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27. August 2025

Einst und jetzt

12. Mai 2025

"Grundeinkommen für alle?" - ein Gespräch zwischen Marcel Fratzscher und Andreas Peichl...

...mit teils unerwarteten und vielen erwartbaren Einschätzungen - hier geht es zum Gespräch bei Zeit Online (Bezahlschranke)

Ausgewählte Passagen seien hier wieder kommentiert. Zuerst einmal ist festzustellen, dass Marcel Fratzscher herausstellt, dass er selbst gegenüber dem BGE kritisch war - genau genommen hat er es mit einer ausgesprochen paternalistischen und in manchem der Haltung Peichls entsprechenden Ausführungen abgelehnt, das war 2017, also noch nicht so alt. Ähnlich in diesem Streitgespräch aus dem Jahr 2018.

Andreas Peichl hat sich wiederholt ablehnend zum BGE geäußert wegen der Auswirkungen, die er befürchte, diese Einwände wiederholt er mehr oder weniger im Zeit-Gespräch. 

Wie begründet Fratzscher seine veränderte Haltung: "Der Hauptgrund dafür ist das positive Menschenbild, das dem Grundeinkommen zugrunde liegt. Es betrachtet den Menschen als soziales Wesen, das intrinsisch motiviert ist, einen Beitrag zum Wohl der Gemeinschaft zu leisten". Diese Begründung ist eher eine weltanschaulich praktische, ihr unterliegt ein Werturteil. Doch Fratzscher spricht hier, so werden beide zumindest angesprochen, als Wissenschaftler und Präsident des DIW. Dafür ist es irrelevant, ob man etwas sympathisch, unsympathisch oder sonstwie findet. Stattdessen müsst er zumindest Belege oder argumentative Herleitungen präsentieren, die deutlich machen, dass diesem "Menschenbild" eine Realität zugrundeliegt, die wir sozialwissenschaftlich untersuchen können - und nicht eine weltanschauliche Einordnung. Es müsste also darum gehen, aufzuzeigen, dass ein BGE Voraussetzungen enthält, die zum einen schon in der politischen Ordnung Deutschlands eine harte Wirklichkeit darstellen, zum anderen die Entscheidungsfindung des Einzelnen schon heute damit konfrontiert ist, genau die Handlungsfähigkeit in die Tat umzusetzen, die ein BGE verlangen würde.

Irritierend ist dann folgende Formulierung Fratzschers:

"Es [das BGE, SL] betont die Notwendigkeit, unsere Sozialsysteme umzugestalten, weg von einem reaktiven und sanktionierenden und hin zu einem aktivierenden Sozialstaat, der Freiheiten und Chancen schafft, damit möglichst alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können."

Fratzscher macht hier einen Gegensatz zwischen einem sanktionierenden und einem aktivierenden Sozialstaat auf, ganz ähnlich wie einst Robert Habeck Boni im Leistungsbezug den Sanktionen vorziehen wollte. Doch eine Aktivierung benötigen Bürger nicht, allenfalls müssen Hindernisse der Selbstbestimmung aus dem Weg geräumt werden - das ist etwas ganz anderes. Außerdem hatte die Vokabel von der Aktivierung ihre Hochzeit mit Einführung von Hartz IV. Chancen schafft der Sozialstaat, indem er zuerst einmal auf den Einzelnen vertraut und dann Angebote macht, die wahrgenommen werden können.

Wie äußert sich Andreas Peichl dazu:

"Peichl: Das [dass Menschen ihr Arbeitsangebot nicht reduzieren, SL] wäre natürlich eine positive Entwicklung, ich will aber noch einmal zum Ausgangspunkt zurück. Es gibt Menschen, die intrinsisch motiviert sind, wie du es gesagt hast, Marcel. Sie arbeiten gern, zum Beispiel weil sie ihre Tätigkeit als sinnstiftend empfinden oder das soziale Umfeld schätzen. Das widerspricht dem im ersten Semester gelehrten volkswirtschaftlichen Grundmodell, das nur Arbeitsleid kennt und keine Arbeitsfreude. Dass das anders sein kann, sehen wir in den Daten. Es gibt aber auch Menschen, für die die Entlohnung der wichtigste Grund für die Aufnahme einer Arbeit ist. Deshalb muss man staatliche Leistungen so austarieren, dass sie die intrinsische Motivation erhalten, ohne die extrinsische zu zerstören. Auch mit einem Grundeinkommen muss es sich lohnen, eine Arbeit aufzunehmen."

