel wie ein Grundeinkommen. Sie würden mit einem BGE also genauso dastehen wie bisher. Menschen, die nicht zu den ärmsten gehören, aber dennoch auf Sozialleistungen und Sicherungssysteme angewiesen sind, würden schlechter dastehen. Denn sie müssten sich plötzlich selbst vor sozialen Risiken schützen…"

Mit dem Adjektiv "neoliberal" lassen sich schnell Überlegungen in die Ecke stellen, um sie abzutun. Dass es jedoch nicht sinnvoll ist, Leistungen beizubehalten, die ein BGE ebenfalls erbringen kann, hat mit "Abbau" nichts zu tun, mit Substituierung viel. Wer allerdings das Attribut "neoliberal" zum Abkanzeln eines Vorschlags nutzen will, ist für eine Diskussion offenbar nicht offen. Ob Menschen "arm bleiben", hängt doch an der Höhe des BGE, nicht am BGE als solchem. Die Betragshöhe von Leistungen aber ist nur eine Seite, die andere, wie die Leistungen bereitgestellt werden, das erwähnt Hassel mit keiner Silbe. Verdeckte Armut und Stigmatisierung sind Auswirkungen bedarfsgeprüfter Leistungen, nicht eines BGE. "Sozialhilfeempfänger" stünden eben nicht "genauso" da wie bisher, wenn sie sich keiner Bedürftigkeitsprüfung mehr unterziehen müssten für den Sockelbetrag und die Bedarfsprüfungen für Leistungen oberhalb des Sockelbetrags auf einem gänzlich anderen normativen Fundament stünden. Überraschend ist, dass sie das als Sozialwissenschaftlerin nicht sieht, als ob sie nicht um die Wirkung von Normen wisse, um die geht es hier aber. 

Die nächste Sorge oder Befürchtung, die immer wieder als Einwand gegen ein BGE zu hören ist, ist eine, die immer gilt, auch heute:

"Würde man das alles durch eine allgemeine Steuer ersetzen, wie es in vielen BGE-Modellen vorgesehen ist, kann der Staat damit finanzieren, was er möchte. Was, wenn die nächste Bundesregierung eine andere politische Linie verfolgt und das BGE plötzlich kürzt? Oder nur noch private Krankenversicherungen möchte?

Wenn nun Steuermittel für ein BGE ausgegeben würden, befürchte ich, dass an anderen sozialen Dienstleistungen gespart würde, etwa in der Bildung. Dabei sind wir dort massiv unterausgestattet, genauso in der Gesundheitsvorsorge und psychologischen Betreuung. Natürlich hat unser Sozialstaat Fehler. Er ist bürokratisch, an bestimmten Stellen ungerecht. Aber ich würde ihn immer eher verbessern, als ihn abzuschaffen."

Sicher ist es möglich, dass eine Bundesregierung - mit Zustimmung des Parlaments - Leistungen zu kürzen anstrebt, dann sind die Bürger per öffentlicher Willensbildung gefordert, sich dagegenzustemmen, wenn sie das nicht wollen. Wenn es sie nicht kümmert, wird es zur Kürzung kommen. Hat Frau Hassel hier vergessen, dass die Rentenformel ebenfalls zum Spielball politischer Entscheidungen werden kann und dass "Hartz IV" nicht einfach so über die Bürger hereingebrochen ist?

Weiter heißt es:

"Das Argument, jeder Mensch bräuchte ein Grundeinkommen, weil es bald kaum noch Jobs geben wird, halte ich für völlig aus der Luft gegriffen. Natürlich sind bestimmte Berufsfelder automatisierbar und könnten um einige Prozentpunkte schrumpfen. Es gibt aber keine empirischen Belege dafür, dass massenhaft Arbeitsplätze einfach verschwinden werden. Berufe verändern sich, Menschen lassen sich umschulen. Und wenn Jobs wegfallen, entstehen neue durch die Digitalisierung, wie wir es im E-Commerce, in der Logistik und in den sozialen Medien beobachten konnten. Wir leben in einer schnell alternden Gesellschaft. Die Branchen der Zukunft, die wir jetzt ausbauen müssen, sind deshalb: Pflege, Gesundheit und Bildung."

Hier spricht sie zurecht einen wunden Punkt der Debatte an, die Verknüpfung von BGE und etwaigen Folgen der Digitalisierung. Zwar wäre es durchaus so, dass ein BGE für den Fall, dass eine solche Entwicklung eintreffen sollte, eine gute Absicherung böte, doch ist die Frage der Einführung unabhängig von der Entwicklung des Arbeitsmarktes, selbst wenn es Fachkräftemangel gibt (siehe hier). Hassel verfällt dann in die ebenso ungewisse und nur beschworene Aussicht, es werde alles nicht so gravierend, in anderen Bereichen bestehe großer Bedarf. Wir wissen nicht, welche Automatisierungspotentiale schlummern, die aufgrund der Fixierung auf Erwerbstätigkeit nicht gehoben werden, wie wir nicht wissen, in welchen Bereichen tatsächlich entsprechende Arbeitsplätze gefragt sein werden - für Berufe muss man auch geeignet sein, Umschulungen reichen dafür nicht aus, es muss ein Interesse an und eine Neigung zu einem Beruf bestehen.