Peichl stellt die intrinsische der extrinsischen Motivation gegenüber und legt damit nahe, dass für die einen ein BGE richtig und angemessen wäre, weil sie intrinsisch motitivert seien, für die anderen aber nicht. Wenn aber ein BGE als Basis dient und ein Lohn hinzukommen kann, dann ist dem, was er "extrinsische" Orientierung nennt, Genüge getan. Was als Einwand gedacht ist, ist keiner. Davon abgesehen wäre es ein Missverständnis zu meinen, "extrinsische Motivierung" sei eine eigene Quelle von Aktivität, denn auch die Orientierung am Lohn ist eine intrinsische, denn den Lohn als vorrangiges Ziel oder Motiv zu betrachten, ist eine Haltung, die der Betreffende zum Lohn einnimmt, es ist seine Haltung. Das von Peichl erwähnte Theorem vom Arbeitsleid ist eines der empiriefreien Lehnstuhltheoreme, das in vielen Simulationen zu etwaigen Auswirkungen eines BGE die entscheidende Annahme bildet mit entsprechenden Ergebnissen. Was wäre, wenn andere Annahmen die Simulationen leiten würden? 

Fratzscher antwortet Peichls Motivierungsthese:

"Fratzscher: Die Frage ist mir zu despektierlich [zuvor wurde gefragt, wer den Müll wegräume]. Auch die Tätigkeit bei der Müllabfuhr kann sinnstiftend sein. In Deutschland gehen viele Millionen Menschen zur Arbeit und machen einen harten Job, der ihnen viel abverlangt – obwohl sie vielleicht nur ein paar Euro mehr bekommen als im Bürgergeld. Es gibt auch im Niedriglohnsektor eine intrinsische Motivation. Es kommt aber natürlich darauf an, dass der Lohnabstand groß genug ist, dass ich also, wenn ich arbeite, mehr Geld habe, als wenn ich nur das Grundeinkommen beziehe. Das bedeutet, dass nach der Einführung eines solchen Einkommens die Löhne steigen müssten. Dann würden einfache Dienstleistungen wahr- scheinlich teurer werden, aber das ist aus meiner Sicht gut. Der Abstand zwischen hohen Löhnen und niedrigen Löhnen ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen, wenn diese Lohnspreizung zurückgeht, wäre das im Sinne des sozialen Zusammenhalts eine positive Entwicklung."

Fratzscher antwortet hier treffend auf einen Klassiker der Einwände gegen ein BGE (siehe unsere Kommentare zu diesem Einwand hier). Wer diese Frage als ernsthaften Einwand betrachtet, müsste zeigen können, dass eine solche Bereitschaft zu Engagement in diesen Berufen nicht gibt - wo ist dieser Beleg? Wie das empirielose Lehnstuhltheorem vom Arbeitsleid, so beruht auch diese Einschätzung - Peichl nennt keine Studie oder Quelle - auf sehr voraussetzungsvollen Annahmen oder eben auf Vorurteilen. In den vielen Jahren, die ich schon Vorträge zum BGE gehalten und Diskussionen bestritten habe, konnte nie ernsthaft belegt werden, dass es am Interesse an einer solchen Tätigkeit fehlt. Eher ist es so, dass, wenn die Bezahlung es nicht erlaubt, die eigenen Lebenshaltungskosten zu decken oder die Arbeitsbedingungen zu schlecht wurden, dann deswegen der Beruf gewechselt wurde - nicht aber des Inhaltes wegen. Fratzscher allerdings unterläuft hier ein Denkfehler, denn im Unterschied zu heute gibt es zwischen BGE ohne und BGE mit Lohn immer einen relevanten Abstand, da der Lohn nicht angerechnet wird. Wenn also ein BGE eingeführt würde und die derselbe Lohn wie zuvor würde gezahlt, könnte das immer noch attraktiv sein. In dieser Überlegung Fratzschers scheint noch das Armutsfallentheorem fortzuwirken, das wie selbstverständlich genutzt, aber ebensowenig belegt ist (siehe hier). 

Wie sehr Peichl noch am Arbeitsleid- und Anreiztheorem hängt, zeigt sich hier:

"Peichl: Mit den Regeln, die wir jetzt haben, würden sie dafür in vielen Fällen faktisch bestraft werden, weil dann möglicherweise Transferleistungen wie zum Beispiel das Wohngeld wegfallen und Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden müssen. Das führt dazu, dass vom zusätzlich erzielten Bruttoeinkommen netto wenig übrig bleibt – wenn überhaupt etwas. Man müsste also das Sozialsystem umbauen, um die Arbeitsanreize zu stärken, und gleichzeitig sicherstellen, dass der Staat genug Geld einnimmt, um das Grundeinkommen zu finanzieren."

Und hier wiederholt sich das:

"Peichl: Das Problem mit solchen Berechnungen ist, dass mögliche Anpassungsreaktionen nicht berücksichtigt werden. Wir müssen zum Beispiel davon ausgehen, dass die Leute weniger arbeiten, wenn Arbeit höher besteuert wird. Dann geht die Wirtschaftsleistung zurück, und die Steuereinnahmen sinken. Ich kann da in den Modellen ganz verheerende Wirkungen berechnen, je nachdem, welche Annahmen ich treffe – vor allem, wenn zu der 50-Prozent-Steuer noch Sozialabgaben dazukommen. Ich kann natürlich auch zu weniger dramatischen Ergebnissen kommen. Es ist schwierig bis unmöglich, die Folgen einer derart weitreichenden Änderung mit den Methoden, die uns zur Verfügung stehen, abzuschätzen."

Welche Anpassungsreaktionen, auf Basis welcher Annahmen erfolgen sie? Wenn ein BGE eingeführt wird und die höhere Besteuerung seiner Finanzierung dient, weshalb sollte das in der Breite es weniger attraktiv machen, erwerbstätig zu sein. Auch das ist eine Behauptung. Peichl sagt ja selbst - "je nachdem, welche Annahme ich treffe" -, eben, "je nachdem". Wie aber gelange ich denn zu diesen Annahmen? Nur weil etwas aufgrund der Verbreitung dieser Vorstellung von Arbeitsanreizen plausibel erscheint, muss es noch lange nicht plausibel sein. Dass er als Wissenschaftler das einfach so dahin stellt, ist erstaunlich. 

Aufschlussreich an dem Gespräch ist auch, dass Peichl lediglich einräumt, welch negative Auswirkungen Sanktionen haben können, wenn sie nur zu kurz anhaltenden Beschäftigungsverhältnissen führen. Dass er aber überhaupt in der Erhöhung der Beschäftigungsverhältnisse ein relevantes Ziel sieht und nicht darin, durch eine Veränderung der Existenzsicherungsbedingungen durch ein BGE die Chancen für ein gutes Passungsverhältnis zwischen Arbeitsuchendem und Unternehmen zu verbessern oder sogar darüber hinaus die offensive Nutzung von Automatisierungsmöglichkeiten zu befeuern, überrascht.

"ZEIT: Letzte Frage: Ab welchem Einkommen würden Sie aufhören zu arbeiten?

Peichl: Ich glaube, auch mit sehr viel mehr Geld würde ich mir ein Büro einrichten und weiter an den inhaltlichen Themen arbeiten. Es gibt für mich keine Summe, die groß genug wäre, um diesen Job nicht zu machen.

Fratzscher: So ist das auch bei mir. Ich sehe die Arbeit, die ich machen darf, als Privileg an. Ich gebe aber zu, dass ich mich sehr schwertun würde, mit 1.200 Euro im Monat auszukommen."

Die Frage ist ein Klassiker und wurde schon im ersten langen Grundeinkommensfilm gestellt, die Antworten waren damals schon bezeichnend und sind es auch hier. Was für Peichl gilt, scheint für andere ja nicht gelten zu können; was Fratzscher sagt, bestätigt, was BGE-Befürworter schon lange sagen, auch wenn es nur ein Aspekt unter anderen ist.