Abschließend sei noch diese Passage kommentiert:

"Es ist nachweislich besser, wenn ältere Menschen so lange wie möglich zu Hause wohnen bleiben und dort von Angehörigen oder einem Pflegedienst betreut werden. In einer Pflegeeinrichtung wären die Kosten höher und die Senioren unglücklicher. Was privat und von Pflegediensten geleistet wird, ist sehr wertvoll für Staat und Gesellschaft. Daher sollten wir uns fragen: Wie können wir pflegende Angehörige besser unterstützen? Vielleicht mit Geldern, die sonst an Pflegedienste gegangen wären. Allerdings sollten wir nicht in ein System kommen, wo Familienangehörige Arbeiten wie diese nur noch gegen Geld übernehmen."

Rätselhaft ist es, wie Frau Hassel die Passage beschließt. Ja, es ist bekannt, dass häusliche Pflege viele Vorzüge hat, ohnehin werden fast drei Viertel der Pflegebedürftigen privat versorgt. Doch was hat das damit zu tun, dass ein BGE dazu führen könnte, Pflege nur noch gegen Bezahlung zu übernehmen? Ein BGE ist keine Bezahlung, aber eine Ermöglichungspauschale. Man könnte eben pflegen, wenn man das wollte, weil ein BGE schon zur Verfügung stünde, auch für den Pflegebedürftigen. Das würde manches erleichtern, ohne damit behaupten zu wollen, es bedürfe keiner weiteren Leistungen um Erkrankungen zu behandeln.

Das Interview ist in vielerlei Hinsicht wieder ein Scheingefecht.

Meine früheren Kommentare zu Ausführungen Anke Hassels finden Sie hier, hier und hier.

Sascha Liebermann

1. November 2022

Ein Missverständnis oder eine Verdrehung?...

...Wie kommt Anke Hassel zu dieser Schlussfolgerung, wenn doch ein BGE gerade keine Bezahlung darstellt? Das muss doch sofort auffallen, dass es darum eben nicht geht, Sorgetätigkeiten, die heute "unbezahlt" erbracht werden, mit einem BGE zu "bezahlen"?

Sascha Liebermann 

6. Oktober 2022

Ist das nicht eher heute ein Problem?

Ein BGE ist keine gruppenspezifische Leistung, alle sollen es erhalten. Es würde mit der Mär aufräumen, die einen "buckeln", die anderen tun nichts. Dabei nehmen alle Leistungen in Anspruch, die sie selbst nicht erbringen können, wenn sie "buckeln", die sogenannte unbezahlte Arbeit. Damit haben wir heute offenbar kein Problem. Und was erhalten diejenigen, die diese Arbeit übernehmen? Die Quittung in Gestalt ihrer Rente (siehe Altersarmut bei Frauen).

Sascha Liebermann

26. August 2022

"Unbezahlbar" - es lebt aber von Voraussetzungen...

... das möchte man zum Beitrag von Lenz Jacobsen auf Zeit Online über das Ehrenamt ergänzen. Jacobsen erinnert an die Bedeutung des Ehrenamts und das umfangreiche Engagement, das jedes Jahr erbracht wird. Anlässlich jüngerer Vorschläge, dies in der Rentenversicherung anzuerkennen (Faeser) oder gar durch ein soziales Pflichtjahr zu fördern, sieht er die Gefahr ein Umwertung durch "Belohnungen" und "Anreize", die in der Diskussion beschworen werden, um das Engagement zu fördern. Gleichwohl übersieht er eines, dass die Möglichkeit, sich zu engagieren, von verlässlichem Erwerbseinkommen abhängt, denn Engagement muss man sich leisten können. Zugleich führt diese Voraussetzung dazu, dass das Ehrenamt hinter dem Erwerbsengagement rangiert, es als nachrangig gilt, obwohl, so ein Beispiel Jacobsens, auf die freiwillige Feuerwehr gar nicht verzichtet werden könne.

So wichtig das Ehrenamt ist, so wenig sollte dabei übersehen werden, dass es nur einen kleinen Ausschnitt "unbezahlter Arbeit" ausmacht (siehe z. B. hier), der ungleich größere sind Aufgaben im Haushalt und noch größer die Bedeutung für das Familienleben, wenn man noch die methodischen Probleme der Erfassung "unbezahlter Arbeit" berücksichtigt (siehe hier und hier).

In einem Beitrag auf Deutschlandfunk Nova ab Minute 23 war das Ehrenamt ebenfalls Thema am 10. August. Dort wurde auf die erwähnte Voraussetzung, es sich leisten zu können, hingewiesen, und ich hatte Gelegenheit etwas zum Ehrenamt zu sagen und Möglichkeiten dafür durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu erwähnen. Das wäre eben auch keine Bezahlung, sondern eine Ermöglichungspauschale.