Sascha Liebermann

11. April 2025

Ernüchterung oder realistische Einschätzung? Welche Schlüsse können gezogen werden?

Auch wenn der Titel der Kolumne Marcel Fratzschers irreführend ist und es sich bei den jüngst vorgestellten Ergebnissen des Pilotprojekts Grundeinkommen weder um ein allgemeines BGE noch um eines über die Lebensspanne handelte, weist er doch selbst auf die Beschränkungen des Projekts hin und die Vorsicht, mit der die Ergebnisse bewertet werden sollen. Von daher können diesbezüglich keine Schlüsse auf ein allgemeines BGE gezogen werden.

Zwei Aspekte seien in dem Beitrag herausgehoben. Fratzscher schreibt erstens:

"Ein bedingungsloses Grundeinkommen führt vermutlich nicht per se dazu, dass sich deutlich mehr Menschen selbstständig machen. Ausschlaggebend für eine solche Entscheidung sind die individuellen Fähigkeiten, Chancen und Informationen. Oder andersherum formuliert: Mehr Geld ist meist keine essenzielle Voraussetzung für eine Verhaltensänderung in Bezug auf Arbeit und Qualifizierung, sondern mehr Geld ist das Resultat von Qualifizierung und Anstrengungen."

Seit ca. 20 J. heben die ernsthaften Stimmen in der deutschen Debatte genau das hervor. Man muss die Veröffentlichungen dazu schon sehr selektiv rezipieren, um das nicht zu entdecken.

Der zweite Aspekt über den er schreibt: 

"Zweitens hängen die meisten Entscheidungen und Verhaltensweisen der Menschen weniger von Geld als von ihren Werten und ihrer Mentalität ab. Menschen verändern ihr Verhalten nicht, weil sie regelmäßig Geld bekommen. Sie sind geprägt durch andere Faktoren, etwa die Werte, mit denen sie groß geworden sind oder die sie in ihrem Umfeld erleben. Mehr Geld führt nicht einmal zu einer geringeren Risikoaversion und einer höheren Akzeptanz gegenüber Risiken in Bezug auf Arbeit, da diese häufig fest im Wertekanon und der Mentalität verankert ist."

Auch das haben ernsthafte Stimmen immer vertreten. Es sind verbreitete Simulationsmodelle, die zu Finanzierungsrechnungen genutzt werden, die anderes behaupten.

Anders als Fratzscher resümiert, sind die Ergebnisse der Studie gar nicht ernüchternd, sondern realistisch und nicht überraschend. Sie entsprechen dem, was aus soziologischer Forschung über Habitus, Mentalität und die sozialisatorischen Prozesse, die zu ihrer Herausbildung führen, bekannt ist. Das war vor zwanzig Jahren auch schon bekannt.

Sascha Liebermann

14. November 2024

"Bedingungsloses Grundeinkommen - Geld für alle?"

Siehe unseren früheren Beiträge zu Marcel Fratzscher und Christoph Butterwegge

8. Januar 2024

Ist die Frage nach der Finanzierbarkeit das "wichtigste Argument" gegen ein BGE?

Marcel Fratzschers Beitrag erschien auf Zeit Online. Er behauptet darin folgendes:

"Das wohl wichtigste Argument dagegen [gegen das BGE, SL] ist die Finanzierbarkeit: Die notwendigen Steuererhöhungen würden das Land in den wirtschaftlichen Ruin treiben."

Diese Einschätzung halte ich für nicht zutreffend, er ist ein wichtiger Aspekt der Debatte, aber nicht der wichtigste. Zwar ist es so, dass in Diskussionen dieser Einwand als erstes angeführt wird, in der Regel erweist er sich aber als unterkomplex. Darüber hinaus beruht der Einwand auf Annahmen, die häufig gesetzt und nicht weiter geprüft werden, so z. B. die Auswirkungen auf die Wertschöpfung durch Rückgang des Arbeitsangebotes usw. Positive Auswirkungen werden selten berücksichtigt, gerade darauf was Leistungsfähigkeit und -bereitschaft betrifft - Fratzscher erwähnt es immerhin, was seine Ausführungen heraushebt. Zugrundeliegt dieser negativen Erwartung die Behauptung, Erwerbstätigkeit erzeuge Arbeitsleid, dieses Leid werde durch Lohn  und Freizeit ausgeglichen. Stehe ein BGE zur Verfügung, müsse nicht dasselbe Leid ertragen werden, um ausreichend attraktives Einkommen zu erzielen. Dass Erwerbstätigkeit wie jede Tätigkeit verschiedene Momente hat, wie z. B. das Beitragen zu einer allgemeinen Leistung, die Erfahrung des Gelingens oder Erfülltseins u.a. wird selten berücksichtigt. 

Bedenkt man, wie er sich früher, und das ist noch nicht allzulange her, zum BGE geäußert hat (siehe diesen Beitrag in Wirtschaftsdienst und dieses Streitgespräch), sind seine Ausführungen beachtlich.

Sascha Liebermann

8. September 2022

Ausgaben absolut und relativ

23. August 2022

"Verantwortung geben" oder jemandem überlassen?

Vor nicht allzulanger Zeit, so scheint es, hat Marcel Fratzscher in dieser Frage eine bemerkenswerte Wendung vollzogen, siehe hier und hier.

Sascha Liebermann

9. Mai 2022

"Bislang galt immer: Jede Arbeit ist besser als Langzeitarbeitslosigkeit"

Das Zitat trifft die Lage bis heute. Manche, die mittlerweile für ein Bedingungsloses Grundeinkommen plädieren oder es zumindest für erwägenswert halten, haben allerdings früher genau das vertreten, was hier als rückständig hervorgehoben wird, so z. B. Wolfgang Streeck und Rolf Heinze in ihrem bekannten Spiegel-Beitrag (siehe auch hier). Auch Marcel Fratzscher sah das vor nicht allzulanger Zeit genauso, hat seine Kehrtwendung allerdings offen thematisiert.

Sascha Liebermann

Diskussion zum Grundeinkommen beim "FONDS professionell KONGRESS"

Siehe unsere früheren Kommentare zu Ausführungen Marcel Fratzschers (der seine Position dazu erheblich verändert hat), Henning VoepelsThomas Straubhaars und Richard David Prechts.

12. Oktober 2021

Deutschland, kein Hochsteuerland

Siehe hierzu auch die Grafik auf dem Portal Sozialpolitik aktuell 

 

4. Oktober 2021

"Die gefühlte Inflation der Menschen ist deutlich höher als die wirkliche Inflation"

16. August 2021

Chapeau - das nenne ich Richtungswechsel in der Argumentation und das mit einer Selbstverständlichkeit,...

...wenn man bedenkt, was Marcel Fratzscher "früher" vertreten hat in Sachen BGE, siehe z. B. hier,  hier  und hier. Es ist schon überraschend, dass jemand, der so vehement gegen ein BGE argumentierte und Befürwortern allerhand unterstellte, so plötzlich und ohne weitere Anmerkung die "Seite wechseln" kann.

Was die Finanzierung sowie den Unterschied von Brutto- und Nettokosten betrifft, bewegt sich seine Bemerkung im Konsens der BGE-Diskussion.

Ein Einwand, der bei Twitter gegen Fratzschers Einlassungen vorgebracht wurde, zielt darauf, makroökonomische Effekte durchzurechnen, die ein BGE mit sich brächte. Doch ersetzen solche Berechnungen Gestaltungsentscheidungen? Keineswegs. Auf Basis welcher Annahmen geschähen sie? Das wäre eine eigene Diskussion wert.

Sascha Liebermann

19. November 2020

"Bedingungsloses Grundeinkommen – Existenz-Sicherung oder Faulenzer-Prämie?"...