Sascha Liebermann

22. August 2022

Was den Unterschied macht

18. August 2022

"Care-Arbeit" - wie abgrenzen?

Monika Bütler, Professorin an der HSG St. Gallen, gab der Neuen Zürcher Zeitung ein Interview anlässlich der bevorstehenden Volksabstimmung über eine Reform der AHV (Alten- und Hinterbliebenenversicherung der Schweiz) am 25. September. In wenigen Passagen geht es darin auch um "Care-Arbeit", diese seien hier kommentiert:

"[NZZ] Könnte man die unbezahlte Arbeit – Kinderbetreuung, Altenpflege, Nachbarschaftshilfe – mit Geld abgelten?

[MB] Alle reden von Care-Arbeit, doch niemand definiert, was das genau ist. Wenn ich für meine Familie koche, ist das schon Care? Ich finde nicht. Ein zweiter Punkt: Welche Care-Arbeit fällt in den privaten Bereich, welche Tätigkeit geht den Staat etwas an? Drittens: Wie soll Care abgegolten werden? Alles ist auch eine Wertefrage."

Bütler stellt drei Fragen. Die erste ist für sie schnell beantwortet, das Kochen für die Familie zähle nicht dazu, ohne zu erläutern, worin der Unterschied besteht. In der Diskussion um unbezahlte Arbeit wird dieser Unterschied gemeinhin durch das Drittpersonenkriterium definiert, was allerdings methodische Probleme aufwirft. Unmittelbar anschließend stellt sie eine weitere, aber anders gelagerte Frage, und zwar nach der Zuständigkeit. Die dritte zielt auf die Abgeltung. Wie aber löst sie diese Fragen, die auch Wertfragen sind, auf? Was wird nun aus der privaten Sorgetätigkeit? 

In der folgenden Passage geht es weiter:

"[NZZ] Die Linke sieht vornehmlich den Staat in der Pflicht. Care-Arbeit gehöre zum Service public.

[MB] Ich halte gar nichts davon, dass der Staat die Care-Arbeit in der Familie direkt mitfinanzieren soll. Über das Steuersystem mit Abzügen und teilweise unterschiedlichen Tarifen, über die Betreuungsgutschriften in der AHV/IV und Subventionen wird die geringere Leistungsfähigkeit der Familien durch den Staat ja durchaus berücksichtigt. Wir vergessen zudem oft, dass die Zeit, in der die Kinder klein sind, im Vergleich zur ganzen Lebensspanne doch recht überschaubar ist. Man muss sich nicht vierzig Jahre lang um die Kinder kümmern. Viele Eltern könnten vor der Geburt der Kinder vorsorgen oder Lücken in der Altersvorsorge, die während der Familienphase entstanden sind, später wieder füllen. Anders sieht es aus in Familien, wo kranke oder behinderte Kinder und Angehörige gepflegt werden müssen. Hier bin ich klar der Meinung, dass diese Arbeit unter bestimmten Bedingungen vom Staat entschädigt werden sollte. So zum Beispiel über eine Betreuungsrente im Alter, damit die Betroffenen nicht auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind."

Was Bütler in den ersten Zeilen ihrer Antwort übergeht, ist, dass steuerliche Begünstigungen nur greifen, wenn (Erwerbs)Einkommen vorliegt und die "Betreuungsgutschriften" erst wirksam werden, wenn die Rente in Anspruch genommen wird - beides ist in Deutschland vergleichbar. Für die Gegenwart bietet beides keine Lösung, mehr Zeit für Familie erlangt man dadurch nicht. Nun lässt sich der Arbeitsumfang reduzieren, auch das muss man sich aber leisten können, und was, wenn das nicht der Fall ist. Offenbar hat für sie Erwerbstätigkeit den Vorrang, wodurch sie zugleich normativ degradiert wird. Polemisch überspitzt stellt sie zurecht fest, dass Eltern nur über eine gewisse Lebensspanne gefordert sind, doch diese Spanne ist recht lang, je nachdem, ob jemand diese Aufgabe weitgehend selbst wahrnehmen oder sie an andere delegieren will. Bütlers Überlegungen bewegen sich ganz im Gefüge der Anerkennung von Erwerbsausfallzeiten bzw. steuerlichen Vergünstigungen, ohne aber eine wirkliche Alternative anzubieten, die es erlaubte, sich frei von einer Erwerbsverpflichtung für Sorgetätigkeiten familiarer Art entscheiden zu können - das wäre nur mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen möglich.

Mit der Übernahme des Care-Begriffs aus dem Englischen und seiner Ausweitung hat sich Ilona Ostner  differenziert auseinandersetzt.

Sascha Liebermann

7. Februar 2022

Ist das ein Erkenntnis- oder nicht vielmehr ein Bewertungsproblem?