...eine Diskussion auf im RBB, das Video finden Sie hier. Teilnehmer waren:

Michael Bohmeyer, Gründer der Initiative "Mein Grundeinkommen"
Rainer Schwadtke, Bäckermeister
Tonia Merz, Modemacherin
Christian Gräff (CDU), Landesvorsitzender Mittelstandsunion
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)
Christoph Butterwegge, Armutsforscher

Der teilnehmende Bäckermeister war schon einmal bei Anne Will zu Gast. Seine Ausführungen haben mich damals zu dem Beitrag "'Arbeitswelt im Wandel' – oder Unternehmen als Erziehungsanstalten?" und "Wer will dann noch beim Bäcker arbeiten? Über Fragen, die tief blicken lassen" veranlasst.

31. August 2020

"Wer sind 'Die Leistungsträger' in unserer Gesellschaft?" - Statt den Blick zu weiten, geht es wieder nur um Erwerbsarbeit,...



...bei aller Berechtigung der Frage, die Marcel Fratzscher hier stellt. "Unbezahlte Arbeit" einzubeziehen scheint nicht so einfach. Darüberhinaus ist die Rede von "Leistungsträgern" in einer Demokratie auch sonderbar, denn dort gibt es - wenn man so will - nur "Leistungsträger", allerdings ohne dass sie Leistung erbringen müssen. Denn dass, was sie sind, sind Bürger in der Demokratie einfach so.

Sascha Liebermann

24. August 2020

"Mehr als ein sperriges Wort – das bedingungslose Grundeinkommen"...

...ein Podcast in HR 2 Der Tag. Darin werden verschiedene Kurzinterviews geführt, u. a. auch mit Marcel Fratzscher, der ja bislang gegen ein BGE war, mit Gerhard Bosch (er hält nichts von einem BGE, siehe auch hier; Bosch macht wieder die Bruttokostenrechnung, "Geld verteilen an Leute, die es gar nicht brauchen" - erwähnt nicht einmal den Grundfreibetrag in der Einkommensteuer, "Freibier für alle"); Peter Altmaier meint, die Menschen ermuntern zu müssen; Christian Lindner hält ein BGE für eine Stilllegungsprämie; Stefan Sell hat Sympathien für ein BGE, sieht aber auch die Herausforderungen des Umbaus angesichts eines differenzierten Sozialstaats, die alten Systeme könnten nicht von heute auf morgen auf Null gestellt werden, er sieht einen etwaigen "Zuwanderungsdruck". Bedenkenswerte Einwände, keineswegs neu und dennoch auch in vielerlei Hinsicht keine, die mit einem BGE erst relevant wären, sie sind es schon heute.

Da auch in jüngerer Zeit immer wieder einmal das Attribut bedingungslos missverstanden wird, manche versuchen mit der Unterscheidung bedingungs- vs. voraussetzungslos eine Klärung zu erreichen, das scheint mir auch nicht auszureichen. Deswegen hier und hier zwei Erläuterungen, worauf sich in der deutschen Diskussion von Anbeginn das Attribut bezog.

Sascha Liebermann

19. August 2020

"Zeit, ein Experiment zu wagen" - überraschende Sympathien Marcel Fratzschers für ein Bedingungsloses Grundeinkommen...

... so in seinem Beitrag bei Zeit Online zu lesen, und zwar anlässlich der Bekanntmachung, dass das DIW die wissenschaftliche Begleitung für ein Pilotprojekt von Mein Grundeinkommen übernommen hat. Darin schreibt er, dass ein BGE diskussionswürdig sei angesichts der Schwächen des bestehenden Sozialstaats. Die Kritiker würden es sich leicht machen:"Dessen Gegner sind schnell darin, die Risiken und Gegenargumente aufzuzählen – meist zu schnell. Sie sagen, ein bedingungsloses Grundeinkommen gebe Menschen Anreize, nicht mehr zu arbeiten. Es sei ungerecht, da einige Menschen sich weniger anstrengen könnten und letztlich auf Kosten der anderen leben würden."

Um dann zu schreiben:

"Ich war lange Zeit ein Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens. Mir schienen die Gegenargumente überzeugender. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher – und ich bin überzeugt, dass niemand sich seiner oder ihrer Argumente für oder gegen das bedingungslose Grundeinkommen wirklich sicher sein kann. Denn wir wissen schlicht nicht, wie es genau funktionieren und welche Nebenwirkungen es entfalten würde."