An Veröffentlichungen dazu mangelt es nicht, Vorschläge zur Veränderung rütteln aber an einer entscheidenden Säule nicht: dem Vorrang von Erwerbstätigkeit. Allenfalls gibt es Konzepte wie z. B.  "atmende Lebensverläufe", eine andere Vollzeit oder Lebenszeitkonten, am Vorrang von Erwerbstätigkeit ändern sie jedoch nichts und damit auch nicht an der Degradierung anderer, nicht-erwerbsförmiger Tätigkeiten. Sie rütteln also nicht grundsätzlich an der Bewertung von Erwerbstätigkeit, solange sie das nicht tun, ist es unwahrscheinlich, dass sich etwas ändern wird.

Sascha Liebermann 

6. Dezember 2021

Arbeit und Arbeit - zweierlei

4. November 2021

Schiefer Gegensatz?

Unbestritten, Einkommen ist notwendig, um ein Auskommen zu haben. Die Frage ist, gibt es eine Alternative dazu, erwerbstätig eingebunden Wissenschaft betreiben zu müssen, weil es ohne das kaum möglich ist? Hier kommt das Bedingungslose Grundeinkommen ins Spiel. Es eröffnet für diejenigen, die es nicht in den "Betrieb" schaffen, weil die Hoffnung darauf, einem Lotteriegewinn gleichkommt, die Möglichkeit, weiter zu forschen (sofern weitere Bedingungen erfüllt sind). Der Gegensatz ist schief und stellt nur heute einen dar, da es diese Alternative nicht gibt. Denn nicht im Wissenschaftssystem zu sein, entlastet auch von Irrsinnigkeiten, die es dort gibt.

Siehe dazu hier mit weiterführenden Links.

Sascha Liebermann

22. Juni 2021

"Ein feministischer Blick auf eine zukunftsfähige Versorgungsökonomie" - und wie weiter?

In ihrem Beitrag auf Makronom weisen die Autorinnen Anja Peter und Christine Rudolf auf die Bedeutung der "Sorgewirtschaft" - bezahlt wie unbezahlt - hin, deren Leistungen für ein Gemeinwesen häufig unterschätzt werden. Sie buchstabieren auch die Folgen aus, die dies für die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern hat. Dass Sorgearbeit nicht mit den üblichen Produktivitätskriterien zu messen und entsprechend nicht zu rationalisieren bzw. automatisieren ist, machen sie deutlich (siehe hierzu die Ausführungen Stefan Sells zum verengten Produktivitätsbegriff). Um aber sichtbar zu machen, welchen Umfang Sorgearbeit volkswirtschaftlich hat, halten die Autorinnen es für wichtig, diese zu "beziffern", da wir in einer "geldgesteuerten Wirtschaft" lebten. Das ist für die bezahlte Arbeit noch nachvollziehbar, sofern sie sich einigermaßen in Arbeitsstunden und Preisen erfassen lässt. Für die unbezahlte Arbeit ist das hingegen nicht so selbstverständlich, wie die Autorinnen schreiben. Denn zu ihrer Bezifferung muss erst ein Verechnungsmaßstab angelegt, also auch ein Preis bestimmt werden. Hierzu wird unbezahlte mit bezahlter Sorgearbeit verglichen, z. B. die Aufgabe von Eltern mit den Löhnen von Erziehern. Damit wird jedoch ein wichtiger Unterschied zwischen bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit ausradiert, und zwar dass es sich um gänzlich verschiedene Beziehungsgefüge (siehe auch hier und hier) handelt. Der Preis dafür, unbezahlte Arbeit ebenfalls zu quantifizieren, ist also der Verlust ihrer Qualität. Der methodische Zugang im Sinne einer Bezifferung führt - ganz ähnlich wie bei den Zeitverwendungsstudien des Statistischen Bundesamtes der Versuch einer Bestimmung des Stundenvolumens - zu einer folgenreichen Verkürzung. Weshalb folgenreich? Weil damit suggeriert wird, die Leistung der einen, hier z. B. der Eltern, sei mit der Leistung der anderen prinzipiell vergleichbar. Das ist sie aber aufgrund des Beziehungsgefüges gerade nicht. Wozu der schiefe Vergleich führt, ist in der sozialpolitisch undifferenzierten Förderung von Betreuungseinrichtungen und der Propagierung möglichst umfangreicher Erwerbszeiten von Eltern gut zu erkennen.