Das ist doch recht erstaunlich und begrüßenswert, bedenkt man, wie entschieden er sich früher dagegen geäußert hat, siehe meine Kommentare dazu hier und hier (oder auch in dieser kurzen Radiodiskussion zwischen ihm und mir). Ist das vielleicht auch ein wenig Werbung für die wissenschaftliche Begleitung? Denn es ist ja nicht so, dass man gar nichts sagen könnte, es ist nur die Frage, wie man zu entsprechenden Schlussfolgerungen kommt, welchen Datentypen man dazu nutzt und wie sie ausgewertet werden. Und dass ein solches Pilotprojekt dazu führt, "wirklich sicher sein" zu können, scheint doch angesichts der methodischen Beschränkungen gewagt.

Und davon ganz abgesehen: Leben wir nicht in einer politischen Ordnung, die zum einen in die Mündigkeit, die Bereitschaft zum Engagement ihrer Bürger vertraut und vertrauen muss, zugleich aber ihnen genau das auch abfordert? Wäre da nicht ein einfacher Ansatzpunkt für Forschung, wenn diese Realität ernst genommen würde? Ist das nicht mehr Beleg als ein "Experiment"?

Sascha Liebermann

23. Juni 2020

"Wir sanktionieren zu viel und unterstützen zu wenig"? - Es kommt auch darauf an, was das Ziel ist


Weniger zu sanktionieren und mehr zu "unterstützen" ändert am Ziel des Sozialsystems nichts. Es kommt eben auf das Ziel an und dann auch darauf, ob Unterstützung auf der Basis von Freiwilligkeit oder sanktionsbewehrten "Angeboten" erfolgt. Darüber habe ich mit Marcel Fratzscher auch einmal diskutiert (siehe hier), der Unterschied zwischen uns bezüglich der Gestaltung von Hilfe könnte nicht größer sein.

Sascha Liebermann

20. Dezember 2018

Arbeit muss sich wieder lohnen - oder muss sie Sinn machen?

Marcel Fratzscher beschäftigte sich mit dem ersten Teil des Titels bei Zeit Online, doch die Frage nach dem zweiten Teil wäre zu stellen.

22. Oktober 2018

"Abschottung und bedingungsloses Grundeinkommen...

...Die Antworten der Populisten auf unsere polarisierte Gesellschaft sind durchschaubar", so ist der jüngste Beitrag von Marcel Fratzscher in seiner Kolumne für Die Zeit untertitelt. Eine schöne Finte. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das BGE in die Reihe der Populismen eingeordnet würde, nachdem diejenigen, die Argumente für es vorbringen, früher schon als Evangelikale, Prediger oder Ähnliches tituliert wurden. Dass Fratzscher als Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) so etwas nötig hat, überrascht dann doch. Zugleich zeigt es, was von seinen Sympathiebekundungen für ein BGE zu halten ist, die er immer wieder einmal in Diskussionen äußerte, z. B. hier (siehe auch frühere Kommentare zu Fratzschers Ausführungen). Das BGE in die Nähe der AfD zu rücken, soll wohl dazu dienen, es angesichts seiner zunehmenden Verbreitung abzukanzeln. Kürzlich stellte Elmar Wiegand auf ähnliche Weise eine Verbindung zwischen AfD und BGE her, vielleicht muss man das als Symptom dafür verstehen, wie bedrängend die Diskussion mittlerweile geworden ist, so dass neue Verunglimpfungsregister gezogen werden.

Sascha Liebermann

29. März 2018

Video des Berliner Rathaus-Dialogs zum Solidarischen Grundeinkommen



Video der 5. Ausgabe des Berliner Rathaus-Dialogs mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Michael Müller, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher, Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. Alexander Schirp und der Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe (SPD) zum Thema "Für ein neues Recht auf Arbeit. Solidarisches Grundeinkommen statt Arbeitslosigkeit." Das Keynote zum Thema "Arbeit im Wandel der Zeit" hielt Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Prof. Hermann Parzinger

Siehe unsere Kommentare zu Marcel Fratzschers Haltung und zum "solidarischen Grundeinkommen".