Welchen Ausweg sehen die Autorinnen nun aus dieser Lage? Am Schluss ihres Beitrags schreiben sie:

"Gesellschaftliche Organisation und Finanzierung von qualifizierter, gut bezahlter Sorgearbeit und von unbezahlter Sorgearbeit bedarf also vielfältiger und neuer Antworten. Es ist der bezahlte und unbezahlte Sorge-und Versorgungssektor, in dem ein wesentlicher Teil der Arbeit verrichtet wird, die grundlegend ist für unseren Lebensstandard. Im Zuge der Automatisierung werden viele Jobs verloren gehen. Klar ist hingegen, dass die Sorge- und Versorgungsarbeit, sei sie unbezahlt oder bezahlt, nicht weniger werden wird. Deshalb sehen wir die dringende Notwendigkeit, eben diese Arbeit mit der ihr angemessenen Bedeutung und Wertigkeit aufzuladen und in Überlegungen zukunftsfähiger Versorgungsökonomien einzubeziehen."

Mit "Bedeutung und Wertigkeit" aufladen - aber wie soll das geschehen? Auf den Unterschied zwischen bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit im von mir genannten Sinne oben wird überhaupt nicht eingegangen. Genau darin aber liegt eine Gefahr der weiteren Substituierung solcher Sorgebeziehungen, in denen sich ganze Personen begegnen (z. B. familiale Sorgebeziehungen), durch solche, in denen Dienstleister und Dienstleistungsnehmer begegnen. 

Gerade für die unbezahlte Arbeit bietet die Diskussion um ein Bedingungsloses Grundeinkommen entscheidende Möglichkeiten, eine Kommodifizierung dieser Sorgebeziehungen zu verhindern. Auch davon kein Wort im Beitrag. 

Sascha Liebermann

20. April 2021

Frage beantwortet? Fabio de Masi nochmals zu Jobgarantie, Grundsicherung und unbezahlte Arbeit

 Fabio de Masi hat auf Eric Manneschmidts Rückfrage geantwortet. Ohne nun einordnen zu wollen, ob diese Antwort darauf bezogen zutreffend ist, enthält sie dennoch Ansatzpunkte, die für die Diskussion um eine Jobgarantie wichtig sind. De Masi schreibt:

"Die Jobgarantie ist ein zusätzliches Angebot und soll Menschen, die arbeiten können und wollen, eine sinnvolle Tätigkeit verschaffen. Sie ersetzt selbstverständlich keine soziale Sicherung bei Arbeitslosigkeit. Darauf habe ich hingewiesen. Wenn Sie gerne persönlich keiner Erwerbsarbeit nachgehen wollen, verschafft Ihnen das nicht das Recht, anderen die Möglichkeit einer sinnvollen Tätigkeit zu verwehren."

Welcher Art wäre denn diese Absicherung? Wäre sie wie heute konstruiert, also nur unter Bedingungen der Erwerbsbereitschaft zugänglich? Wäre sie auch ohne zugänglich, bliebe allerdings immer noch bestehen, dass sie nur als Noteinkommen im Fall wegfallenden Erwerbseinkommens greifen würde. Möglich ist das, aber das wäre ein Bruch mit dem bestehenden Gefüge, in dem Sanktionen dazu dienen, Leistungsbezieher "aktiv" zu halten. Weshalb folgt daraus, nicht erwerbstätig sein zu können, dass Herr Manneschmidt anderen den Zugang zu "einer sinnvollen Tätigkeit verwehren" will? Will er nicht gerade mittels BGE die Möglichkeit dafür schaffen, was sinnvoll ist, frei davon entscheiden zu können, ob es entlohnt wird?

Weiter schreibt de Masi:

"Und selbstverständlich haben Sie keinen unbegrenzten Anspruch darauf, dass andere Menschen für Sie arbeiten. Würde niemand mehr einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wäre ja übrigens auch das von Ihnen gewünschte bedingungslose Grundeinkommen nicht finanzierbar. Ein Recht kann aber nur bestehen, sofern es für jeden existiert. Dies ist ein Widerspruch, den Sie beantworten müssen, nicht ich."

Worin soll hier ein Widerspruch bestehen? Dann wäre auch die Sicherung des Existenzminimums ein Widerspruch, denn auf Arbeitslosengeld II, das dazu dient, besteht ein Rechtsanspruch, den jeder, allerdings müssen die Bezugsbedingungen erfüllt werden, geltend machen kann. Ein Rechtsanpruch verliert nicht seinen Status, weil er nicht erfüllbar ist. Allerdings, doch das ist trivial, ist ein Rechtsanspruch nicht mehr bedienbar, wenn mit dem bereitgestellten Einkommen keine Güter mehr erworben werden könnten, da niemand sie herstellte. Er würde nicht mehr erreichen können, was er erreichen will. Doch genau dieser Zusammenhang gilt für die Demokratie ganz grundsätzlich ebenso. Wenn keiner mehr bereit wäre, die politische Ordnung zu tragen und damit die Rechtsordnung zu garantieren, wäre sie für die Katz. Dennoch lebt die Demokratie gerade davon, diese Bereitschaft nicht erzwingen zu können. Versuchte sie es, würde sie ihre eigenen Grundlagen untergraben

"Eine soziale Grundsicherung ist immer auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu garantieren und sollte nach meiner Vorstellung über die gegenwärtigen Leistungen des Hartz-IV-Systems hinausgehen. Allen voran die Zumutbarkeitskriterien, die Menschen in Jobs drängen, die sie gar nicht wollen, und nebenbei noch Arbeit unanständig billig machen, gehören abgeschafft."

Dann stellt sich nur die konkrete Frage: unter welchen Bedingungen würde sie bereitgestellt werden, was müsste der Bezieher tun? Keine Sanktionen mehr? Das wäre ein Umbruch. Weshalb aber dann nicht gleich ein BGE?

"Seit dem Beginn der Lohnarbeit ist es Ziel - etwa der Arbeiterbewegung - gewesen, die Erwerbsarbeit zu humanisieren (Arbeitszeitverkürzung, Arbeitsschutz) und in bestimmten Bereichen auch gesellschaftlich darüber zu entscheiden, was und wie produziert wird (Wirtschaftsdemokratie). Arbeit ist nicht nur Einkommen, sondern kann auch soziale Kontakte und Sinn stiften."

Ja, kann, wer würde dem widersprechen? Ein Einwand gegen ein BGE ist das auch nicht, denn "soziale Kontakte" am Arbeitsplatz sind nicht die einzigen, die es gibt, heute sind sie aber von besonderer Bedeutung angesichts der Überhöhung von Erwerbstätigkeit.

"Wenn der Maßstab hierfür alleine ist, was Sie oder jemand anderes persönlich empfinden, braucht es keine Wirtschaftsdemokratie. Der eine findet Windräderbauen falsch, der andere Burgerbraten. Das muss eine Gesellschaft verhandeln. Für mich sind der Maßstab Kriterien des Gemeinwohl (etwa eine ressourcenschonende Produktionsweise) und gute Arbeit, die ein Leben frei von Existenzängsten ermöglicht."

Wo liegt hier der Dissens? De Masi sagt doch selbst, dass darüber verhandelt werden müsse, dazu bedarf es entsprechender Verhandlungsmacht. Darüber, welche Arbeit der Einzelne "gut" und "sinnvoll" findet, ist dadurch nichts gesagt, deswegen muss er ja verhandeln können. Hier bleibt unklar, wie weit das bei de Masi gehen soll, weil nicht klar ist, unter welchen Bedingungen eine Grundsicherung bereitsteht.

"Ich achte unbezahlte Arbeit überhaupt nicht gering. Mein Anspruch ist es, viele Tätigkeiten, die derzeit unentgeltlich und privat verdichtet werden, ordentlich sozial abzusichern (z.B. Kinderbetreuungszeiten in der Rentenversicherung) bzw. in der Daseinsvorsorge zu organisieren. Wir bezahlen ja auch Altenpfleger*innen oder Beschäftigte in Kinderbetreuungseinrichtungen. Oder drängen wir diese Menschen in Erwerbsarbeit und soll dies nur noch privat verrichtet werden?"

Kinderbetreuungszeiten in der Rentenversicherung anzuerkennen (was jetzt schon der Fall ist), hilft in der Gegenwart, wenn diese Leistung erbracht wird, nicht. Daseinsvorsorge? Kann ich diese Betreuung dann selbst übernehmen und woher kommt mein Einkommen? Sollen Eltern bezahlt werden dafür, zuhause sein zu können? Zwar strebt ein BGE keine Bezahlung an, aber eine Ermöglichung auf der Basis von Einkommenssicherheit. De Masi wirft hier zwei Dinge in einen Topf: professionalisierte Dienstleistungen, die allgemein bereitstehen und abgerufen werden können auf der einen, persönliche Fürsorgebeziehungen, die nur für ganz bestimmte Personen erwogen werden, auf der anderen Seite. Am Ende ist nun unklar, wie er dazu steht, "unbezahlte Arbeit" zu ermöglichen, es klingt doch nach Kommodifizierung bzw. Auslagerung persönlicher Fürsorgebeziehungen in Dienstleistungseinrichtungen - das ist aber nicht dasselbe.

Sascha Liebermann

15. April 2021

Und immer wieder der Kostgängereinwand, die einen lebten auf Kosten der anderen - gut pariert

25. März 2021

Wichtige Fragen, gute Antworten von Barbara Prainsack - wenige Anmerkungen

Das Video bei Youtube anschauen.

In diesem Gespräch werden häufige Einwände gegen ein BGE thematisiert, die von Barbara Prainsack treffend pariert werden. Sie beantwortet sie - wie eingangs gesagt wird - auf Basis des Modells von BGE, das sie vertritt. Wenige Anmerkungen habe ich dazu.

Gleich zu Beginn favorisiert sie eine gestaffelte Höhe des BGE, weshalb, wird nicht erläutert. In der Diskussion wird häufig die Staffelung mit der Finanzierungsfrage verbunden, die Staffelung verringert den Finanzierungsaufwand. Bedacht werden an dieser Stelle drei Dinge nicht: 1) Ein BGE soll die Person um ihrer selbst willen anerkennen, weshalb also die Staffelung, die zu einer Ungleichbehandlung führt? 2) Alleinerziehende werden durch ein gestaffeltes BGE schlechter gestellt, obwohl sie häufig den Alltag alleine schultern müssen. 3) Die volle Betragshöhe in z. B. einem Vierpersonenhaushalt, auf die der Interviewer verweist, würde nur für eine bestimmte Zeitspanne relevant sein - solange nämlich, wie die Kinder zuhause leben.

Mit ihrem Auszug zieht das BGE mit, damit verringert sich das Haushaltseinkommen der Eltern wieder.

An mehreren Stellen verweist Prainsack auf die Ergebnisse aus Feldstudien, obwohl sie durchscheinen lässt, dass es sich dabei nicht um dieselbe Situation handelt, die mit einem allgemein eingeführten BGE herrschen würde. Ich würde aufgrund der methodischen Beschränkungen dieser Feldexperimente auf diese Befunde nicht rekurrieren, weil sie nicht vergleichbar sind mit der allgemeinen Einführung. 

Für die Höhe wird der Zweck der Existenzsicherung benannt, Prainsack versteht ein BGE als Menschenrecht. Das ist eine verbreitete Bezugnahme und Begründung, doch die Menschenrechte als solche sind ein Abstraktum und werden erst dadurch wirksam, dass sich eine politische Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft an sie bindet. Keineswegs gelten sie international als Selbstverständlichkeit, darüber kann auch die Unterzeichnung der Deklaration nicht hinwegtäuschen.

Auf die Frage, ob denn nicht doch die Gefahr bestehe, dass - der Interviewer spitzt bewusst zu - die Aufenthaltszeit vor dem Flachbildfernseher drastisch zunehme, verweist Prainsack wieder auf die Studien. Hier hätte grundsätzlicher angesetzt werden können, denn die Frage des Interviewers gräbt am Fundament der Demokratie, wenn sie die Bezugsberechtigung an Wohlverhalten bindet. Der Bürger muss parieren, so könnte man diese Frage umschreiben. Das widerspricht den Grundfesten von Demokratien (siehe auch hier), die auf die Selbstbestimmung setzen und in sie vertrauen. Wer also die Aufenthaltszeit vor welchem Bildschirm auch immer mit dem BGE verlängern will, könnte das tun, es gäbe keine Handhabe dagegen - und es darf sie auch nicht geben (solange z. B. andere nicht gefährdet sind, Stichwort Schutz des Kindeswohls).

Zuletzt sei noch der Einwand genannt, ein BGE könne als Herdprämie wirken. Prainsack findet, diese Sorge sei nicht von der Hand zu weisen, es überwiegen in ihren Augen jedoch die Vorteile eines BGE. Hier gilt, was oben schon für den Flachbildschirm galt, es liegt in den Händen des Einzelnen, was er mit dem BGE anstellt. Gerade bei diesem Einwand hier allerdings, darf doch nicht der Stellenwert von Erwerbstätigkeit heute übersehen werden, die normative Kraft des Erwerbsgebotes galt für Männer ungleich länger als für Frauen, so daß diese Asymmetrien weiter fortsetzen. Mit einem BGE würde jedoch gerade diese normative Stellung von Erwerbstätigkeit aufgehoben, damit veränderte sich die Basis, auf der sich die Asymmetrie entwickelt hat. Außerdem - wie Michael Sienhold jüngst schrieb - ist ein BGE gar keine Prämie, es verlangt keine Gegenleistung, es ist also allenfalls eine Prämie für's Dasein, nicht aber für  ein Streben irgendwo hin und sei es an den Herd. Mit einem BGE würde erst der Boden bereitet, damit die heute sträflich vernachlässigten, degradierten Haushaltstätigkeiten erst die Stellung erhalten, die ihnen gebührt: unersetzlich und unerlässlich zu sein. Ein Paar z. B. könnte sich ganz anders fragen, wie es dazu steht als heute (siehe hier).

Sascha Liebermann

15. März 2021

"Was Ihre Care-Arbeit wert ist (und warum Sie niemand bezahlt)" - und eine unbeantwortete Frage: wie vom Primat der Erwerbstätigkeit wegkommen?

Lou Zucker schreibt im Spiegel Psychologie über den Stellenwert von "Care-Arbeit" und will mit aufklärerischer Absicht darauf hinweisen, was wohl diese unbezahlte Leistung für einen Lohn mit sich bringen könnte. Denn schließlich seien wir, wie treffend herausgehoben wird, von ihr abhängig, um überhaupt erst erwerbstätig sein zu können. Die Wirtschaft ist also von ihr abhängig, denn ohne "Sorgearbeit" keine Kinder, dasselbe - so muss ergänzt werden - gilt für die politische Gemeinschaft, denn auch sie kann nicht fortbestehen, ohne Bürger, die sich ihr verpflichtet fühlen, und die Kinder von heute sind die Bürger der Zukunft. Das erwähnt die Autorin überraschenderweise nicht, wie es überhaupt wenig Erwähnung findet in der Debatte um unbezahlte Arbeit. 

Versuche, den Preis der umfangreichen Sorgetätigkeiten zu ermitteln, gibt es einige, die Autorin verweist auf manche, doch diese Versuche haben einen Haken: sie - wenn auch nur simuliert - verwandeln die Sorgetätigkeiten in ein Erwerbsverhältnis. Die gute Absicht, die volkswirtschaftliche Bedeutung sichtbar zu machen, die sonst leicht untergeht, hat genau diesen Preis. Es ist grundsätzlich etwas anderes, ob ich für jemanden sorge, weil ich ihm als Person um seiner selbst willen verbunden bin (siehe auch hier) oder ob ich eine Dienstleistung erbringe, in der das Gegenüber austauschbar ist, weil der Dienst für jeden erbracht wird, der ihn nachfragt. Nur für ersten Fall gilt, was im Familienleben insbesondere mit Kleinkindern aber auch später den Normalfall darstellt: immer verantwortlich zu sein, 24 Stunden am Tag, was dauernde "Rufbereitschaft" mit sich bringt.

Für Dienstleistungen gilt das genau nicht. So sind auch die Angaben in den Zeitverwendungsstudien des Statistischen Bundesamtes oder anderer Studien mehr als ungenau, denn die aufgewandte Erziehungszeit pro Tag lässt sich nicht erfassen, es sei denn, sie wird willkürlich eingegrenzt. Doch selbst wenn mit Kindern nicht gespielt, sie nicht bekocht oder für sie geputzt und aufgeräumt wird, sondern die bloße Anwesenheit in der Nähe verbracht wird, neben ihnen sitzend, "nichts" tuend, ist das Erziehungszeit - es ist Zuwendung und Aufmerksamkeit, verlässliche Sorge. Weil dies selbst nachts der Fall ist, müsste in die Berechnungen der gesamte Tag Eingang finden. Selbst der Aufenthalt im Kindergarten ist noch mit der Bereitschaft verbunden, ein Kind abzuholen, sobald es nötig ist. An einem Beispiel wird das durchdekliniert.

Was also mit guten Absichten verbunden ist, führt doch dazu, den Umfang und die Bedeutung unbezahlter Arbeit zu reduzieren, damit aber auch ihre Eigenheiten zu verstellen. Was aber folgt nun daraus?  Keineswegs ein Schönreden der Verhältnisse, es stellt sich die Frage, wie dem begegnet werden kann, ohne diese Tätigkeiten in Dienstleistungen zu verwandeln, die entlohnt werden. Bezeichnend ist für die Diskussionslage, ich berufe mich auf die wiedergegebene Aussage von Uta Meier-Gräwe, mit welchen Einwänden sich gegen eine Entlohnung gerichtet wird. Nicht etwa wegen der hier schon genannten, vielmehr gelte es zu verhindern "dass Lohn für Hausarbeit dazu führen würde, dass noch mehr Frauen zu Hause bleiben". Zum einen folgte das nicht notwendig aus einem solchen Lohn, zum anderen wäre es eine Frage, die ein Elternpaar selbst zu klären hätte. Was Meier-Gräwe stattdessen vorschlägt, läuft nur darauf hinaus, am Primat von Erwerbstätigkeit nichts zu ändern, sondern ihn lediglich etwas zu mildern durch eine reduzierte Normalarbeitszeit oder Rentenpunkte für Erziehungszeiten (die es schon in geringem Umfang gibt).

Daraus einen Ausweg weist nur ein Bedingungsloses Grundeinkommen, denn nur es hebt den Primat von Erwerbstätigkeit auf.

Sascha Liebermann

14. September 2020

Treffende Kritik - wie aber zu einer Lösung gelangen?


Und wie könnte Familie der Platz bzw. der Status geschaffen werden, damit sie tatsächlich als eigenständiges Sozialgebilde auch Anerkennung findet? Das geht nicht durch Arbeitszeitmodelle, die das Einkommen doch wieder an Erwerbstätigkeit knüpfen, wenn auch an einen reduzierten Umfang, denn selbst da bliebe der normative Vorrang von Erwerbstätigkeit bestehen. Eltern wiederum zu entlohnen, saugte das Beziehungsgefüge in die Erwerbslogik hinein. Was bleibt? Ich sehe nur einen Weg: ein Bedingungsloses Grundeinkommen in ausreichender Höhe. Dann ließen sich Sorgetätigkeiten, die auf der Besonderheit persönlicher Nahbeziehungen (also diffusen Sozialbeziehungen) beruhen, ebenso einfach übernehmen, wie sie eine Professionalisierung von Sorgetätigkeiten als spezifische Dienstleistung unterstützten.

Siehe auch Beiträge zur "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" und "unbezahlter Arbeit".

Sascha Liebermann